Die Schiffe setzten ihre Fahrt fort. Sie zogen langsam über dem abgebrannten einsamen Haus hinweg, unbemerkt vom Radar, das allerdings auch keine Flammenwerfer zeigte. Sie waren verschwunden. Allmählich traute man sich wieder ins Freie. Aber Binjaschar´s Worte blieben ihnen bewusst. Niemand hatte Ambitionen, Streit anzufangen oder alleine außer Sichtweite zu geraten. Immer waren sie in Gruppen unterwegs. Ali hatte wieder auf Dorian Gebietserkundungen durchgeführt. Vielleicht fand er ja eine Obstplantage oder Ähnliches. Auch weitere Mitglieder der Gemeinschaft waren „auf den Strauß gekommen“, und bald hatten sie eine kleine Reiterei. Die Soldaten hatten ihre Pflicht erfüllt und am Ende die Verbrecher hingerichtet. Als Zeugen wurden die Überfallenen vereidigt. Ihre Aussagen waren zugleich auch eine Art Lebensversicherung, denn wer an der Strafverfolgung aktiv mitwirkte, erhielt Amnestie. Das war eine Masche, durch die man schlüpfen konnte, wenn man davon wusste. Kommandant Ebeling hatte es den Zivilisten am Abend vor der Verhandlung mitgeteilt, so dass Alle ein Stück erleichtert waren.
Während sie die Höhle weiter erforschten und auch die Krananlage beim Durchbruch installiert hatten, wartete der Weltempfänger mit seltsamen Reportagen auf. Sehr seltsamen Reportagen...
„...auf einmal materialisierte das Wesen vor unseren Augen!“, war aus dem Weltempfänger zu hören. Erich von Däniken und weitere Zeugen sprachen über ihre Begegnungen mit Fremden, die aus dem Nichts erschienen, ihre Botschaft an die Menschen lieferten und wieder unsichtbar wurden. Sofort musste Binjaschar an Lord Maitreya denken, von dem es ebenfalls hieß, er habe eine solche Fähigkeit. Hinzu kam, dass er angeblich auch noch sein Äußeres nach Belieben ändern könne, mal erscheine er als Frau, mal als Mann und als unterschiedliche Personen. Das Ganze erinnerte an Darstellungen von Engeln, die sich quasi „in Zivil“ unter die Bevölkerung mischten und ihre Mission durchführten. All das bekamen Millionen Zuschauer schon Jahre zuvor per Spielfilm präsentiert. Wurden die Massen etwa auf das vorbereitet, was nun käme? Mit Schaudern wurde Binjaschar der antiken Berichte gewahr, wie sie in der Bibel und anderen Dokumenten weltweit aufgefunden wurden und bis auf diesen Tag in Archiven studiert werden konnten. Hatte ein Teil der Gemeinschaft anfangs noch starke Skepsis gezeigt, nahmen sie nunmehr die Sache doch erster. Allmählich breitete sich ein mulmiges Gefühl unter ihnen aus, je mehr sie durch den Funk erfuhren. Obwohl man über den angeblichen Ausgang des Mayakalenders frotzelte, übte der Gedanke an den 21. Dezember 2012 schon eine gewisse Faszination aus. Doch der Termin war verstrichen, ohne dass „Bolon Yokte herniedergekommen“ wäre. Nein, etwas oder jemand Anderes war seit etlichen Jahren präsent, als „Lord Maitreya“ bekannt. Polizisten hatten zeitweise gleich serienmäßig Zulauf irritierter Passanten, die allesamt eine identische Geschichte erzählten: Anhalter wären zugestiegen, hätten etwas von „Jesus“, der „sehr bald wiederkäme“ gefaselt und seien daraufhin „spurlos verschwunden, in Luft aufgelöst“, wie es hieß. Diese Begebheiten häuften sich um die 1980er Jahre, und zwar nicht regional begrenzt. Was auch immer da geschah, mutete äußerst befremdend an. Und im nächsten Jahrtausend, im ersten Jahrzehnt, meldeten Einige unerklärliche Lichtzeichen an Wänden, sternartige Himmelserscheinungen und ähnliche Phänomene. Die Experimente der NASA in der Area 51 taten ihr Übriges, um den Glauben an Außerirdische anzukurbeln. Binjaschar wusste, dass es eine andere, eine näherliegende Erklärung zu all diesen Begebenheiten gab, und sie zu finden war er mit seinen Gefährten aufgebrochen. Wann würde es endlich dazu kommen? Angesichts der Geschwindigkeit, in der sich die Rundfunkbeiträge häuften, blieb kaum noch Zeit. Obwohl die Bevölkerung drastisch abgenommen hatte, war es jetzt noch gefährlicher, das verbotene Buch bei sich zu haben. Fast schon konnte man es eine einfache Gleichung nennen: Weniger Personen, mehr Kontrolle. Man fiel eher auf als im Schutz der anonymen Masse. Das bedeutete ein Problem, dessen sich Alle mehr oder weniger bewusst waren.
„Ihr Menschen müsst wieder auf eure inneren Werte achten“, war aus dem Weltempfänger zu vernehmen. Maitreya hielt einen seiner Vorträge. Mit sanfter Stimme, die an den Dalai Lama erinnerte, zog er die Massen in seinen Bann. „Übt Ehrlichkeit und sucht Freundschaft. Was trennt, lasst hinter euch. Nun stehn wir am Wendepunkt und bereiten uns vor für etwas Neues. Die Menschheit wird gereinigt von aller negativen Energie. Zwist und Neid müssen enden. Der nächste Schritt ist ein Quantensprung in die Zukunft und führt in ein besseres Leben. Neue Technologien ersetzen veraltete zerstörende Methoden. Die Umwelt kann sich nur noch erholen, wenn keinerlei Abgas, kein Zubetonieren und keine Kriegshandlung mehr vorkommt. Wir gaben euch alle 12 Kristallschädel, doch nur Wenige vermögen ihre Botschaften zu empfangen. Von den 12 Planeten ist eure Erde am Schlimmsten dran. Ihr seid unser Sorgenkind. Zu euch bin ich abgesandt worden, euch in die Geheimnisse einzuführen. Es besteht Hoffnung für den gereinigten Überrest. Alle Frevler werden ausgesondert und bleiben fern von der neuen Welt. Sie werden euch niemehr an der Weiterentwicklung hindern. Unwürdig, wie sie sind, bedeuten sie Gefahr und vereiteln die Erneuerung, die euch Freiheit bringt. Werft alle Fesseln der Vergangenheit von euch ab und schaut nach vorne, wo das Licht eines neuen goldenen Zeitalters euch empfängt.“
Alle Anwesenden waren angerührt von diesen Worten, drückten sie doch die Hoffnung und Sehnsucht unzähliger Generation aus. Binjaschar ließ den Blick durch die Runde schweifen. Da trafen sich seine Augen mit Ebeling´s. Unauffällig begab er sich zum Kommandanten und bat ihn leise um eine Lagebesprechung. Auch Ursel Pötschke und Grenadier Leng schlossen sich an. „Ich weiß nicht, wie das Ganze auf euch gewirkt hat“, fing er an, „Was haltet ihr von der Behauptung, da seien 11 weitere Planeten mit Menschen besiedelt? Und wer sind Jene, die Maitreya angeblich zu uns abkommandiert haben sollen? Ich bin skeptisch.“ Panzerkommandant Leng schien am Wenigsten mit Maitreya´s Botschaft anfangen zu können. Während er noch nach Worten suchte, teilte Ursel Pötschke ihre Gedanken mit: „Da ist schon etwas dran, wenn man sich anschaut, was wir aus unserer Welt gemacht haben. Überall herrscht Chaos und Gier, aber der Mensch bleibt auf der Strecke! Ich denke, wir sollten uns anhören, was der Mann zu sagen hat. Vielleicht kann er uns ja wirklich weiterhelfen, auch wenn ich das kosmische Zeug nicht glaube. Egal, ob da noch andere Erden sind und wie viel davon. Hinkommen werden wir eh niemals, also ist es unwichtig. Aber lasst uns wenigstens hören, was er auf Lager hat.“ Oscar Ebeling war sehr ernst und gefasst, als er seinen Eindruck schilderte: „Auf der einen Seite klingt seine Rede ja einleuchtend, aber ist sie auch realistisch? Was meint er denn mit `Reinigung´? Das Massensterben etwa? Hinrichtungen? Denkt er etwa, so die Menschheit ändern zu können? Das halte ich für Fantasterei. Seine Worte mögen ja bei Vielen ankommen und ihnen so etwas wie neuen Mut geben, doch sie werden am nächsten Tag schon in den Spiegel sehn müssen und eingestehn, dass im Grunde nichts geschieht, was nicht schon immer geschehn ist. Da kommt keine `große Erleuchtung´ auf uns zu. Nicht, so lange wir so sind, wie wir nun mal sind, und es wird sich auch nichts ändern. Mag ja sein, dass bei Manchen ein Gesinnungswandel stattfindet, was gut wäre. Doch denken wir ernsthaft, mit guten Vorsätzen wäre es getan? Wir bleiben fehlerhaft, was auch immer wir gegenteilig beteuern mögen.“ Einige Zeit saßen sie noch schweigend beisammen und hingen ihren Gedanken nach. Schließlich schlug Binjaschar vor, die Sache vor G'tt auszubreiten. Oscar Ebeling schaute ihn an, als läge alle Sehnsucht darin. Ursel Pötschke nickte nur, und Albert Leng wiegte verlegen seinen Kopf, stimmte aber doch noch zu. So begann ihre erste „Konsultation mit G'tt“. Waren die Worte noch zaghaft, so löste sich dennoch in ihnen etwas, wie Binjaschar spürte. Diesmal brauchte er sie nicht so stark zu leiten, denn es war offenkundig, dass mehr Freiheit vorhanden war. Sie fassten endlich eigene Worte und wagten sich voran. Selbst Albert Leng überwand sein anfängliches Stammeln und öffnete sich dem „realen Schöpfer“, wie er G'tt fortan zu nennen pflegte. Das Umdenken geschah in kleinen Schritten, bevor sie bereit waren zu diesem großen Schritt und mit G'tt Kontakt aufnahmen. Der Anfang war gemacht. Nun trug Binjaschar eine um so größere Verantwortung. Grade die sensible Phase kann einen Menschen entweder weiterbringen oder auskippen. Das war nicht anders in dieser kleinen Runde. Die nächsten Stunden und auch Tage würden zeigen, wie bei jedem Einzelnen die Änderung Fuß fasste. Noch hielt Binjaschar sich zurück und wartete lieber darauf, dass von ihrer eigenen Seite Fragen kämen. Das schien ihm angebracht. Je nach Situation würde er wenige helfende Worte anbringen, möglichst unauffällig angesichts der Menge um sie herum. Einzig Lissi erfuhr etwas mehr davon. Sie sollte es an die gläubigen Freunde weitergeben, was auch durch ihre Geschicklichkeit gelang. Längst hatte sie selber Zugang zum Vater gefunden und Jeschua als ihren „großen Bruder“ anerkannt, an dem sie sich orientieren konnte, so weit ihr seine Lehre bekannt war. Dafür sorgte Binjaschar, der immer mal jemanden von ihnen beiseite nahm und sich zur Verfügung stellte.
Wieder einmal hielt Maitreya seine Rede, mittlerweile fast jeden Tag. Im Grunde baute er auf das bereits Gesagte systhematisch auf. So lenkte er die Zuhörerschaft immer weiter zu den entscheidenden Punkten, auf die er hinarbeitete. Kommandant Ebeling hatte eine Versammlung einberufen, an der möglichst Alle sich beteiligten. Wer anderweitig zu tun hatte, bekam es per Funk übertragen. Ebeling griff die Thesen Maitreya´s auf und hinterfragte sie mit praktischen Überlegungen. Das brachte, wie er hoffte, die ganze Gemeinschaft zum Nachdenken und zur Wachsamkeit. In der Menge gut verteilt befanden sich die Gläubigen mit aufmerksamem Blick. Ihnen oblag es, die Stimmung einzufangen und „hinter den Kullissen“ zu agieren, wie sie das heimliche Beten genannt hatten. Irgend wann im Anschluss war ein öffentlicher Austausch vorgesehn. Die Freunde hielten ihre Aktion für gekommen und wollten keinen weiteren Aufschub zulassen. Darin waren sie sich einig, denn bei Manchen schienen Maitreya´s Worte zu fruchten. Jetzt galt es, die Gemeinschaft mit G'tt in Berührung zu bringen und ihnen die Augen zu öffnen. Das musste behutsam vonstattengehn, um sich keine Rebellen einzuhandeln. Denn dann wäre das Zusammenleben wirklich kompliziert worden, was niemand brauchen konnte. Nein, die Leute mussten selber denken und kritisch genug sein, um nicht auf schöne Worte reinzufallen und falschen Hoffnungen zu erliegen.
Weißes Haus, Washington
Die Zusammenkunft von den führenden Vertretern der wichtigsten Religionen und Wirtschaftsministern war bis auf den letzten Platz gefüllt. Lord Maitreya nahm den Ehrensitz Nummer 666 ein. Dieser Stuhl wurde noch nie zuvor besetzt, und alle Parlamentsmitglieder hielten ihn respektvoll frei. Nicht einmal wollte jemand Unterlagen darauf beiseitelegen. Feierlich Eröffnete der PM den Kongress und verlas das Tagesprogramm. Einige Referenden sollten die aktuelle Lage ihrer Länder vortragen, doch für den Hauptredner war von vorneherein eine Extrazeit einkalkuliert worden. Was einem Außenstehenden auffiehl, war der hohe Anteil aus muslimisierten Ländern. Alle Nationen bis zu den Stadtstaaten waren anwesend. Nur ein einziges Land fehlte. IsraEl war gar nicht erst eingeladen worden. Wirtschaftlich angeschlagen infolge weltweiter Boykotte, hatten seine Politiker und Wirtschaftsfachkräfte genug zu tun, um die Versorgung der Bevölkerung aufrechtzuerhalten, was schwer genug war. Hinzu kam noch die militärische Lage im Land selber und an den Grenzen. Bislang hatte die Führung erfolgreich einen arabischen Terrorstaat im Staat verweigern können, doch das genau waren die Nachbarn ihnen aufzuzwingen aufs Äußerste entschlossen. Jetzt nützte keine weitere Diplomatie. Die Reden waren vorbei. Nunmehr standen sich die Armeen direkt gegenüber.
Das war letzten Endes auch der eigentliche Anlass des Kongresses. Das allseits isolierte IsraEl würde entweder den finalen Kniefall vollführen oder den „gerechten Zorn“ der Nationen zu spüren bekommen.
Als Maitreya schließlich am Rednerpult stand, hätte man die sprichwörtliche Stecknadel fallen hören können, so gebannt lauschte der Kongress jedem seiner Worte. Maitreya beschwor ein Bild herauf, das IsraEl als Aggressor und Störenfried per exellance darstellte. Dann führte er alle völkerrechtlichen Aspekte auf, gegen die das Land verstoßen haben sollte. Die Liste war dieses Tages besonders lang. Im Anschluss hielten die Vertreter jeweils ein kurzes Plädoyer, und es kam zur Abstimmung. Wie man sich denken konnte, war der Beschluss einstimmig. Erst jetzt wurde dem Land ein Ultimatum erteilt.
Was davon im Äther ausgestrahlt werden durfte, beschränkte sich nur auf das Nötigste. Das Ultimatum fand Erwähnung, doch eingebettet als letzter Punkt einer Liste „zionistischer Vergehn gegen die palästinensischen Ureinwohner und bestehenden internationalen Rechtes“. Besonders hervorgehoben wurde „IsraEl´s Widerspenstigkeit gegenüber jeglichen palästinensischen Friedensangebotes“. Man gebe gutherzig dem Land eine letzte Chance, sich zu beweisen. Mit „dieser Geste des guten Willens“ zeige man die Bereitschaft, IsraEl einen Platz innerhalb der Völkergemeinschaft einzuräumen. Sollte „wider Erwarten“ das Volk sich weigern, den „Palästinensern ihr Daseinsrecht zu gewähren“, würde die internationale Völkergemeinschaft „entsprechende Maßnahmen nach Ablauf des Ultimatums unverzüglich einleiten“.
Im HQ war man schockiert. Niemand hatte mit einem solchen Augenblick in der Geschichte gerechnet. Fast niemand. Nach der ersten Reaktion ergriff Binjaschar das Wort. Tief atmete er durch und schaute allen Umstehenden in die Augen, bevor er sprach. „Liebe Freunde, geachtete Gemeinschaft. Wir stehn in der Tat an einem Wendepunkt, ganz wie Maitreya gesagt hat. Nur ist es nicht entsprechend seiner ach so süßen Worte, wie sie uns noch voriger Tage in den Ohren geklungen haben! Wir sehn jetzt, was er wirklich beabsichtigt, und zwar die Versklavung einer Nation, welche über Jahrtausende um Leben und Freiheit zu kämpfen gezwungen worden war. Mit unerträglicher Heuchelei stürzen sich all die Nationen auf JisraEl, die schon immer imperialistischen antisemitischen Dreck am Stecken hatten! Wollen wir da mitziehn? Gehn wir in uns und entscheiden, was wir tun werden. Morgen treffen wir uns wieder vollzählig. Jetzt lasst uns die Zeit nutzen, um unser Innerstes zu prüfen.“ Damit verließ er wieder das Rednerpult.
Sofort bildeten sich rege diskutierende Gruppen, die gemeinsam die Offerte zu verarbeiten suchten. Auch um Binjaschar sammelten sich manche Mitglieder. Selber schwieg er während der ersten Minuten, hörte aber um so aufmerksamer zu. Erst nach und nach beruhigte sich die Menge und genehmigte sich Kaffee und Essen. Ja, die Straußenreiter waren erfolgreich bei ihrer Suche nach verlassenen Gärten. Mittlerweile konnte man auch das damals nachgesähte Getreide ernten und erstes frisches Brot genießen. Sogar ein verwildertes Kartoffelfeld enthielt per Saatgut überlebende Pflanzen. Tatsächlich hatten auch sie etliche Knollen, so war der Nachschub gesichert. Knollen zu legen ging wesentlich rascher als die Pflanzen sich selber aussähn zu lassen. Ergänzt wurde das Angebot mit allmählich aufkommenden Brombeeren und Himbeeren so wie Hagebutten. Die Vegetation hatte sich langsam erholt, wenn auch längst nicht regeneriert. Bis dereinst wieder nennenswerter Wald entstand, brauchte es Jahrzehnte. Eher noch war eine Buschsavanne denkbar, die im ausgedörrten und humusarmen Boden gedeihn konnte. Die ungebremsten Regenschauer hatten sämtliche fruchtbare Erde in die Täler gespült, wo zwischen dem Ginster vereinzelt schnellwachsende Arten wie Birken und Hollunder zum Vorschein kamen. Und mit wachsender Artenfülle vergrößerte sich auch das Angebot an Essbarem, an Medizin und Kosmetika. Man brauchte nur zu wissen, was für welche Zwecke sich eignete.
Der Morgen graute, und mit ihm kam die Wachablösung an der Funkanlage. Wer nicht an der Versammlung teilnehmen konnte, bekam ein Protokoll zu lesen. So war sichergestellt, dass auch Alle über die aktuellen Ereignisse informiert wurden. Das war enorm wichtig, denn jederzeit konnte etwas passieren, dann musste die Gemeinschaft reibungslos zusammenarbeiten. Die Konferenz war für den späten Vormittag angesetzt. So hatten sie Zeit, nachmittags zu sprechen und neue Gedanken zu sammeln.
Unterdessen tat sich etwas in der Höhle, genauer im kleinen Gebäude. Eine techniche Anlage entstand zwischen den Mauern. Kein Zivilist war informiert, was da allmählich Teil für Teil verschraubt und eingeklinkt wurde. Was höchstens auffiel, waren die Strahlenschutzanzüge, in denen die Pioniere steckten. Eigentlich war das Gebäude nicht wirklich als „klein“ anzusehn, doch wirkte es in dieser majestätischen Umgebung winzig. Uneingeweihte konnten es ohnehin kaum auf den ersten Blick entdecken, da die Techniker es bewusst zwischen massiven Wällen gesetzt hatten. Lediglich ein Rohrsysthem verband es mit einer Wasserstelle, aus der kein Trinkwasser entnommen wurde. Man hielt sich ran, denn der Vorrat an Treibstoff neigte sich rapide auf Null. Anfangs des neuen Jahrtausends befand sich in Frankreich ein experimenteller Prototyp in Bau, um den es allerdings bald still wurde. Die Soldaten hatten ein solches Gebäude im Kleinformat entworfen. Genau diese Anlage wuchs in der Höhle heran. Der Fusionsreaktor sollte bald alle Geräte und Fahrzeuge mit Strom versorgen. Die Verbrennungsmotoren waren relativ schnell ausgebaut und ersetzt mit Batterieaggregaten. Und noch etwas ruhte bislang in den restlichen großen Kisten...
Endlich waren alle Anwesenden durch das Frühstück munter und gestärkt. Oscar Ebeling eröffnete das Treffen, in dem er über den Zweck des Militärs referierte. Bis wann ging die Pflicht, ab wann musste man dem Gewissen folgen? Grundlegende Fragen, denen jeder Soldat bald gegenüberstand. „Es ist nur eine Frage der Zeit“, führte er weiter aus, „und man bekommt von den Regierenden den Marschbefehl. In unserem Fall dürfte der fällig sein. Machen wir uns auf einen Besuch gefasst. Wir können uns der Sache nicht entziehn, ohne zu einer Art Rebellenarmee zu werden. Meine Damen und Herrn, jeden Augenblick kann uns die Stunde der Wahrheit ereilen, und wir müssen uns entscheidenden, auf wessen Seite wir stehn. Das hat Joschia Binjaschar gestern bereits angesprochen, deshalb sind wir heute zusammengekommen. Wir Offiziere haben uns darauf geeinigt, Ihnen beizustehn und uns nicht in den Vernichtungsfeldzug hineinziehn zu lassen. Wir haben das verbürgte Recht, aus Gewissensgründen bestimmte Handlungen zu verweigern. Dazu zählen auch Waffengänge gegen Ziele, die unser Wohlwollen genießen. Jeder Einzelne hier steht in Verantwortung für seine Taten. Falls jemand in den Krieg zu ziehn gedenkt und gegen IsraEl kämpfen will, steht ihm der Abzug frei. Wir werden ihm nicht hinderlich sein. Ob er aber noch immer sein Spiegelbild ertragen kann, ist eine andere Sache. Wir jedenfalls haben entschieden, uns nicht an solch Massaker zu beteiligen!“ Das Wort hatte er fast ausgespuckt, so angewidert verzog er das Gesicht bei dessen Erwähnung. „Allerdings“, fügte er jetzt hinzu, „erfolgt von unserer Seite aus auch keinerlei Unterstützung. Wer gehn will, verlässt uns ohne Proviant und Ausrüstung. Wir halten keinen Reisewilligen auf. Die Funkgeräte und Werkzeuge bleiben hier. Das wäre dann alles. Wegtreten!“
Mit Erleichterung nahmen die Gläubigen den Entschluss zur Kenntnis. Jetzt blieb abzuwarten, wie sich die Lage entwickeln würde. Immer wieder konnte man während der nächsten Stunden sehn, wie sich kleine Gruppen bildeten und über das Gehörte austauschten. So vergingen die Tage. Doch niemand nahm Abschied. Sah man ihnen in die Augen, so erweckten sie einen entschlossenen und gefassten Eindruck. Als dann der Weltempfänger meldete, was ja kommen musste, waren überall Seufzer und Missfallensbekundungen zu vernehmen. Unter ihnen konnte Lord Maitreya keine Beute machen. Diese Entschlossenheit stärkte den Zusammenhalt Aller, auch wenn sie ganz unterschiedliche Denkweisen hatten. Aber welche Gemeinschaft hatte sie nicht?
Längst waren alle Flüge von und nach IsraEl gestrichen, und nichts ging mehr. Kein Grenztransfer war noch möglich. Im Land selber tobte der Aufstand siegesgewisser Araber. Die Armee bekam Schießerlaubnis und machte davon Gebrauch. Doch auch jetzt vermieden die Soldaten, Frauen und Kinder zu treffen. Einzig Bewaffnete wurden aufgegriffen und eingesperrt. Erste Raketensalven kamen von Syrien und Libanon, verstärkt von dem Beschuss aus dem Gazastreifen. Nun, da der Krieg offiziell ausgebrochen war, begann die IDF den Gazastreifen einzunehmen. Die Blausterne taten ihr Bestes, feindliche Artilleriestellungen zu bombardieren, doch die waren durch Flak verstärkt. Zielsuchende Raketen machten es den Maschinen schwer, überhaupt nah genug heran zu kommen. Schon gab es Verluste. Wie konnte ein Land alle seine Grenzen zur selben Zeit verteidigen? Die Jets trafen auch auf gegnerische Maschinen und sahn sich in Luftkämpfen gebunden. Die eigentlichen Ziele konnten erst gar nicht erreicht werden. Israelische Artillerie anwortete ihrerseits auf den Hagel des Feindes. Die Autonomiegebiete bereiteten die größten Probleme, denn sie funktionierten plötzlich als Aufmarschwege des Feindes aus Jordanien. Schon sah Jerusalem sich umstellt.
In der Höhle wurden unterdessen die letzten Kisten geöffnet. Keinem Zivilisten war der Zutritt gestattet. Dr. Falcone´s Team war wieder genesen, einzig der Doktor selber litt unter pneumatischen Komplikationen und hing am Sauerstoffgerät. Sie sollten die Skelette begutachten, doch das musste warten. In den Kisten waren Einzelteile gelagert gewesen, welche bestenfalls an Industrieroboterarme erinnerten. Doch da lagen wesentlich dickere Teile, deren Enden mit Flanschen versehn waren. Die kleineren Stücke endeten in Geschützläufe. Eine der großen Kisten enthielt Gestänge und Bauteile eines Fahrzeugs mit Fräsvorrichtung. So bald es zusammengebaut und betriebsbereit war, bearbeitete es die Höhlenwände, hobelte grade Flächen und Nischen. Den Schutt schaffte man in ein Loch, dass die Pioniere zuvor am Höhlenrand ausfindig machen konnten.