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Beitrag von Eaglesword Sa 09 Apr 2011, 20:18



Zuletzt von Eaglesword am Mo 06 Feb 2012, 19:12 bearbeitet; insgesamt 13-mal bearbeitet
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Beitrag von Eaglesword Sa 09 Apr 2011, 20:20

Werte Leserschaft,
wer erinnert sich an Buch und Verfilmung von `Left behind´? Und wer kennt BattleTech- Romane? Nicht zu vergessen Filme wie `The Day After´ und `The Day After Tomorrow´, allesamt auch in deutsch zu haben.
Diese vorliegende Erzählung ist eine Antwort auf das Erwähnte und verbindet es mit biblischer Vision.
Zum Inhalt:
Ein wissenschaftliches Institut liegt von heute auf morgen in Schutt und Asche. Wie konnte das passieren? Die Überlebenden schafften es grade noch, den Trümmern zu entkommen und landen scheinbar in einer anderen Welt. Nein, es ist noch immer ihre Heimat, aber alles ist nun anders. Schließlich entdecken sie das wahre Ausmaß der Zerstörung und müssen sich im Chaos zurechtfinden, als ihnen ein Mann begegnet. Wer ist er, und was ist sein Geheimnis? Fast ihr ganzes bisheriges Leben haben sie mit Forschung zugebracht, ohne eine Antwort zu finden. Doch der Fremde scheint mehr zu wissen. Die Lösung steht in einem verborgenen Buch, dessen Versteck der Mann kennt. Eine gefährliche Suche beginnt. Werden sie es rechtzeitig finden und vor dem Zugriff des Regimes retten?


Zuletzt von Eaglesword am So 23 Sep 2018, 21:43 bearbeitet; insgesamt 2-mal bearbeitet
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Tage danach Empty 1 Was war nur geschehn?

Beitrag von Eaglesword Sa 09 Apr 2011, 20:25

Es regnete seit Tagen schon, und fast ununterbrochen trommelten schwere, dunkelgraue Tropfen aufs Blechdach. Sir Ede Tom hatte sich diesen Unterschlupf auserkoren. Er hatte nicht allzulange nach einem Platz wie diesem Ausschau halten müssen, so dass der giftige Regen ihn nicht erwischte.
Er hatte bis jetzt noch einen kleinen Vorrat an Spezialnahrung bei sich, doch die ging nun zur Neige. Ob außer ihm noch weitere Kollegen die entsetzliche Katastrophe überlebt hatten, konnte er wohl vorläufig nicht in Erfahrung bringen. Alles war so überraschend gekommen! Sir Ede Tom konnte sich nur mühsam an Einzelheiten erinnern. Wirklich niemand schien zu wissen, was genau vorgefallen war innerhalb der vergangenen Tage. Zusammen mit seinen Kollegen war er grade an einem speziellen Forschungsprojekt dreier Versuchsanstalten beteiligt, als es eine Reihe von gewaltigen Erschütterungen und Explosionen gab. Er selber hatte sich noch rechtzeitig in Sicherheit bringen können. Was wohl aus ihrer jahrelangen Arbeit geworden war? All die Mühe bei den unzähligen Experimenten und ständigen Berechnungen- war nun alles wertlos?
Sir Ede Tom schüttelte heftig seinen Kopf bei diesen Gedanken, so als wolle er sie nicht in sein Inneres kommen lassen. Er überlegte angestrengt, welche Schritte nun zu tun sein: Er musste auf jeden Fall weitere Nahrung finden, um nicht ziellos in der Gegend herumzuziehn. Hatte sich erst einmal genug davon eingefunden, so dachte er, ließe es sich hier unter dem Blechdach vortrefflich ein paar Tage aushalten. Auf ein Ende des giftigen Regens konnte man ja nun doch nicht warten. So war er froh, dass er seinen Schirm bei sich trug an jenem Tag, als sie das Gebäude verließen. Erst gab es dieses fürchterliche Beben, bevor die akustische Alarmanlage einsetzte. Geistesgegenwärtig hatte er einige wichtigen Unterlagen eingesteckt und rannte mit den Kollegen dem Ausgang zu. Da fiel sein Blick auf jenen Schirm, den er für alle Fälle stets da deponierte. Kaum waren die Letzten draußen, blitzte es auch  schon so hell wie bei einer Wasserstoffbombe. Unmittelbar hinter ihnen begann ein tosendes Inferno. Wo sie noch vor ein paar Minuten konzentriert am Projekt gearbeitet hatten, erfüllte sich jetzt die Luft mit dem Lärm berstender Scheiben und zerbrechender Büromöbel. Es befanden sich zu allem Übel auch einige hochexplosive Chemikalien im Hause, die nun völlig außer Kontrolle waren und schwerwiegende Zerstörungen im Gebäudekomplex anrichteten. Dann brach diese unheimliche Dunkelheit über die gesamte Gegend herein. Die Luft war schwarz von dichtem Ruß, als wäre plötzlich ein Vulkan ausgebrochen.
Sie waren zu verwirrt, um sich durch Rufe zu verständigen. So verlor man sich in der Dunkelheit. Sir Ede Tom hatte einen starken Akkuscheinwerfer aus dem Labor mitgenommen. Es war ein handlicher DC9er. Diese Handscheinwerfer stellten eine nützliche Erfindung dar: Man konnte sie überallhin mitnehmen. Mit diesen kleinen Geräten waren Objekte viel besser ausleuchtbar, als mit jenen altertümlichen Taschenlampen.
Auch dachte er daran, ob vielleicht ein paar Zähne und Knochen, die Objekte der jahrelangen Untersuchungen, die Katastrophe überdauert hätten. Seine Forschergemeinschaft befasste sich mit ausgestorbenen oder zumindest verschollenen Tiergruppen.
So war bekannt, dass nur noch 2% aller Arten am Leben waren. Dieser Verlust war garantiert hausgemacht, davon war die Forschergemeinschaft überzeugt. Doch die Öffentlichkeit hatte allem Anschein nach kein Interesse an dieser Feststellung. Viel lieber machte man "Urweltkatasthrophen" für das Desaster verantwortlich. Schon alleine der bloße Gedanken an eigene Schuld war den Menschen unerträglich.
Die Allgemeinheit ging noch immer vom "neutralen" Menschen aus: Der Mensch wurde geprägt von seiner Umwelt und reflektierte lediglich die ihm begegnenden Eindrücke. Demnach konnte niemand für seine Lebensäußerungen verantwortlich sein. Gewiss, damals traten Mahner auf und riefen öffentlich aus, dass jeder Einzelne sehr wohl ein Gewissen besäße. Doch rasch wurden sie zur Räson gebracht.
Akademiker wie er wussten um den Verbleib dieser mutigen Rufer, doch man musste äußerst vorsichtig sein mit kritischen Bemerkungen, wenn man ihnen nicht hinterherfolgen wollte. Die menschliche Gesellschaft duldete keine Infragestellung ihrer selbst. Dies war ein unausgesprochenes Tabu.
Sir Ede Tom schritt behutsam über den nassen Boden. Alles war durch den Regen aufgeweicht, und der abgeregnete Ruß bildete jetzt eine schmierige Schicht. Er vermied sorgfältig jeglichen Kontakt mit dem giftigen Regen, der noch immer niederprasselte. Er hatte nicht die geringste Lust auf zusätzliche Schwierigkeiten, wie sie bei Kontakt mit giftigen Substanzen auftraten. Zwar hatte der Regen wieder eine klare Färbung, doch man konnte noch immer eine gewisse Trübung feststellen. Jetzt schaute er leicht auf, um seine Umgebung besser wahrnehmen zu können. Wie erschrak er nun: War das, was er da in einiger Entfernung wahrnahm, wirklich sein Arbeitsplatz? Seine geliebte Forschungsanstalt, in der er fast sein ganzes bisheriges Leben zugebracht hatte- eine Ruine? Nur schwer konnte er sich mit dieser neuen Realität abfinden. Aber was half jetzt alles Jammern? Also steuerte er zielstrebig auf das Gebäude, oder was noch davon übrig geblieben war, zu. Vielleicht, so dachte er sich, konnte man ja noch weitere Gegenstände bergen.
Bis auf ungefähr 100 m hatte er sich dem Gebäude genähert, als er dort eine Gestalt erblickte. Neue Hoffnung durchströmte Sir Ede Tom, und er beschleunigte seinen Schritt, so gut es der schlüpfrige Boden zuließ. Inzwischen hatte die andere Person ihn bemerkt und wandte ihm das Gesicht zu. Bradford! Es war sein langjähriger Kollege und Mitarbeiter Bradford. Freudig begrüßten sich die Männer. Bradford´s ohnehin schon hageres Gesicht war noch stärker eingefallen. Bestimmt hatte er während der  ganzen Zeit, die seit der Katastrophe vergangen war, nichts gegessen. „Bill, wie geht es dir?", fragte Sir Ede Tom seinen Kollegen, „Hast du Schmerzen, bist du verletzt? ...und wo sind die Anderen?“  Bill Bradford war zwar erst um die 40, doch sein Äußeres ließ ihn wesentlich älter erscheinen. Diese Tage hatten ihn sehr mitgenommen, und müde murmelte er etwas von Regen. Durchnässt sei er, und wo die Anderen geblieben waren, wusste er auch nicht. Vergessen war das Institut: Sir Ede Tom hatte sich jetzt zuerst um seinen Kollegen und Mitstreiter zu sorgen. Bill Bradford war ein äußerst wacher Zeitgenosse, und so ergab sich von Anfang an ein inniges Verhältnis der Forscher untereinander. „Komm, Bill, du brauchst jetzt erst mal Ruhe. Ich habe einen sicheren Unterschlupf gefunden.“ Mit diesen Worten legte er seinen Arm um Bradford´s Schulter. Beide gingen jetzt Schritt für Schritt zurück in Richtung der Zuflucht. Bradford war schon sehr geschwächt, so dass die Männer ein paarmal fast ausgeglitten wären. Irgendwie erreichten sie doch noch das Ziel. Als Bill Bradford sich endlich auf dem notdürftigen Lager niedergelassen hatte und eingeschlafen war, machte Sir Ede Tom sich wieder auf den Weg. Diesmal musste er nicht erst suchen, bis er zum Institut gelangte.
Obwohl er die ganze Gegend wie seine Aktentasche kannte, wurde eine Orientierung bei diesem Regen doch sehr erschwert. Hinzu kam, dass alles mit dieser schwarzen Schicht bedeckt war und  gleich aussah. Doch Sir Ede Tom hatte sich einige markante Punkte gemerkt, durch die er sich nunmehr zurechtfand.
Bald war das zerstörte Gebäude gefunden. Ob er noch weitere Aufzeichnungen oder wenigstens Untersuchungsmaterial in unversehrtem Zustand entdecken würde? Jedenfalls wollte er möglichst viel aus diesem Trümmerhaufen bergen. Vielleicht, so überlegte er, konnte das Forschungsprojekt doch noch gerettet werden. Jahrelang hatten sie daran gearbeitet, Stunde um Stunde damit verbracht, all die vorliegenden Ergebnisse nochmals zu vergleichen und zu überprüfen. Von fast jeder Tiergruppe standen den Forschern Gewebeschnitte, Knochen und Zähne zur Verfügung. Schon alleine zu deren Sammlung hatte man ein volles Jahrzehnt gebraucht. Angesichts der vielen Tiere stellten 10 Jahre eine recht kurze Zeit dar. Seine Forschergemeinschaft hatte sich aus diesem Grund mit zwei Weiteren zusammengeschlossen. Die Zusammenarbeit gestaltete sich von Anfang an intensiv. Unter den Projektleitern kannten sich die Meisten schon aufgrund ihrer gemeinsamen Studienzeit, ein Vorteil, der ihre Cooperation entscheidend erleichterte. So fanden sich auch aus allen drei Forschungsinstituten Gesinnungsgenossen zusammen.
Man hatte längst nicht alle Ergebnisse veröffentlicht: So entsprachen die meisten Daten nicht der allgemeinen Weltanschauung. Dieser Umstand bewirkte eine gewisse Spaltung unter den Forschern. Aus diesem Grunde versuchte Sir Ede Tom auch, ein privates Gremium aufzubauen. Bald fanden sich die ersten gleichgesinnten Kollegen, und nach und nach stießen weitere hinzu. Es ging diesen Wissenschaftlern nicht um eine Anerkennung der Weltöffentlichkeit, nein, es ging ihnen ausschließlich um die Wahrheit.
Im Denken der pluralistischen Gesellschaft gab es längst keinen Platz mehr für absolute Wahrheit: Es galt alles als relativ. Die Wissenschaftler waren zu Lakaien der allgemeinen Weltanschauung verkommen. Kritische Zeitgenossen mussten mit Ignoranz oder gar mit Repressalien rechnen. Dennoch gaben die wahrheitsliebenden Forscher ihre Hoffnung nicht auf, eines Tages doch an die Öffentlichkeit zu treten.
Sir Ede Tom hatte schon geraume Zeit in den Trümmern nach Material Ausschau gehalten. Ein paar kleinere Stücke lagen bereits auf einem Haufen. Er fühlte plötzlich einen kastenförmigen Gegenstand unter dem Ruß. Aus Prinzip trug er stets Lederhandschuhe bei sich. Sie waren gerade dünn genug, um den Tastsinn nicht zu beeinträchtigen. Vorsichtig wischte er die schwarze Schicht vom soeben gefundenen Gegenstand. Ein Weltempfänger ganz besonderer Qualität kam zum Vorschein. Sir Ede Tom jauchzte auf: Endlich konnten er und sein Kollege erfahren, wie es in anderen Gegenden aussah. Wenige Tage vor den Erschütterungen hatte es noch seismologische Warnungen gegeben, doch niemand konnte genau wissen, wann und wo sich die angekündigten Beben ereignen würden. Um so überraschender war die Katastrophe dann auch über die Bevölkerung hereingebrochen. Jetzt wollte er es wissen und bediente den Weltempfänger, der mit einem leisen Rauschen reagierte. Er wusste, dass das Gerät über einen noch vollen Akku verfügte. Ob die Chemikalien das Innenleben des Gerätes angegriffen hatten? Doch was blieb übrig? Sir Ede Tom wollte es ja sowieso auf seine Brauchbarkeit hin überprüfen. Er drehte an der Ferritantenne. Die Sender meldeten sich. Als er schließlich alle Funktionen getestet hatte, schaltete er den Weltempfänger zufrieden aus. Erst im Unterschlupf wollte er gemeinsam mit seinem Kollegen und Freund genauere Informationen in Erfahrung bringen. Doch auf einmal beschlichen ihn seltsame Gedanken: Konnte es vielleicht sein, dass irgendwelche Plünderer sich in der Nähe herumtrieben? Aber so etwas festzustellen wäre nun doch zu umständlich gewesen. Dennoch blieb diese Ahnung in Sir Ede Tom wach, auch wenn er sich dagegen sträubte. Er hätte noch gerne nach weiteren Gegenständen gesucht, aber schließlich lag sein durchnässter Kollege in der vorläufigen Bleibe. So packte er behutsam alle Fundstücke zusammen und machte sich auf den Weg über dem matschigen Untergrund.


Zuletzt von Eaglesword am So 23 Sep 2018, 21:44 bearbeitet; insgesamt 5-mal bearbeitet
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Beitrag von Eaglesword Sa 09 Apr 2011, 20:30

Bill Bradford schlug soeben die Augen auf, als er von draußen Schritte hörte. Sicher war es Sir Ede Tom, der jeden Augenblick zu ihm hereinkommen würde. Doch seltsamerweise blieb Jener kurz vor dem Eingang stehn. „Ist da jemand?“ Diese ungewohnte Stimme erschreckte Bill Bradford nun doch. Wer war dieser Mann, der da draußen wartete? Bill Bradford fasste sich ein Herz und bat den Fremden, einzutreten, was Dieser auch sogleich tat. Dabei fiel ihm der dunkle Teint seines Besuchers auf. Zudem besaß der mandelförmige Augen, wie sie von Asiaten bekannt waren.
Bill Bradford wollte ein peinliches gegenseitiges Abwarten vermeiden und stellte sich dem Mann vor. Der nannte nun ebenfalls seinen Namen: "Joschiah Binjaschar. Mein Vater wohnte seit der x-ten Generation in Indien. Ich wanderte nach seinem Tod aus. Er wurde ermordet, weil er kein indischer Arier war. Sie müssen wissen, dass es auch dort irregeleitete Menschen gibt, die vom imaginären `Ariertum´ begeistert sind. Mr. Bradford, vielleicht wissen Sie auch nicht, dass es nie Arier gegeben hat?"
Bill Bradford schaute dem Besucher erstaunt in die Augen. Nein- dieser Mensch war ganz gewiss kein Spitzel. „Herr Binjaschar, woher wissen Sie, was Sie mir da grade gesagt haben?“ Joschiah Binjaschar begann, Bill Bradford von der Geschichte seiner Familie zu berichten:
„Herr Bradford, ich bin das, was man allgemein einen Juden nennt. Damals wurde das Land meiner Väter zerteilt in Jisrael und Jehudah, Ihnen dürften die Namen Israel und Judäa oder Juda geläufiger sein. Die Leute von Jehudah hießen Jehudim, eine hebräische Pluralform, die „Judäer“ oder auch „Juden“ bedeutet. Seit dem wird ein jedes Mitglied des hebräischen Volkes ein Jude genannt.“ Binjaschar hielt kurz inne, um seinem Zuhörer Gelegenheit für Fragen einzuräumen. „Und wie heißt nun das hebräische Volk wirklich? Warum nennen Sie es `hebräisch´?“, wollte sein aufmerksamer Zuhörer wissen. „Herr Bradford, das ist eine gute Frage. Ich sehe, Sie haben echtes Interesse. Mein Volk, wenn ich es mal so nennen darf, heißt `Hebräer´. Der Stammvater hieß Awraham, auch Abraham genannt. Er hatte offenbar Kontakt zu G'tt...“ Bei diesem Wort forschte Binjaschar aufmerksam in Bradford´s Gesicht, konnte aber keine ablehnende Mimik feststellen. So fuhr er fort: „G'tt hatte ihm damals aufgetragen, all seine Verwandtschaft zu verlassen. Nur seine engsten Familienangehörigen durften mitkommen. Er nahm aber auch seinen Neffen mit, namens Lot. Lot hatte ebenfalls Ehrfurcht vor G'tt, weshalb G'tt auch nichts dagegen einwendete. Viele Leute schlossen sich auf der Reise an. So wuchs Awraham´s Karawane schließlich zu einem Volk an. G'tt schloss damals einen Bund mit Awraham und dessen Gefolgsleuten: Zum äußeren Zeichen wurde jedem männlichen Mitglied die Vorhaut entfernt, Ähnliches kennt man von den Moslems. Doch der Unterschied besteht darin, dass die hebräischen Jungen im Alter von 8 Tagen jene Prozedur erfahren und sie schnell vergessen, zumal bei einem Säugling Wunden rasch wieder zuheilen. Bei den Moslems geschieht sie erst mit 8 Jahren. G'tt hatte damals mit diesem äußeren Kennzeichen der Menschheit sagen wollen, daß die Leute Awraham´s ein besonderes Volk waren: G'ttes Eigentum. Als ein Solches waren sie in erster Linie ihrem Eigentümer gegenüber verpflichtet. Von Ihm erhielten sie eine einmalige Anweisung zum Leben, vollkommen und gerecht. Es ist das sozialste Gesetz, was es je gab und geben kann. So hatte G'tt Awraham´s Leute von allen anderen Völkern ausgesondert, um mit ihnen eine Art Botschaft zu gründen: Tatsächlich kamen hier und da einige Leute aus anderen Völkern, um G'tt kennenzulernen. Hebräer heißen die Leute Awraham´s aus folgendem Grund: Sie lebten ähnlich den Nomaden, aber man sollte sie nicht mit ihnen verwechseln. Hebräer kommt aus dem Hebräischen und bedeutet soviel wie umherzuziehen, jedoch gleichzeitig feste Wohnorte zu haben, während die Nomaden ohne feste Wohnorte mal hier, mal dort kampieren.“ Bradford wollte es gerne genauer wissen, und so fragte er Binjaschar unvermittelt, warum denn die Hebräer solchen Wert legten auf diesen Unterschied. Binjaschar erklärte es ihm geduldig: Die Nomaden waren schmutzig und hielten ihre Lagerstätten nicht sauber. Den Hebräern hatte G'tt aufgetragen, ihre Notdurft außerhalb des Lagers zu verrichten, hinzu kamen einige weitere Reinlichkeitsvorschriften. „Dadurch waren die Hebräer weitaus gesünder als die anderen Völker“, bemerkte Binjaschar zu seiner Ausführung, „In manchem Lied ist G'ttes Anweisung zum Leben schon lobend besungen worden. Die Hebräer lernten immer wieder den Unterschied zwischen ihrem Lebensziel und dem Leben der anderen Völker kennen: Entweder hatten sie G'tt den Rücken zugekehrt und liefen zusammen mit den anderen Völkern auf deren Wegen, so dass erst ein Unglück sie dazu brachte, sich wieder dem Herrn zuzuwenden, oder sie lebten in G'ttes Ordnungen, wurden angegriffen und erlebten G'ttes Treue. Da waren jene Völker, deren damalige Territorien zum Land JisraEl wurden. Nu, diese Völker hatten einen solchen Okkultismus betrieben, verbunden mit sexueller Perversion und Kannibalismus, dass sie dadurch die ganze Menschheit verseucht hätten, wenn...“, jetzt holte Binjaschar tief Luft, „G'tt nicht eingegriffen hätte. Er hatte Seinem Volk einen neuen Namen gegeben: JisraEl. Dieser Name bedeutet `Kämpfer G'ttes.´ Und als ein Volk, durch das Er sich offenbaren wollte, sollten sie auch Seine Reinheit darstellen. Das bedeutet also, Herr Bradford, dass Er diese okkulten Völker stoppen musste, und dies war nicht mehr anders möglich, als durch deren restlose Vernichtung.“
Erschüttert atmete Binjaschar tief durch und, nach einer Weile, berichtete er von der Einnahme des Landes Kana-an, vom Ungehorsam Jisrael´s, von Widerständen und von den Philistern. „Die Filister, Herr Bradford, gibt es noch heute im Nahen Osten. Sie hatten damals den sogenannten Gazastreifen bewohnt. Nu, von ihnen gingen ständige Händel aus, ganz wie in den Aufzeichnungen von Mosche, den man allgemein `Mose´ nennt, steht: Dort hatte ein Prophet etwas Bezeichnendes vorausgesagt: Es geht darum, falls Jisrael von den Feinden welche übriglassen würde. Diese Feinde, von denen keiner übrigbleiben durfte, würden dann wie eitereregende Dornen im Fleisch sein. Wie Sie sehen, sind eben die Filister, die man falscherweise `Palästinenser´ nennt, Terroristen. Ihr Ziel ist nach wie vor die Totalvernichtung Jisrael´s" Bradford musterte erstaunt Binjaschar´s Gesicht. Dieser Mann zeigte keinen Anflug von Überheblichkeit oder Hass. Er war eher traurig über die Situation im Nahen Osten.
„Wissen Sie“, begann Binjaschar wieder, „Das Volk Jisrael bewohnt noch nicht das ganze Land. Das Ostjordanland ist ebenso der rechtmäßige Besitz, wie das ganze Hermon- Massiv, wovon lediglich die Golanhöhen in israelischer Hand sind. Wenn Sie wüssten, Herr Bradford, wie ungerecht die Weltöffentlichkeit mit uns umspringt!“ Jetzt war Binjaschar doch eine gewisse Empörung anzusehn, aber er hatte sich bald wieder beruhigt. Bradford überlegte: Was war mit diesem Volk im Nahen Osten? Damals hatte Sich dieser G'tt offenbar so eindeutig erwiesen, aber heute hüllte Er Sich scheinbar in Schweigen. Oder ...sollte es möglich sein, daß es Ihn auch heute noch gab?
Als Wissenschaftler hatte Bradford gemischte Gefühle: In der Populärwissenschaft war kein Platz für eine übermenschliche Person vorgesehn. Aber ...wenn er Binjaschar´s Erzählung bedachte, erschien es zwingend logisch, dass nur eine solche Instanz hatte eingreifen können. Bradford konstatierte: Binjaschar´s Worten zufolge befand sich Israel oft in der Unterzahl, stand also einem viel größeren Heer gegenüber. Unmöglich, dass man in einer solch prekären Lage überleben konnte- geschweige denn, dass überhaupt ein Sieg in Aussicht gestanden hätte. Doch genau das traf immer wieder ein! „Und zwar dann, wenn Jisrael dem Herrn vertraute.“, hatte Binjaschar dazu gesagt. Überhaupt schien ein persönliches Vertrauensverhältnis zum Herrn, wie Binjaschar G'tt nannte, das Ein- und- Alles zu sein.
Der Klang von Schritten über den aufgeweichten, schmatzenden Boden riss Bradford aus seinen Überlegungen. Wer jetzt wohl käme? Sicher war es Sir Ede Tom, der ihnen hoffentlich Neuigkeiten zu berichten wusste. Binjaschar war, als er die Schritte hörte, sofort aufgestanden und schaute erwartungsvoll zum Eingang. Sir Ede Tom trat auch sogleich ein, stutzte jedoch, als er Binjaschar erblickte. Dieser stellte sich ihm ohne Umschweife vor. Noch Jahre später erinnerte sich Sir Ede Tom an das Leuchten in Binjaschar´s Augen, als der seinen Familiennamen hörte. Nach wenigen Stunden schon konnte man mit Fug und Recht sagen, dass drei Freunde sich gefunden hatten. Ein Problem allerdings kam auf sie zu: Woher sollten sie sich genug Nahrung beschaffen? „Wir müssen jedenfalls etwas unternehmen.“, hatte Bradford gesagt, „So kann das ja nicht endlos weitergehn!“ Schließlich kamen sie überein, dass jeweils zwei von ihnen unterwegs waren, während der Dritte den Unterschlupf hütete. Inzwischen hatten sie auch ein paar Decken gefunden, so dass sich besonders für Bradford die Nächte gesünder gestalteten. Er trug einige Zeit lang lediglich Sir Ede Tom´s Mantel, der ja doch schön trocken geblieben war. Sonst wäre der Ärmste sehr wahrscheinlich von einer Lungenentzündung heimgesucht worden. Sobald Bradford´s Kleidung wieder warm und trocken war, unternahm auch er Streifzüge durch die Umgebung.
Über den Weltempfänger hatten sie erfahren, dass überall, weltweit sogar, kleinere und größere Beben stattgefunden hätten. Dabei seien Risse im Erdboden aufgetreten, in denen viele Menschen den Tod fanden. Ganze Ortschaften seien überrascht worden und im Nu von der Landkarte ausgelöscht. Es gab, den Nachrichten zufolge, zahllose Selbstmorde. Der Ufoglauben war in den letzten Jahren durch gewisse bestätigte Begebenheiten erhärtet worden, so dass die Leute in ihrer Panik an eine Invasion von Außerirdischen dachten. Bevor man sich diesen Monstern auslieferte, brachte man sich lieber gleich um. Es ging Schlag auf Schlag: anfangs war da ein gewaltiges Erdbeben. Die Schollen rieben derart einander, dass Inseln wie auch Gebirgszüge bewegt und versetzt wurden. Durch die unerwarteten, massiven Vulkanausbrüche wurden riesige Mengen Asche ausgestoßen. Die Asche ließ die Sonne kaum noch durch, und Experten errechneten, daß tatsächlich ganze 33% weniger Licht auf die Erde gelangte. Durch die starke Auskühlung der oberen Luftschichten gefroren die Wetterwolken und entluden sich als schwerer Hagel, der sich mit dem Schwefelgas der Vulkane mischte. Dieser verheerende Niederschlag, zusammen mit hochgeschleuderter Lava, führte zu großflächigen Bränden. Lediglich knapp 67% aller Waldgebiete wurden davon verschont, während die Gräser bis auf den Boden versengt waren. Es gab auf einmal keine Weideflächen mehr! Verzweifelt versuchten die Regierungen, möglichst rasch diese Unmengen von verendeten Tieren zu beseitigen, doch schon breiteten sich erste Seuchen aus. Durch die Verheerungen bedingt, herrschte überall Hunger, und marodierende Banden suchten mit ihren Plünderungen die noch intakten Geschäfte heim. Polizei und Militär mussten mobilisiert werden, um noch zu erhalten, was übrig geblieben war. Die Astronomen verzeichneten 2 große Objekte, die fast parallel auf die Erde zurasten. Einer dieser Brocken schlug in den Indischen Ozean ein und verursachte eine Bakterienblüte der Schwefelbakterie. In der Folgezeit breitete sich die Bakterienblüte immer mehr aus und verseuchte ein volles Drittel der Weltmeere. Auch die Reedereien erlitten durch die ausgelösten Flutwellen sehr hohe Verluste an Schiffen. Der zweite Himmelskörper zerstieb noch außerhalb der Atmosphäre in tausende von glühenden Splittern. Bald nach diesem Bombardement vermeldeten die Experten ein weltweites Fischsterben in fast einem vollen Drittel aller Binnengewässer. Von einem großen Meteor wurde berichtet, der mitten im tektonischen Graben der Golfregion eingeschlagen war. Dies Ereignis, den Rundfunkanstalten zufolge, war auch der Hauptauslöser der Vulkanasche, die sich über weite Teile der Erdoberfläche ausgebreitet hatte. Überlebende Augenzeugen wollten gar monströse Heuschrecken vom Einschlagsgebiet ausschwärmen gesehn haben, andere berichteten statt dessen von ungewöhnlichen Kampfhubschraubern.
Weder Sir Ede Tom noch seine beiden Gefährten glaubten ernsthaft an eine Existenz von Außerirdischen. Binjaschar war es, der sich am Deutlichsten dagegen äußerte. Er sprach von einer Zeit, die sich unmittelbar nach der Globalflut ereignet hatte. Sir Ede Tom und Bradford horchten gespannt auf: War es möglich, dass dieser Mann, der kein Akademiker war, den Schlüssel besaß, der ihnen bei ihren jahrelangen Bemühungen gefehlt hatte? Binjaschar beschrieb ihnen eine Welt, wie sie heute nicht mehr existiert: Auf dem damaligen Urkontinenten, den die Wissenschaftler „Pangea“ nannten, lebten Menschen. Doch überirdische Wesen raubten sich Frauen und beschliefen diese. Bastarden entstanden. Diese Bastarden waren übermäßig groß und hießen daher `Riesen´, `Giganten´, `Asen´ und `Götter´. Einige weitere Namen kursierten unter der damaligen Bevölkerung für diese unbesiegbaren Wesen. Sie hatten Eigenschaften der Überirdischen, glichen aber äußerlich in etwa den Menschen. Sie waren der Grund aller Legenden und Religionen. Binjaschar nannte sie `Dämonen´. Und weil die damalige Welt so erfüllt war mit Gewalttat und Unrecht, hatte der Herr sie auch durch die Globalflut vernichtet. Einzig und allein blieben ein Mann, seine Frau, seine 3 Söhne und deren Frauen übrig. Noach, so hieß der Mann, hatte jenes Vertrauensverhältnis zum Herrn. Aus diesem Grund hatte Er ihm einen detaillierten Bauplan gegeben. Ein großes Schiff aus Holz entstand. Statiker hatten errechnet, dass dieses Schiff praktisch nie kentern konnte, so perfekt war dessen Konstruktion. In diesem Schiff befanden sich während der Flut Noach und seine Angehörigen. Auch, und dies erregte das besondere Interesse der beiden Zuhörer, überdauerten von allen Tierarten jeweils männliche und weibliche Exemplare im Schiff. Den Wissenschaftlern war bekannt, dass ein so genanntes Flaschenhalsereignis stattgefunden haben musste, also genau das Überleben nur weniger `Gründerindividuen´. Konnte es wirklich sein, dass Noach´s Arche...?
„Aber wie konnte das möglich sein, Joschiah ?", entfuhr es Bradford, „Es war doch wohl unmöglich genug Platz vorhanden für all diese vielen Arten. Denk nur mal an die großen Saurier!“ Binjaschar schaute den Beiden ruhig in die Augen. „Ihr wisst doch, daß von so mancher Art am besten nur Jungtiere gefangen und transportiert werden. Junge Saurier, gerade ein paar Tage alt, passen sehr wohl mit all den anderen Lebewesen in ein solches Bauwerk. Außerdem war die Arche groß genug, um die größten ausgewachsenen Saurier wie den Diplodocus, Titanosaurus, Apatosaurus und ähnliche Vierbeiner zu beherbergen.“ Die beiden Wissenschaftler waren verblüfft: Ja, das war durchaus drin. In Zeiten von Katastrophen, wussten sie, fanden sich Tiere in Höhlen zusammen, die sonst Jäger und Beute darstellten. Während der Katastrophe fraßen sie nichts und konnten so friedlich beieinander sein. „Nach der Flut“, erzählte Binjaschar jetzt weiter, „verging eine nur kurze Zeit, und der erste Weltdiktator trat auf. Es war Nimrod. Von ihm stammt auch der Okkultismus mit all seinen sexuellen Perversionen. Durch solche Entgleisungen mit Tieren, zum Beispiel, kamen schlimme Seuchen über die Menschheit. Einige Geschlechtskrankheiten sind die direkten Folgen davon! Aber zurück zu Nimrod: Auf seinen Befehl hin wurde ein Wendelturm errichtet. Dieser Turm, ein Zikurat, stand in Bawel, auch `Babylon´ genannt, dem späteren Irak. Die Besonderheit dieses Bauwerkes ist, dass es neben okkulten Funktionen auch ein Symbol der Welteinheit war, obwohl die Menschheit sich ausbreiten sollte über die ganze Fläche der Erde. Der Herr gebot Nimrod´s bösem Treiben schließlich ein Ende: Damals gab es noch die gemeinsame Ursprache. Auch das hielt die Menschen zusammen und unter der Knute Nimrod´s. Der Herr spaltete die Ursprache auf in viele eigenständige Sprachen, von denen wiederum zahllose Dialekte abstammen. In Indien und Afrika ist uns diese Vielfalt ja bestens präsent“, erklärte Binjaschar seinen immer aufgeregteren Zuhörern. Sie wussten: Binjaschar würde sie auf die richtige Fährte bringen. Als er schließlich auf die Kontinentaldrift zu sprechen kam, sogen die beiden Forscher begierig jedes Wort in sich auf. Endlich setzten sich die vielen Puzzlestücke zusammen!
„Mein lieber Joschiah“, begann Sir Ede Tom, „du weißt also, wie es zu den Bonebeds und den Erdschichten gekommen ist. Wir haben als Forschergemeinschaft Einiges herausgefunden. Zum Beispiel die Knochen und Zähne, auch andere Fundstücke: Das Alter der einzelnen Objekte übereinstimmt nicht mit den Daten, die der Weltöffentlichkeit präsentiert werden. Wir haben festgestellt, immer wieder festgestellt, dass die Meßmethoden nur bis 15.000, höchstens 20.000 Jahre wirklich präzise sind. An die ständig hinausposaunten Jahrmillionen konnten wir deshalb nicht mehr so recht glauben. Und jetzt kommst du, Einer, der nicht studiert hat, und bringst uns das, wonach wir unser ganzes Leben lang gesucht haben. Sag uns, woher weißt du das alles?“ Joschiah Binjaschar konnte nicht abwägen, wie ihre Reaktion ausfallen würde. Immerhin waren die ihm zugrundeliegenden Aufzeichnungen Teile eines erst verpönten, später dann verbotenen Buches. Aber er war seinen wahrheitshungernden Freunden auch diese Information schuldig. Er fasste sich ein Herz und sah ihnen direkt in die Augen. „Ihr wisst ja, dass die Aufzeichnungen meines Volkes ebenfalls in diesem Buch enthalten sind. Nu“, sagte er nach einer kurzen Pause, „der Name dieses Buches heißt `Bibel´“


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Tage danach Empty 3 das verbotene Buch

Beitrag von Eaglesword Sa 09 Apr 2011, 20:33

Weder Sir Ede Tom noch Bradford konnten mit diesem Begriff allzuviel anfangen. Gewiss: Während ihrer Schulzeit hatten sie gelegentlich Witze darüber gehört, aber niemand, der über dieses Buch redete, kannte dessen Inhalt. Es schien bezeichnend zu sein für die ganze "gebildete" Gesellschaft: Man redete von Dingen, von denen man nichts wusste und gebrauchte große Worte, hinter denen sich nichts verbarg.
Um so lästiger waren dann jene Leute, die öffentlich gegen alle Ungereimtheiten zu Felde zogen. „Je selbstgerechter ein Mensch ist, um so unerträglicher ist es ihm, wenn man ihm seine Fehler aufgezeigt“, hatte Bradford hierzu bemerkt. „Joschiah?“ Sir Ede Tom´ s Stimme unterbrach die Stille, in der die Männer ihren Gedanken nachgingen. Binjaschar wendete sich nun Sir Ede Tom zu und wartete. „Hast du dieses Buch mal in deinem Besitz gehabt, als unsere `saubere´ Gesellschaft es noch duldete?“
Binjaschar überlegte: Sollte er ihnen wirklich das Versteck mit dem kostbaren Inhalt verraten? Weder seine Freunde noch er durften sich einer Gefahr aussetzen. Er wusste, dass die Zeit nun reif war, der Menschheit zu dienen mit der Wahrheit. Sie durften ihr Leben nicht unnötig aufs Spiel setzen. Die arrogante, herrische Gesinnung der Weltbevölkerung war ja noch immer präsent „Ihr wisst ja,...“, begann er behutsam, „was Dem blüht, der mit einer Bibel erwischt wird.“ Die beiden Forscher nickten still. „Euch kann ich es ja sagen: Ich weiß, wo sich diese Aufzeichnungen befinden. Hier in Europa ist ein bestens gehüteter Ort. Aber wir hatten damals vorsorglich ein paar weitere Verstecke eingerichtet, falls irgendwelche Schergen fündig werden sollten. Doch ich sehe, dass wir noch nicht wagen können, diesen Ort aufzusuchen. Erst müssen wir uns auf alles vorbereiten.“ Jetzt waren die beiden Forscher in heller Begeisterung und bestürmten Binjaschar aufgeregt mit Fragen, so daß dieser Mühe hatte, auf sie einzugehn. „Liebe Freunde, noch ist es nicht soweit. Falls wir mit Leuten zusammentreffen, dürfen wir sie keinen Verdacht schöpfen lassen. Es ist bestimmt sehr hilfreich, den Weltempfänger einzuschalten." Gesagt, getan...
Ein paar Tage waren inzwischen vergangen, als Binjaschar alleine im Unterschlupf saß. Während er den Weltempfänger abhorchte, machte er eifrig ein paar Notizen. Plötzlich schrak er auf: Was hatten die soeben gesagt? Unzählige Vermisste, selbst da, wo es keine Erdrisse gegeben hatte? Ihn schauderte, denn jetzt erinnerte er sich an die Worte Rabbi Jah'El´s.
Rabbi Jah'El war ein vielgemochter Mann, und das nicht nur in der Synagoge, sondern ebenso unter den Nichtjuden. Er hatte, das wusste Binjaschar, eine Vorliebe für das sogenannte Neue Testament. Jah'El brachte es auch in die Predigten ein, weil er sicher sein konnte, dass ihm keiner zu widersprechen wagte. Unter seinen Schülern saß auch Binjaschar, der ihn noch so vor Augen und Ohren hatte, als ob Jah'El anwesend sei. Vieles, was Dieser damals gelehrt hatte, hatte sich tief in Binjaschar´s Herz eingeprägt. Jah'El´s Worte waren so frisch, als wären sie soeben erklungen. Rabbi Jah'El machte nie einen Hehl daraus, das `Neue Testament´ so ernst zu nehmen wie das "Alte", abgesehn von einigen später eingefügten kirchlichen Interpretationen und offenkundigen Fälschungen. Oft hatte er sich nach dem Unterricht noch Zeit genommen, wenn der Eine oder Andere seiner Schüler verstohlen zurückblieb und vor dem kleinen, dürftigen Klassenzimmer auf dem Flur rumdruckste. Jah'El pflegte ihn dann in seiner sanften, einladenden Art hereinzubitten und ihn bei sich sitzen zu lassen. Die häufigste Frage befasste sich mit jenem Rabbi aus dem Ort Nazareth, gebürtig aber aus Beth-Lechem (Brothausen). War der etwa der versprochene Messias, oder sollten sie auf einen Anderen warten?
Von Leuten wie Bar Kochba oder Kahane hatte er nie etwas gehalten. Binjaschar saß da, sein Blick ging ins Leere. Er hatte nie auch nur einmal gehört, daß Jah'El gelogen hätte. In seinem Innersten tobte jetzt ein heftiger Kampf: All das Für und Wieder um diesen Mann aus Nazareth, in dessen Namen Institutionen Kriege geführt hatten und sein Volk brutal unterdrückten. Der Weg seines Volkes war getränkt mit Blut und Tränen. All der Hochmut, und nicht zuletzt jener niederträchtige Vorwurf: „weil sie ja Jesus gekreuzigt hätten, sei all das Leid über sie gekommen.“ All diese Gedanken tobten in Binjaschar´s Gemüt wild durcheinander und ließen ihn nicht zur Ruhe kommen.
Es war schon spät am Abend, als Bradford und Sir Ede Tom sich auf den Rückweg begaben. Sie waren 2 weiteren Kollegen begegnet, die ihr Quartier in einem noch völlig intakten Untergeschoss bezogen hatten. Es waren Peter Lindner und Dr. Lissi Puttraman. Sie hatten viel einander mitzuteilen, so dass Bradford und Sir Ede Tom länger wegblieben als ihrer Gewohnheit gemäß. Doch sie mussten auch an ihren Freund Binjaschar denken, der sicher schon auf sie wartete. Also verabschiedeten sie sich von den beiden Kollegen und kamen endlich auf das schon sichtbare Blechdach zu. Drinnen würden sie einen veränderten Binjaschar vorfinden: Er hatte gewählt.
Am nächsten Morgen waren sie schon unterwegs zum Keller. Binjaschar wusste zwar aus den Erzählungen seiner beiden Freunde, wer diese Kollegen waren, doch begehrte er eben so, sie persönlich kennenzulernen. Bradford und Sir Ede Tom hatten ihren Kollegen Einiges weitergegeben von dem, was ihnen Binjaschar zuvor berichtet hatte. Nun waren auch sie sehr gespannt auf seine Erklärungen.
„Ich merke, Herr Binjaschar, Sie sind offensichtlich überzeugt von der Bibel“, bemerkte Peter Lindner nach einiger Zeit. Man hatte sich inzwischen gemeinsam eingerichtet. Platz war ja genug vorhanden für die nunmehr 5 Bewohner. Binjaschar schaute ihn an, sagte jedoch nichts. Die Erfahrung lehrte ihn, erst einmal die Einstellung seines Gegenübers herauszufinden, bevor er sich zur Sache äußerte. Dr. Lissi Puttraman sah versonnen ins Leere. Sie war eine sanfte und stille Frau, die sich nichts auf ihren akademischen Grad einbildete. Auch sie kam aus Indien und war Binjaschar sehr zugetan. Ihre Mutter war mit einem Inder verheiratet, verschwieg jedoch über lange Jahre hinweg ihre Identität. Es war äußerst vernünftig, Vorsicht walten zu lassen in einer mörderischen Gesellschaft. Erst, als ihre Mutter im Sterben lag und beide allein im Zimmer waren, hatte sie ihrer Tochter alles anvertraut. „Lebe bewusst als meine Tochter und als Tochter unseres Vaters. Ihm hat G'tt unser Volk an die Hand gegeben. Nach seinem Sohn sind wir benannt. Vergiss nie diesen Adel. Du bist meine Tochter!“ Die letzten Worte ihrer Mutter brannten jetzt im Herzen Dr. Lissi´s, während sie wusste, dass Binjaschar mehr war als nur ein `Volksgenosse´. Dieser Ausdruck war ihr zuwider, und sie kannte aus der Chronik ihres Volkes, wie sich die Mitglieder einander nannten: Brüder. „Dies verbindet viel stärker!“, dachte sie bei sich. In einem ungestörten Augenblick sprach sie Binjaschar an: „Joschiah, ich muss etwas besprechen mit dir. Lass uns in einen der leeren Räume gehn“ Binjaschar war erstaunt, wie schnell sie ihn beim Vornamen nannte, doch ihr dringlich bittendes Gesicht ließ ihm zum Nachdenken keine Zeit. Sie suchten einen etwas abgelegenen Raum auf und schlossen die noch intakte Tür hinter sich. „Was...“ Binjaschar zögerte, bevor er weitersprach, „hast du mir denn Wichtiges zu sagen, Lissi?“ Etwas ungewohnt war es für ihn schon, so mit Dr. Lissi zu reden. Sie schaute ihn ernst an, als wolle sie ihm soeben eine Todesbotschaft überbringen. „Joschiah, du weißt noch zu wenig von mir. Als meine Eltern mit mir in Indien wohnten, gab es nie Probleme...“ Nun senkte sie ihren Kopf, um ihm nicht zu zeigen, wie aufgewühlt sie war. „...bis meine Mutter starb. Sie anvertraute mir ein Geheimnis, von dem selbst ich bis dahin keine Ahnung hatte: Sie gehörte zu dem Volk, zu dem auch ...wir gehören.“ Diese letzten Worte klangen entschlossen, während sie ihm fest in die Augen schaute. Binjaschar öffnete erstaunt seinen Mund und war für einen Augenblick verdutzt. Doch dann fasste er sich wieder. „Dann ist nur dein Vater ein Goy?“ Diesen Ausdruck für Nichtjuden gebrauchten nur Juden selber. Ob Dr. Lissi ihn verstand, würde er ja gleich feststellen. Dr. Lissi wusste wirklich nicht, was dieses Wort genau bedeutete, dachte sich aber, um was es logischerweise ginge. So sagte sie: „Joschiah, man hätte meine Mutter von Vater zwangsgeschieden und sie verschwinden lassen. Mich hätte man garantiert in irgend Eines dieser grausamen Internate für Esoterik verfrachtet. Du weißt ja selber, wie sie uns behandeln, Joschiah!“ Ja, das kannte er nur zu gut: Schmerzlich erinnerte er sich an all die Ängste, die seine Familie und er hatten ausstehen müssen. Viele seiner `Landsleit´, wie sie sich auf Jiddisch nannten, waren für immer spurlos verschwunden. Die Angst wurde zum ständigen Begleiter der Gemeinde. Im ganzen Land galten die Juden als Freiwild. Jüdisches Blut war eben minderwertig in den Augen der `Arischen Menschheitsfamilie´.
Die Weltgemeinschaft war ein Gemisch aus hochmütigen Ignoranten und militanten Schlägertruppen: Während Erstere die Hebräer schlichtweg übergingen und nicht anerkannten, hielten die paramillitärischen Verbände organisierte Treibjagden auf sie ab. „Juden“, sagte man, „und ihre Sympathisanten sind Feinde der Gesellschaft!“ Was den Juden und Christen blühte, die sich eben nicht vor den esoterischen Karren spannen ließen, geschah in früheren Zeiten auf ebenso grausame Weise: Zur Zeit Noach´s war die Erde gefüllt mit Gewalttat. Aus mittlerweile verbotenen und daher von der Intelligenz gut versteckten Annalen ging hervor, dass es da ein Mittelalter gegeben habe. Zu jener Zeit bediente man sich auch einiger Repressalien aus der islamischen Geschichte: So mussten die Juden einen gelben Hut und später einen Stern Dawid´s auf gelbem Grund an ihrer Kleidung tragen- eine Methode der Ausgrenzung, die sich in Europa später wiederholte. Und jetzt war es abermals geschehn, und zwar im großen Stil. Jener Österreicher hatte in Deutschland augenscheinlich nur geübt und einen Feldversuch für die spätere Weltgemeinschaft ausgeführt...
Binjaschar schreckte auf: Hatte er nicht soeben Schritte gehört? Er schaute fragend Dr. Lissi an, die ebenso überrascht wie besorgt zur Tür hinschlich. Nein, durch das Schlüsselloch war nicht zu erkennen, ob draußen ein Lauscher stand. Wer immer ihr Geheimnis mitbekommen hatte, würde etwas gegen sie in der Hand haben, um sich bei den Kontrollorganen einzuschmeicheln. Dass das System noch intakt war, trotz der vielen Todesopfer, damit war zu rechnen. Man hatte von den bisherigen Diktaturen gelernt: Selbst beim Tod wichtiger Führungskräfte blieb alles in seiner Stabilität erhalten. Vorsicht war also noch immer geboten. Dr. Lissi begann zu zittern und schaute Binjaschar hilflos an. Er winkte sie zu sich. Jedenfalls unterhielten sie sich ab jetzt nur noch flüßternderweise: „Vertraust du dem Herrn?“ Bei dieser unerwarteten Frage machte Dr. Lissi große Augen und sah Binjaschar fragend an, der ihr klarzumachen versuchte, dass ihnen nunmehr nichts Anderes mehr blieb. Sie war sich ihres Vertrauens auf einmal gar nicht mehr so sicher. Binjaschar ließ ihr Zeit zum Nachdenken, während er sich von einer Gegenwart umhüllt wusste, die er so noch nicht erlebt hatte. Er war regelrecht eingebettet in diesem unbegreiflichen Frieden, der ihn ruhen ließ- trotz äußerer Gefahr! Dr. Lissi wurde durch Binjaschar´s Ausstrahlung beruhigt, ohne sich dessen klar zu sein. Binjaschar selber erinnerte sich an Rabbi Jah'El: Damals hatte dieser aus dem zweiten Teil der Bibel, dem sogenannten Neuen Testament, vorgelesen und anhand von Beispielen das Gelesene erläutert. Binjaschar hatte damals aufgehorcht, als Jah'El jenen Frieden zu erklären versuchte, „der alles menschliche Denken weit übersteigt“, wie es in der Bibel hieß.
Nun erfuhr er zum ersten Mal, was Rabbi Jah'El ihnen damals verdeutlichen wollte. Durch diese eindrückliche Demonstration der Zuverlässigkeit des `Neuen Testamentes´ gestärkt, sprach Binjaschar seiner Kollegin Mut zu: „Schwester, der Herr ist auch jetzt der Selbe, der Er damals war. Denk doch nur mal an all Seine Treuebeweise unseren Vätern gegenüber!“ Dr. Lissi fiel eine zentnerschwere Last von ihrer geängsteten Seele. Neue Hoffnung war gerade im Begriff, aufzukeimen in ihrem Herzen. Sie fasste einen Entschluß: „Ja“, hierbei schaute sie fest in Binjaschar´s Augen, „Ich will Ihm vertrauen. Aber ich brauche deine Hilfe, Joschiah. Du bist mir wirklich weit voraus. Jedesmal, als ich dich hab reden hören vor den Andern, hab ich deinen Mut bewundert. Hätte ich doch auch diesen Mut!“ Binjaschar sah in dieses ehrliche Gesicht und hätte ihr am liebsten gleich alles gesagt, was er mit dem Herrn vor mittlerweile fast einem Monat erlebt hatte, doch er sah: Die Zeit war noch nicht reif dafür. Erst musste Dr. Lissi´s Vertrauen gleichsam einer jungen Pflanze wachsen. Laute Stimmen hallten durch den Korridor. Was war jetzt los? Plünderer? Ein Schlägertrupp? Binjaschar meinte, aus dem Stimmengewirr seinen und Dr. Lissi´s Namen herauszuhören. Ja, richtig! Man suchte nach ihnen. Schon hörte man die Schritte näherkommen. Dr. Lissi klammerte sich ängstlich an Binjaschar´s Arm und starrte wie gebannt zur Tür. Doch als sie zu ihm aufsah, entspannten sich ihre Gesichtszüge etwas. Da- jetzt klopfte jemand an. Binjaschar spürte, wie Dr. Lissi zitterte. Sanft sagte er ihr: „Warte hier.“ Ihr war es, als müsse sie sterben vor Angst, während er sich löste und entschlossen zur Tür schritt. „Herr Binjaschar?“, fragte jetzt eine männliche Stimme draußen. Er stutzte: kannte er nicht diese Stimme? Durch den Halleneffekt des Kellers klangen menschliche Stimmen doch sehr entstellt, so daß er sich nicht sicher war. Doch ihm war, als rede plötzlich ein Anderer zu ihm. Er drehte sich zur Seite um, doch da war niemand. Binjaschar dachte schon, er höre Gespenster, doch wieder war da dieser Unsichtbare. „Joschiah Ben Awraham“, war jetzt deutlich zu vernehmen, „Ich bin JaHWeH, den du erkannt hast. Sei unbesorgt: Ich wache ohne Unterlaß über euch und über eure Freunde.“
War das möglich? Hatte soeben wirklich der G'tt seiner Vorfahren zu ihm gesprochen? Doch zum Überlegen hatte Binjaschar keine Gelegenheit mehr, denn abermals klopfte es an die Tür, und jemand rief: „Herr Binjaschar, Dr. Lissi, kommen Sie schnell, wir haben Besuch! Dr. Falcone und ein paar Kollegen. Sie sind grade eingetroffen!“
Hinter sich hörte Binjaschar eine erleichtert aufatmende Lissi. Er öffnete die Tür, und in der Tat stand Peter Lindner mit ein paar Fremden im Korridor. Dr. Lissi, die inzwischen zur Tür gekommen war, begrüßte freudig ihre Kollegen aus England. Es war eine Schar von Italienern, Spaniern und zwei Portugiesen. „Kommt“, schlug Dr. Falcone vor, „Lasst uns in den Saal schreiten und das Dinner einnehmen!“ Dr. Falcone bot seiner Kollegin Dr. Lissi den Arm und sagte vergnügt: „Madame?“ Dr. Lissi kicherte und hakte sich ein. So begaben sich Alle in den großen Wasch- und Trockenraum des ehemaligen Hochhauses.
Dr. Falcone war bekannt für seinen liebenswerten Humor. Er würde später so manches Mal zur Aufheiterung dieser Gemeinschaft beitragen. Unter dem Team um Dr. Falcone befanden sich auch Frauen: Miss Julia Fernandes und Miss Stella Romana. Mit ihnen kam Dr. Lissi auch bald ins Gespräch und, wie das meistens so ist, zu einer von lauter Kavalieren umgebenen Minderheit. Dr. Falcone´s Charme sorgte dafür, daß es nicht zum ernsthaften Konkurrenzdenken zwischen den Männern kam. Außerdem konnten alle ein unsichtbares Band zwischen Dr. Lissi und Binjaschar erkennen. Das übrige Team um Dr. Falcone bestand aus sechs Personen: Alberto D'Angelo so wie Umberto Travolta aus Italien. Die spanischen Kollegen waren Gebrüder und hießen Silvano und José Torro. Die Namen der beiden Portugiesen lauteten: Paolo Navidad und Pete Montana. Es war, wie wir uns vorstellen können, eine recht muntere Gesellschaft voller südländischen Temperamentes. Oft spielte sich Folgendes ab: Irgendwann begann einer von ihnen, mit Gegenständen rhythmisch zu klopfen. Nach kurzer Zeit schon hörte man aus einer anderen Ecke ebenfalls Rhythmen. Nach und nach stimmten die Anderen ein, wobei auch typisch mediterrane Gesänge ertönten. Nun konnte auch die Frauen nichts mehr halten: Sie sprangen begeistert auf und boten ihre Tanzkünste zum Besten. Dr. Lissi hatte eine etwas andere Art zu tanzen, kam sie doch aus Indien. So bot sich ein buntes Bild menschlicher Kultur.
Die Gruppe um Dr. Falcone hatte einen Vorrat an Lebensmitteln dabei. Doch allmählich wurde es Allen klar: Sie mussten sich einteilen in Suchtrupps. „Ich schlage vor,...“, begann Binjaschar, „dass wir in Gruppen zu fünft losgehn. Wir sind 14. Wenn 2 Gruppen unterwegs sind, bleiben also 4 als Wache hier.“ Ein zustimmendes Murmeln erfüllte darauf den Raum. Binjaschar schaute Einen nach dem Anderen erwartungsvoll an: Vielleicht kamen ja noch weitere Vorschläge. Inmitten der sich nun beratschlagenden Gemeinschaft fiel ihm Peter Lindner´s abweisendes Gesicht auf. „Aha“, dachte Binjaschar bei sich, „er wird uns doch wohl keinen ...Ärger machen?“ Da war es ihm, als rede der Herr wieder. Aber diesmal nicht mit vernehmlicher Stimme, sondern Er erinnerte Binjaschar an Seine vorherige Zusage, auf die hin er keine Angst zu haben brauchte. „Oh, Herr!“, antwortete Binjaschar innerlich, „Ich bin auch nicht besser als meine Väter. Wie schnell habe ich Dich vergessen!“
Der Herr zeigte ihm nun eine damalige Situation: Wieder befand er sich im Klassenzimmer. Grade las Rabbi Jah'El aus der Schrift des `Neuen Bundes´, wie die griechische Sammlung der als NT bezeichneten Texte seitens Mancher genannt wurde. Er las: „...selbst, wenn wir untreu sind, so ist Er dennoch treu zu uns!“ Das genau war es, was Binjaschar jetzt brauchte. Dankbar und froh atmete er auf.
„Habt ihr euch geeinigt, Freunde?“, rief er in die Runde. Ein italienischer Kollege Dr. Falcone´s wandte schließlich ein, dass 4 Leute wohl zu wenig seien, um sich gegen mögliche Plünderer zur Wehr zu setzen. „Gut, dann soll eben nur eine Gruppe losgehn, aber dafür eine Stärkere. Seid ihr mit 6 oder 7 einverstanden?“, schlug Binjaschar erneut vor. Einstimmig bejahten sie das Ganze.
Das durch den unteren Abschnitt des Treppenhauses hereinfallende Licht ließ erkennen, dass es schon zu dunkel war, um noch selbigen Tages etwas zu unternehmen. Nach und nach zog man sich zurück, um auf den mitgebrachten Decken zu nächtigen. Eigentlich hatten sie Glück im Unglück: Es war grade Sommer, das machte viel aus in einem nicht mehr beheizbaren Gebäude. Wenn sie auch dringend Waschmöglichkeiten brauchten, so war es doch besser, dass sie nicht frieren mussten.


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Tage danach Empty 4 die Reise

Beitrag von Eaglesword Sa 09 Apr 2011, 20:36

Mitten in der Nacht wachte Binjaschar auf. Irgend etwas hatte ihn geweckt. Sofort war er hellwach: Plünderer? Oder ein armer Mensch, der noch immer ziellos umherstreifte und hier einen Schlafplatz suchte? „Joschiah Ben Awracham, die Zeit ist gekommen, Meine Liebe zu den Menschen zu bringen. Sei unbesorgt, was du reden sollst, zu welcher Zeit und wie. Denn Ich will dich mit Meinen Augen leiten, mit Meiner Rechten halte Ich dich und werde dich führen mit meiner Linken. Und Ich gebe dir ein Zeichen: Wenn morgen deine Freunde auf dich zukommen und nach Meinem Wort fragen, so sei gewiss, dass der Herr gesprochen hat.“ Binjaschar war hoch beglückt über die ständige Präsenz des Herrn. Sogar mitten in der Nacht war Der, „der nicht schläft noch schlummert“, um das Wohl der Menschen besorgt.
Der Morgen war schon angebrochen, und ein erfrischendes Lüftchen wehte. Im Keller regten sich die Frühaufsteher schon. Ah, welch herrliche Luft! Endlich wurde mal die Verbrauchte durch frische ausgetauscht. Obwohl durch das offene Treppenhaus ohnehin eine ständige Verbindung nach draußen bestand, fehlte doch eine gewisse Zirkulation in den Räumlichkeiten. Jetzt, im Sommer, kam eine Solche grade recht.
Ihrer Gewohnheit gemäß wurden die Frühaufsteher angetrieben vom alltäglichen Ritus: Sie hatten den Drang, für das Frühstück zu sorgen. So können wir uns vorstellen, wie unternehmungslustig sie jetzt waren. Es dauerte auch nicht lange, bis feststand, wer alles zum Suchtrupp gehörte. Als auch der letzte Schläfer aufgestanden war, schickten die ungeduldigen Ersten sich schon an, loszuwandern. In ihrem Gepäck hatte das Team um Dr. Falcone klugerweise einige nützliche Gerätschaften mitgeführt: So fanden sich unter anderem Klappspaten, zusammenlegbare Transportkisten, Netze zum eventuellen Fischfang, Messer und weitere Schneidegeräte wie Astscheren, Beile, eine Säge und mehrere kleine Beißzangen, falls sie irgendwelchen Draht bearbeiten sollten. Sogar Pfeil und Bogen tauchten im Gepäck auf! So ausgerüstet, zogen 7 Mann in die Landschaft. Kaum waren sie oben auf der Treppe angelangt, als überraschte Freudenrufe zu den im Keller Gebliebenen drangen. Was war denn da los? Alles stürmte neugierig nach oben. Da sahen sie es, und ihnen war, als ob sie diesen Anblick noch nie gekannt hätten: Vor ihren Augen breitete sich ein grüner Flor aus. Das Leben war zurückgekommen, wo kurz vorher noch alles grau und schwarz gewesen war! „Geben wir acht, daß wir nicht unnötig auf die jungen Pflanzen treten! Schließlich sollen die ja wachsen.“, rief Silvano Torro in die Runde. So entstand mit der Zeit ein Trampelpfad, den keiner freiwillig verließ. Außerdem waren sie einfach froh über die Vegetation, die sich endlich wieder auf der kahlen Erde ausbreitete.
Der Trupp war also zum ersten Mal unterwegs, wobei Sir Ede Tom die Führung übernahm. Die Meisten von ihnen gehörten zu Falcone´s Team, so dass sie sich noch nicht in der Gegend auskannten. Binjaschar war der einzige Nichtakademiker unter den Bewohnern des Kellers. Aber wer jetzt meint, er wäre deshalb von den Andern mißachtet worden, der irrt sich: Binjaschar verfügte über ein unerschütterliches Selbstbewußtsein, ja er schien in einer übermenschlichen Gelassenheit zu ruhn. Von Falcone´s Team teilten weniger als die Hälfte das allgemeine Weltbild mit seinen Jahrmillionen und einer Emporentwicklung. Schon manche Debatte war entbrannt auf dem Weg von England nach hierher. Man war übereingekommen, das Thema ruhn zu lassen, um nicht im Streit auseinanderzugehn. Bald nach ihrer Ankunft hier im Keller hatten sie sich ausgetauscht mit Sir Ede Tom, Bradford, Dr. Lissi und Peter Lindner. Dabei kamen sie selbstverständlich auch auf die Überreste des Materialbestandes zu sprechen. Weil Dr. Falcone so seine Zweifel hatte angesichts der Datierung aller Fossilien und Erdschichten, konnten Sir Ede Tom und Bradford es wagen: Sie berichteten von Binjaschar´s Ausführungen, nachdem die ersten stürmischen Tage des Wiedersehens vorüber waren. „Joschiah, bitte komm doch mal her!“ Binjaschar sah in erwartungsvolle Gesichter, als er sich umwandte. Er ging hin und fragte: „Ja?“, worauf Bradford ihm sogleich eröffnete, worum es ging. Binjaschar wurde innerlich so freudig erregt, daß er an sich halten musste, um nicht in lauten Jubel auszubrechen. Darum holte er tief Luft und wendete sich innerlich zu allererst an den Herrn: „Ich danke Dir, der Du stehst in Treue zu all Deinem Wort, das Du mir gesagt hast. Und nu, Herr, treuer G'tt meiner Väter, gib mir Weisheit für diese Sache! Denn ich weiß, Du stehst hinter mir.“
Nun begann Binjaschar, ausführlich das Wissen seines Volkes den Zuhörern zu vermitteln, wobei er oft unterbrochen wurde, um Zwischenfragen zu beantworten. Es kam, wie es kommen musste: Dr. Falcone war am frühen Morgen nicht mitgegangen, so dass er jetzt voller Erwartung jedes Wort verschlang, was Binjaschar weitergab. „Bitte, Joschiah, zeigen Sie uns dieses Buch! Wie Sie wissen, sind die Meisten von uns katholisch. Wir gingen vor diesen grässlichen Zerstörungen (wobei er zum Treppenhaus zeigte) hin und wieder zur Kirche. Das war uns ja erlaubt. Aber niemals haben die Priester uns etwas aus der Bibel vorgelesen, als nur zu den jeweiligen Feierlichkeiten, und leider immer nur in Latein, dieser trotz unserer wissenschaftlicher Ausdrucksweise kaum noch verständlichen Sprache.“ Seine Worte wurden bestätigt vom Kopfnicken der Andern. Binjaschar hätte aufgrund seiner Erfahrung niemals so rasch zugestimmt, aber er merkte: Jetzt war die Zeit gekommen, der Menschheit das wiederzugeben, was man ihr jahrelang vorenthalten hatte. „Gut“, sagte er entschlossen, „dann lasst uns überlegen, wer von uns mitkommen wird.“
Aus dem Keller drang ein Stimmengewirr nach oben, so dass ein gerade vorbeikommender Passant mit einer Party gerechnet hätte. Der Suchtrupp war schon lange wieder zurück und hatte alles Essbare in einem der kühlsten Räume untergebracht. Noch einmal hatte Binjaschar Rede und Antwort stehn müssen, diesmal für die Zurückgekommenen. Daraufhin erhob sich logischerweise eine intensive Debatte über Fragen wie der Datierung, Missing Links (Fehlende Zwischenstufen bzw. Übergänge von einer einfacher gebauten Art zu einer komplexeren Form), Astronomie, Tektonik (Gefüge) der Erdschichten und weiterer wichtiger Dinge. Schließlich einigten sich die Wissenschaftler und stellten eine Delegation, deren Führung Binjaschar mit Freuden übernahm. Da waren Dr. Falcone, Umberto Travolta, José Torro, die 3 Frauen sowie Paolo Navidad mit von der Partie. Alberto D'Angelo, Peter Lindner, Silvano Torro, Sir Ede Tom, Billy Bradford und der Portugiese Pete Montana blieben beim Tross zurück.
Binjaschar hatte, wenn er größere Entfernungen zurücklegte, stets einen zuverlässigen Kompass bei sich. Gerade jetzt, wo das Gesicht der Erde katastrophisch verändert war, leistete solch ein Gerät unschätzbare Dienste. So konnten sie, von ihrer Umgebung unbeirrt, den kürzesten Weg einschlagen.
Sie waren nun schon 2 Tage unterwegs. Wie gut, dass es ein schöner warmer Sommer war! Zwar wurde durch die Wärme das Wandern für Manche beschwerlich, doch kam ihnen das bei Nacht wiederum zugute. Besonders angenehm war dann die Trockenheit des Bodens. Bald ging die Reisegesellschaft dazu über, während der heißesten Stunden zu rasten. Dadurch nahm ihre Reise mehr Zeit in Anspruch, aber sie war jetzt nicht mehr so anstrengend.
Bisher hatten sie sich auf einer weiten Ebene bewegt. Allmählich aber tauchten vor ihnen erste Hügel auf: Gebirge kündigte sich an. Mit Erschrecken wurden sie gewahr, was die Globalkathastrophe angerichtet hatte... Ein gespenstisches Bild bot sich ihnen, je näher sie dem Gebirge kamen. Schwarze Nadelbaumgerippe, wo vorher noch dichter Wald gedieh! Das einzige Grün, was man hier entdecken konnte, bestand aus Drahtschmiele und jungen Brombeersträuchern, die noch ziemlich klein waren. Durch die nunmehr fehlenden Nadeln prasselte der Regen ungebremst auf den weitgehend nackten Boden. Die Abhänge waren gesäumt mit herabgespülten Bäumen, denen durch die Erosion jeder Halt fehlte. So rissen ihre Wurzeln. An anderen Stellen zeugten nur noch Stümpfe vom einstigen Bewuchs. Durch die Erdbeben waren zudem auch ganze Felspartien abgebrochen und zu Tal gedonnert. Ein Bild der Verwüstung beleidigte die Augen der Wanderer, die in dieser düsteren Atmosphäre bedrückt schwiegen.
Binjaschar erinnerte sich, dass vor der Katastrophe noch ein Pass über den Rücken des Massives geführt hatte. Ob es jetzt noch möglich war, Diesen ohne Gefahr zu nutzen? Falls nein, dann würde ihnen das tagelange Umwege bescheren. Aber sollten sie es nicht trotzdem wagen? Binjaschar wälzte sich in seiner Überlegung von einer Möglichkeit zur Anderen. Er ging jetzt etwas abseits von der Schar, um, wie er meinte, doch noch zum besten Ergebnis zu kommen. „Joschi..“ Er schrak auf, als er so unvermittelt angesprochen wurde. „..was ist mit dir?“ Er hatte nicht bemerkt, daß Dr. Lissi ihm gefolgt war und seine Nähe suchte. Er wollte sie nicht beunruhigen mit seiner nun anstehenden Entscheidung. Doch ihre Gegenwart übte eine wohltuende Wirkung auf ihn aus. Er sah sie an. „Liebe Lissi“, begann er zögernd, „Du siehst ja das Gebirge vor uns. Wenn wir es umgehen, werden wir noch einige Tage länger brauchen.“ Ihr fragender Blick drückte Überraschung aus. Er wusste, was sie ihn ohne Worte in diesem Augenblick fragte. So brauchte er nicht erst auf das Massiv zu deuten, sondern bemerkte nur: „Zu gefährlich, vergiss es!“ Die Entscheidung war gefallen, als er in Lissi´s Augen sah. Der Gedanke, ihr durch seine Schuld Schaden oder gar den Tod zuzufügen, hatte ihn dermaßen erschüttert. Nein, er durfte und wollte nicht dieses hohe Risiko eingehn. „Aber bitte sag den Andern nichts von der Verzögerung, Lissi!“, bat er sie jetzt eindringlich. Dr. Lissi schaute ihn auf einmal so warm an, dass er einen Schmerz in seinem Brustkorb verspürte. Mit leichtem Lächeln nickte sie und ging schweigend neben ihm her. Dieser Mann war ihr so lieb, dass ihr Herz tiefes Vertrauen zu ihm hatte. Für etwaige Zweifel an seiner Aufrichtigkeit gab es keinen Platz. Er war ihr Bruder, ein Sohn Awraham´s. Aber es gab auch unter den Hebräern G'ttlose, der Abscheu wert. Nein, Binjaschar entsprach wirklich nicht dem Bild eines Gesetzlosen, der sich auf seine hohe Abstammung etwas eingebildet und das auch noch als Ausrede für seine Ausschweifungen missbraucht hätte. „In ihm ist G'ttes Geist!“, erkannte Dr. Lissi insgeheim. Aber mit welcher ihrer Kolleginnen hätte sie sich austauschen können über geistliche Dinge? Zwar glaubten sie nicht so recht an eine Emporentwicklung oder Selbstorganisation des Lebens, aber die mögliche Existenz eines persönlichen Schöpfers blieb dennoch außen vor. Solch ein Gedanke schien sogar gefährlich, verwies er doch irgendwie genau auf das, was zu finden diese Gruppe beschlossen hatte.
Selbst inmitten dieser Reisegesellschaft fühlte sich Dr. Lissi nicht sicher genug. Man wusste um Binjaschar´s Eifer. Sie alle waren voller Wissbegier losgezogen und wollten endlich diese unüberwindbare Lücke in ihrer wissenschaftlichen Erkenntnis ausfüllen, um so der Menschheit den wahren Hergang der Lebensgeschichte präsentieren zu können. Dr. Lissi´s Gedanken wurden jäh unterbrochen: Die gelegentlichen Wortwechsel unter den Andern waren immer lauter geworden und wuchsen sich rasch zum heftigen Streit aus. Worum es ging, hatte sie aus der Entfernung nicht mitbekommen können. Als Lissi und Binjaschar sich umschauten, sahen sie einen Tumult vor sich: Offenbar hatten sich unbemerkt zwei Lager gebildet, welche jetzt handgreiflich aneinandergerieten. Was auch immer der Grund war- Binjaschar musste etwas unternehmen! Aber angesichts dieses aggressiven Durcheinanders wusste man nicht, wo man anfangen sollte. Er sah, dass die Frauen sich etwas zurückhaltender benahmen, was ja verständlich war. So versuchte er, sich wenigstens Eine von ihnen herauszugreifen. Binjaschar zögerte nicht lange und bekam Stella Romana beim Handgelenk zu fassen. Schnell zog er sie beiseite, so dass ein paar Meter zwischen ihnen und den Streithähnen lagen. „Was ist los?“, bestürmte er die überraschte Stella, „Seid ihr verrückt geworden?“ Er konnte nicht warten, bis sich die so Angeredete endlich beruhigt hatte, denn der Streit hielt mit unverminderter Heftigkeit an. Stella wollte sich einfach nicht einkriegen und machte hier mit ihrem Gezeter weiter, dass Binjaschar sich die Ohren zuhielt bei ihrem Gekreische. Ohne, dass er es bemerkt hatte, stand plötzlich Dr. Lissi bei ihnen und zog Stella sanft mit sich. Trotz seiner Verzweiflung erkannte er in ihrem Gesicht, als sie sich Stella´s annahm, Mitgefühl für ihre Kollegin. Einen Moment lang stand er da und staunte über Lissi. Ja, sie war eine wirkliche Hilfe an seiner Seite, und das schon vom Beginn ihrer Bekanntschaft an. Binjaschar fühlte plötzlich einen heftigen Stoß seitlich an seinen Rücken und stolperte. Mit voller Wucht knallte er auf den harten Boden und bekam noch einen heftigen Schlag zu spüren. Er rang nach Luft und schaute um sich. Auf ihm lag jemand und rührte sich nicht. So behutsam es ging, versuchte Binjaschar sich von der Last des Bewusstlosen zu befreien. Als er es endlich geschafft hatte, wendete er sich noch etwas keuchend und benommen dem Andern zu. Dr. Falcone! Vor ihm lag Dr. Falcone mit einigen Blessuren. Hilfesuchend schaute Binjaschar auf, um vielleicht jemanden der Kontrahenten als Assistenten zu gewinnen. Doch er sah nur einen Haufen mehr oder weniger angeschlagener Kinder, die sich selbst jetzt noch behakten, wenn auch nur noch verbal. Erst allmählich wurde man aufmerksam auf den immer noch bewusstlosen Dr. Falcone. José Torro sah streng auf Paolo Navidad, welcher ihn nicht minder angiftete, während die Andern vor Scham zu Boden blickten. „Was ist eigentlich in euch gefahren?“, donnerte jetzt ein sichtlich aufgebrachter Binjaschar, „Los, kommt und helft mir!“ Hiermit wies Binjaschar energisch auf Dr. Falcone, der sich noch immer nicht rührte. Endlich kam Bewegung in den betroffen dastehenden Trupp. Nicht Alle waren ausgebildete Ersthelfer, so dass nur zwei der Streithähne neben Binjaschar knieten und Dr. Falcone betreuten. Diese Beiden vermieden jeglichen Blickkontakt einander.
Es waren nun schon 2 Tage vergangen seit dem Streit. Binjaschar konnte mit Lissi´s Hilfe erfolgreich zwischen den Zerstrittenen schlichten. Nur José Torro und Paolo Navidad gingen sich aus dem Weg. Ob er ihnen immer noch Zeit lassen sollte? Allmählich ging ihm die Atmosphäre auf die Nerven: Dieses Gemisch aus Bedrückung und subtiler Aggression war in der Tat sehr schwer zu ertragen. Die Abenddämmerung breitete sich inzwischen aus und man bereitete sich zur Nachtruhe. Umberto Travolta hatte freiwillig die erste Nachtwache übernommen, als Binjaschar voll innerer Unruhe war. Ja, sie hatten morgen wieder einen langen, beschwerlichen Reisetag vor sich und mussten wirklich gut ausgeruht sein. Joschiah Binjaschar versuchte, sich selber zur Ruhe hin zu manipulieren, wobei er bewusst tief und langsam atmete. Je mehr er jedoch auf diese Selbstberuhigung bedacht war, strengte er sich an. Es war auch zu dumm! Bald schon war es ganz dunkel, und fahles Licht vom Firmament tauchte die ganze Umgebung in ein Schwarzgrau. Binjaschar hatte genug und stand schließlich auf. Er hatte das Bedürfnis, ein wenig hinauszugehn, wo die Stille ihn empfing. Hier, nur wenig mehr als 100m vom schlafenden Camp entfernt, schien eine völlig andere Welt zu sein: Kein menschliches Geräusch konnte ihn hier stören. Nur ein leises Rascheln erweckte seine Aufmerksamkeit. Er beugte sich vorsichtig in die Richtung, um vielleicht ein Tier zu eräugen. An der Entfernung des Geräusches konnte er ungefähr die Größe dieses Geschöpfes messen. Ein entlaufener Hamster oder eine der wenigen Eidechsen, die es noch immer gab? Als er so überlegte, wie reich die Erde damals noch gewesen sein mußte, als die Öko-Bewegung wirklich sinnvoll war, huschte etwas von links vor ihm her: eine Spitzmaus war auf Nahrungssuche. Wie überrascht Binjaschar da auf dieses kleine, behende Tierchen starrte! Eine Spitzmaus in dieser Gegend bedeutete, daß es genug bodenbewohnende Insekten hier geben musste. Demnach war der Boden kein Staubtrockener mehr. Fazit: Es gab hier irgendwo Wasser und zumindest Steppenvegetation! Tagelang waren sie über Schollen gewandert. Weit und breit bot sich ihnen das gleiche Bild: aus dem einstigen üppigen Grün der Wiesen und Wälder war eine öde und leblose Fläche geworden. Auf den Bergen zeigte sich erodierter, nackter Fels. Längst schon gab es kein Baumgerippe mehr dort. So stark waren jetzt die Kräfte des Wetters zu beobachten. Binjaschar ging behutsam in die Hocke, um die Spitzmaus nicht unnötig zu erschrecken. Als er mit seinen Händen auf dem Boden entlang strich, fühlte er nur die Schollen und ein paar kleine Steinchen unter den Fingern. Außer trockenen Laubes schien es hier jedenfalls keine nennenswerte Insektennahrung zu geben. Enttäuscht stand er wieder auf, langsam, um die Spitzmaus nicht wegzuscheuchen.
„Nu ja“, dachte er sich und wollte wieder zurück zu den Andern. Irgendwie war es aber doch noch zu schön an diesem friedlichen Ort. Er hörte die freundliche Stimme. Was, war da jemand? Binjaschar merkte nur diese friedliche Atmosphäre, die auf der Umgebung lag. „Siehst du, Joschiah? Wie Ich Mich der kleinen Spitzmaus annehme in einer kahlen Landschaft, so nehme Ich Mich auch deiner an. Die Spitzmaus fragt nicht, wie sie durchkommen kann. Sie lebt einfach so wie immer: Wenn sie wach ist, sucht sie nach Futter. Joschiah Ben Awracham, willst du Mir vertrauen?“, hörte Binjaschar ganz in seiner Nähe die ihm wohlbekannte Stimme.
„Oy, man!“ seufzte er jetzt, „Wie konnte ich Dich nur vergessen, Herr?“ Jetzt brach es los in Binjaschar´s Innerstem, endlich konnte er all die leidvollen Gedanken loswerden! Der Herr hörte ihm geduldig zu, das war stets Seine Art gewesen. Von Anfang an hatte Er in innigster Gemeinschaft mit Menschen sein wollen. All Seine Gedanken drehten sich nur darum, wie Er Seine geliebten Menschen zurückgewinnen könne. Er hörte zu, was Joschiah Binjaschar Ihm alles klagte. Wie lange Joschiah mit seinem treuen Freund gesprochen hatte, war nicht mehr wichtig angesichts der großen Erleichterung, die er endlich empfand. Der Herr tat ihm wohl und tröstete Seinen Freund Joschiah, der jetzt nur noch empfangen wollte. Er stand noch eine ganze Weile da, während ihm der Herr liebevoll zuredete. Alle Last fiel ab von Binjaschar, Stück um Stück wurde ihm leichter und wohler zumute. Schließlich kam die Müdigkeit und wuchs in ihm. Binjaschar wollte sie anfangs vertreiben, so schön war es in der Gegenwart Jah´s. Doch der Herr selber war es, Der ihm riet, sich doch noch etwas Schlaf zu gönnen. „Ja, lieber Herr, Du kennst mich und weist, wie ich beschaffen bin. Ich geh jetzt schlafen. Du bist ja auch dann in meiner Nähe“, flüsterte Binjaschar, der mittlerweile in Hörweite der Andern gelangt war. „Hallo, da bist du ja!“, empfing ihn Umberto Travolta. Leicht verwundert schaute ihn Binjaschar an. Umberto sah das an Binjaschar´s Gesicht, so gut kannte man inzwischen einander. „Ja, alles war so schön am Schlafen, da wollte ich niemanden wecken und nahm gleich die zweite Wache noch mit!“ Binjaschar traute sich nicht, zu fragen, wie lange er denn schon weg war. Als er sich müde zugedeckt hatte, sagte er noch zum Herrn: „Also dann- bis morgen!“ und entschwand ins Land der Träume.
Wenn man überhaupt von Träumen reden konnte, so war es dafür wohl doch eine zu kurze Nacht gewesen. Er jedenfalls kam sich jetzt noch müder vor als vor der Nachtruhe. Binjaschar war noch zu benommen, um die Geräuschkulisse bewusst wahrzunehmen. Erst allmählich fiel ihm das anhaltende Geschrei aus vielen Kehlen auf. Das erinnerte ihn sehr an damalige Spielfilme über die Eroberung Amerikas. Doch weit und breit hatte niemand ein solches Fernsehgerät zur Verfügung, so dachte er an den Weltempfänger. Vielleicht suchte ja grade jemand nach einem klaren Sender. Doch außer ihm schien sich niemand sonst im Zelt aufzuhalten. Das wilde Geschrei hörte sich an, als wandere es hin und her. Jetzt kam ihm die Sache aber doch seltsam vor. Noch immer etwas mitgenommen, öffnete er den Eingang des Zeltes und konnte seinen Augen kaum trauen: Das hier war kein Wildwest-Film, es war die Realität! Vor seinen Augen tobte ein heftiger Kampf. Nein, es war schon viel eher ein Krieg! Er sah seine Leute im blutigen Handgemenge mit einer Horde Fremder. „Oh, mein Gott!“, entfuhr es ihm. In seinem Innern tobte jetzt ein ebenso heftiger Kampf: Was konnte er, Joschiah Binjaschar, überhaupt in dieser unheilvollen Situation ausrichten? Mit einem Anflug von Ironie dachte er bei sich: „Heute bin ich wohl im falschen Film gelandet!“ Seltsamerweise hatte er jetzt das starke Bedürfnis, einfach er ein paar Stunden durch die Gegend zu wandern. Warum auch nicht? Ging ihn das Gemetzel überhaupt etwas an? Schließlich hatten die Andern ja gewollt, dass er sie in diesem Unterfangen leitete! Also stand er auf und bewegte sich so unbemerkt wie möglich außer Sichtweite.
Was war eigentlich geschehn? Binjaschar fühlte sich wie in Trance. Alles kam ihm so unwirklich vor. Aus dem Wust an durcheinander wirbelnden Gedanken sprach es in ihm: „Halt! Jetzt ist Schluss damit, ich muss mich jetzt wehren!“ Er nahm sich zusammen, so gut er konnte. Aber all sein Bemühen schien ihm noch die letzten Kraftreserven abzuverlangen. Entmutigt setzte sich Binjaschar auf die Erde. Ja, Jow, auch Hiob genannt, hatte sich zu seinen Lebzeiten in Staub und Asche gesetzt, wie die Legende erzählte. Was konnte er, Joschiah, schon Anderes tun als dieser Jow? Hätte Rabbi Jah'El in seiner Lage gesteckt, was wäre ihm wohl in den Sinn gekommen? Unwillkürlich hob Binjaschar seine Augen auf und blickte ins schwärzliche Blau des Firmamentes. Jetzt wollte er nur noch eins: Was hatte der Herr angesichts dieser Katastrophe für ihn bereit? Binjaschar verspürte eine solche Sehnsucht, Worte der Hilfe zu hören vom Herrn aller Schöpfung. Ja, Er, der Herr, hatte doch das ganze Universum erschaffen, ohne dass Ihm auch nur einer der hochmütigen Menschen dabei geholfen hätte. Wo blieb nun das Maul der Gelehrtenschaft? Binjaschar wusste in seinem Herzen: "Der Herr umgibt mich jetzt, und Er liebt mich mit Seiner unaussprechlichen Vaterliebe!" Kaum, dass er es gemerkt hätte, stand er jetzt auf seinen Füßen und erhob seine Hände nach oben. Ob er genau in Richtung der unteilbaren, ewigen Hauptstadt Israel´s schaute, sah nur der Herr alleine. „Herr, G'tt meiner Väter, Du bist auch mein G'tt. Sieh, meine Väter haben gesündigt und waren Dir untreu. Und ich? Bin etwa ich besser als meine Väter?“ Desillusioniert über sich selber ließ er den Kopf hängen. "Herr, bitte, wasche mich rein, weg von all meiner Schuld, von all meinen Versäumnissen, meiner Nachlässigkeit und meinem Versagen..." Binjaschar konnte kaum weitersprechen, so elend war ihm zumute. „Und ...und Lissi- was ist mit ihr? Habe ich sie ganz einfach ...im Stich gelassen!“ Zu mehr war Binjaschar nicht mehr fähig, jetzt wurde er von heftigem Weinen erschüttert. So stand er vor seinem Schöpfer, Vater und Freund.
Wieviel Zeit vergangen war, konnte er nicht abschätzen. Binjaschar hatte irgendwann auf der Erde gelegen und war vor Erschöpfung eingeschlafen. Nachdem er sich aufgerappelt hatte, schleppte er sich wieder in Richtung Lager. Jeglichen Gedanken darüber, was ihn dort erwarte, wies er von sich ab. Nein, er wollte nicht noch mehr Zermarterung erdulden. So trottete er dumpf und fast schon mechanisch vor sich hin. Es war diese unwirkliche Stille, die ihm zu schaffen machte- kein leises Zirpen der Feldgrille, noch nicht einmal ein leichter Luftstrom. Wie lebensvoll es doch damals war! Überall meldete es sich. Selbst mitten in der Großstadt nisteten noch Taube und Sperling. Und erst auf dem Land! Man war umgeben von vielfältigem Leben. Was aber jetzt Binjaschar´s Herz beschlich, war alles Andere als die vertraute Geräuschkulisse. Diese totale Stille war es, die ihm in den Ohren gellte. So allein fühlt man sich höchstens im Winter, wenn weit und breit nichts Anderes ist als man selber. Dann lernt man sie kennen, diese Stille, die einen anschreit, so dass man sich am Liebsten die Ohren zuhält, aus Angst vorm Wahnsinn. Nur seine eigenen Schritte waren zu hören, und sein Atem wurde flatternd. Er schaute sich wiederholt um, als wäre da jemand hinter ihm her. Immer schneller schritt Binjaschar jetzt und begann zu laufen. Angst jagte ihn voran. Er lief und wusste eigentlich nicht so genau, wohin. Seine Gefolgschaft war nirgends ausfindig zu machen. „Oh nein, was mache ich denn jetzt?“, war sein erster klarer Gedanke. Ins Camp zurückzukehren, hatte das jetzt überhaupt noch Sinn? Vielleicht war er sogar der einzige Überlebende des Überfalls. Stand er jetzt vor dem Nichts? „Oh, Lissi!“, dachte er, „Wenn du noch lebst, bitte verzeih deinem feigen Bruder, wenn du das noch kannst!“ Binjaschar fühlte sich mies und gemein. So einfach den Kopf verlieren und sich davonstehlen, das konnte jeder! Aber er, was war mit seiner Verantwortung für Diese, die sich ihm anvertraut hatten?
Sein rechter Fuß stieß gegen irgend etwas, so daß er der Länge nach strauchelte und vornüber den harten Boden zu spüren bekam. Nach einer Minute des Schreckens besann er sich und rappelte sich mühsam wieder auf. Was war das? Worüber war er gestolpert? Angestrengt sah er um sich. Ja, da war was! Etwas Längliches lag da vor ihm. Ein Mensch? Keine Lebenszeichen. Eine Leiche? Gab es noch weitere Menschen hier? Binjaschar betastete vorsichtig jenen Körper, der da reglos lag. Er versuchte, mit seinem Ohr so dicht wie möglich an das Gesicht des Andern zu gelangen. Vielleicht konnte er ja dessen Atem hören. Aber nichts war zu vernehmen. Langsam fuhr ihm ein kalter Schauer über den Rücken. Er war wirklich über eine Leiche gestolpert. Binjaschar ging ein paar Meter weiter weg von seinem grausigen Fund. Vor Erschöpfung ließ er sich nieder.
Er wusste nicht, wie lange er schon dagelegen hatte, als er verschwommen seine Umgebung wahrnahm. Was war bloß los mit ihm, und vor Allem, wo war er jetzt? Eben versuchte er, seinen Kopf etwas anzuheben, um sich Orientierung zu verschaffen, doch schon fielen ihm die Augen zu. Binjaschar durchlitt wirre Träume, oder war es die Realität? Finstere Gestalten mit häßlichen Fratzen umtanzten ihn und belustigten sich über seine Hilflosigkeit. Bald lachten sie ihn aus, bald bedrohten sie ihn. Trübe dämmerte es ihm, daß er sich im gnadenlosen Zustand des Fiebers befinden musste. Doch diese hässlichen Wesen waren so real, daß er sich ihrer kaum erwehren konnte. Er versuchte, sie im Namen Jeschua´s zu vertreiben, doch sie erwiesen sich als äußerst zäh: Nach kurzer Zeit waren sie wieder da. Binjaschar fühlte sich, als habe man ihn verprügelt. Jede Bewegung tat ihm weh. Ähnliches kannte er bisher nur bei einem ausgeprägten Muskelkater. Doch das hier war die Tortur! Ab und zu vermeinte er, Geräusche und sogar menschliche Stimmen zu hören, aber er war sich seiner nicht so sicher. Schließlich konnte es ja auch lediglich an seinem elenden Zustand liegen. Allmählich erlebte er klarere Augenblicke, im wahrsten Sinn des Wortes. Es waren immer nur kurze Momente, in denen er differenzieren konnte zwischen brutalem Horror und offenbarer Anwesenheit weiterer Personen. Ja, er war sich ziemlich sicher, dass da noch andere Menschen zugegen sein mussten. Spürte er etwa einen warmen, feuchten Lappen über seine Stirn fahren? Mühsam blinzelte er und erkannte tatsächlich die Umrisse eines langhaarigen Gesichtes. Er versuchte, seine Gedanken zusammenzunehmen und wollte dieses Gesicht ansprechen, als sich ein Zeigefinger auf seine Lippen legte und anschließend an seiner Wange hinabfuhr. „Eine Frau“, dachte er, „Eine Frau ist bei mir. Wer...?“ Schon fielen ihm wieder die Augen zu. Binjaschar schlief jetzt sanfter und fühlte sich bei seinem Erwachen wesentlich erholter. „Joschiah?“, flüsterte eine weibliche Stimme. Er vernahm sie im Halbschlaf, während er merkte, daß ihm angenehm warm war und er endlich schwitzte. Schwitzen, das ist ein wahrer Freund, wenn man sich in solch elendem Zustand befunden hat. Läutet Freund Schwitzen doch die siegreiche Genesung ein, und man weiß: „endlich hab ichs hinter mir!“ Da war wieder die sanfte Frauenstimme. Was sagte sie ihm? „Joschiah, bist du da? Kannst du mich verstehn?“ Er erschrak vor seiner eigenen Stimme: Ein heiseres Brummen kam aus seinem Mund hervor. „Ja, ich bin wach“, hörte er sich zögernd sagen. „Ich bin Stella. Die Andern sind in der Gewalt dieser Bande. Ich scheine als Einzige entkommen zu sein, wie es aussieht.“ „Stella, wo sind sie jetzt? Was ist überhaupt passiert? Wie lange liege ich schon hier?“, wollte Binjaschar jetzt wissen. Stella Romana fasste Binjaschar´s Schultern und hob seinen Oberkörper etwas an. „Du bist schwer, bitte hilf mir, damit du dich besser fühlen kannst!“ Gehorsam richtete sich Binjaschar jetzt auf, was ihm erstaunlich leicht fiel. Hatte er also wieder Kräfte gesammelt. Gut. Er saß an einer Wand gelehnt, oder war es was Anderes? Jedenfalls war ihm der Tote noch in Erinnerung. Wie hätte eine Frau ihn wegschaffen können vom Ort des Grauens? Also musste es eine breite Stütze sein, an der er da lehnte. Jetzt erkannte er auch das Leinen und sah, dass er sich in einem Zelt befand. „Stella, wie bin ich hier her gekommen?“ wollte er wissen. Stella kniete neben ihm und sah ihn an. Sie zögerte mit einer Antwort. Irgendwie schien sie herumzudrucksen. „Stella, was ist passiert?“ Endlich kam Bewegung in die Frau, und während sie mit einer Schale Wasser beschäftigt war, begann sie, das Erlebte in Worte zu fassen: „Ich habe dich da liegen gesehn. Du...“, Jetzt hob sie einen Lappen aus dem Wasser und wrang ihn aus, bis er noch feucht war und führte ihn an Binjaschar´s Stirn. Warum tat ihm die Stelle weh, über die der Lappen fuhr? „Du hattest geblutet, und ich konnte nicht wissen, ob du überhaupt noch am Leben warst.“, sprach sie weiter. „Ein großes Tier hatte dich mit sich geschleift. Dein Kopf war in seinem Maul!“ Jetzt liefen ihr Tränen herunter, und sie musste sich abwenden. Laut rief sie: „Ich konnte ja nichts tun! Dies riesige Tier- es war mindestens 2 Meter lang und fast so hoch wie ich!“ Mit Mühe hatte sich Stella wieder beruhigt und wandte sich erneut zu Binjaschar um. „Es war ein helles, fast weißes Tier. Eine große Katze, Tiger oder Löwe. Ich weiß es nicht. Vielleicht auch ein Mischling. Ich hatte solche Angst! Da hab ich mich versteckt in einer Grube. Das Brett lag schon darüber“, sagte sie und zeigt in Binjaschar´s Richtung. Aha- das Brett, woran er jetzt lehnte. „Dann hörte ich, wie es knirschte und knackte, und dieses Tier hat auch noch dazu geschmatzt!“ Aber, warum lebte er dann noch? Binjaschar war irritiert. „Endlich war alles still, und ich hab vorsichtig aus dem Versteck geguckt. Das Tier war ganz in deiner Nähe, doch du warst noch da! Aber als ich genauer hinsah, lag da ein anderer Körper bei der weißen großen Katze. Ich hab noch gewartet. Gewartet und gehofft hab ich, dass dieses schreckliche Tier doch endlich abhauen würde. Aber es döste vor sich hin, so wie die Löwen in Afrika. Was also konnte ich überhaupt noch tun?", schrie sie jetzt verzweifelt und brach erneut in Tränen aus. Endlich, nach langen Minuten aufgelösten Weinens, konnte Stella wieder einigermaßen reden. „Da war diese Schlange. Ja, eine Schlange kam an und hat sich aufgerichtet. Die Katze hatte offenbar Angst, gebissen zu werden und fauchte vor Wut. Aber dann erhob sie sich träge und schlenderte langsam weg, aber sie hat sich immer wieder umgeschaut und gefaucht. Die Katze war jetzt endlich weg, aber diese Schlange...“, Stella starrte vor sich hin, als wäre die Schlange vor ihr. Langsam senkte sie ihren Blick und schaute wieder Binjaschar an: „Ich hab mit Steinen nach ihr geworfen. Da hat sie sich nochmals aufgerichtet und zog sich irgendwann zurück. Ich bin dann zu dir gekommen und du hast noch geatmet. Wie ich dich von da weggezerrt hab, weiß ich selbst nicht mehr. Ich hatte das Zelt mitgenommen. Als die Horde uns angriff, war ich weggelaufen und hab mich versteckt. Hörst du? Feige bin ich weggelaufen!“ Binjaschar konnte ihr gut nachempfinden. Sehr gut sogar... „Haben die Banditen etwa die Zelte zurückgelassen?“, wollte er jetzt wissen. „Banditen- wie im Western.“, sagte Stella, „Ja, genauso war es. Genau wie im Kino, nur leider echt. Ich sah, wie unsere Leute und die Andern mit Gegenständen aufeinander losgingen. Mehr wollte ich nicht mehr ertragen. Ich hab mich einfach hingekauert und mein Gesicht verborgen. Ich kann es nicht fassen, was da passiert ist. Wieso tun die das? Statt sich mit uns zusammenzutun und gemeinsam zu überleben, fallen die über uns her!“ Jetzt war Stella außer sich und stand mit entsetzter Mine auf. „Wie können die das nur tun?“, schrie sie. Kopfschüttelnd blickte sie zu Boden.
Keiner der Beiden sagte ein Wort. Stella ging ihrer Beschäftigung nach, und Binjaschar sah ihr gedankenverloren zu. Irgend etwas war zu seltsam an Stella´s Schilderung. Nur was genau, das konnte Binjaschar nicht so klar erkennen. Wo kamen der weiße Löwentiger und die Giftschlange her? Hier war doch Mitteleuropa! Im Süden, ja, da kamen in der Antike noch Löwen vor. Das wusste er schließlich von Seiten der verbotenen Bibel. Aber jetzt? Noch dazu ein weißes Tier? Das konnte nur von einem Zoo stammen, oder aber es war ausgebrochen aus einem Safari-Park. Damals gab es diese zwei legendären Deutschen, die in Amerika das große Geld gemacht hatten. Von Maharadschas hatten sie weiße Tiger erhalten und sich einen regelrechten Zuchtstamm aufgebaut. Später tauchten auch weiße Löwen auf, erst als Mischlinge, dann reinerbig. Wenn solch ein Tier die Flucht ergreift, wie weit kann es sich entfernen innerhalb weniger Monate? Binjaschar kannte darauf keine passende Antwort. Nur Eines stand fest: Die damalige Katastrophe hatte sich offenbar in sehr weitem Umkreis abgespielt und blieb nicht auf die Gegend des zerstörten Instituts beschränkt. Jetzt den Weltempfänger zur Hand zu haben, wie gut wäre das! Dann könnte man wenigstens erfahren, ob es irgendwo eine Diakoniestation gäbe. Wenigstens mit einem Feldlazarett konnte neue Hoffnung auf ein Wiedersehn mit den Übrigen der Gruppe verbunden sein. „Stella“, unterbrach Binjaschar schließlich die Stille, „Was denkst du, in welche Richtung wir am Besten gehn?“ Stella hob nur kurz ihre Schultern. Wie sollte sie das wissen? „Achten wir besser auf das weiße Tier, falls es den Rest des Toten fressen will. Vielleicht ist auch die Schlange in der Nähe oder noch eine weitere Überraschung. Außerdem haben wir jetzt Feinde!“ Ja, das war die harte Realität. Wie ein Stück Wild mussten sie auf der Hut sein. Ein wirklich dramatischer Verlauf ihrer anfangs hoffnungsfrohen Reise. Ob sie wirklich das nächstliegende Versteck erreichen konnten? Falls nicht schon jemand Anderes ihnen zuvorgekommen war und die Bibeln in jetzt falschen Händen... Nicht auszudenken, dieses Fiasko! „Ach, Ha Schem, G'tt meiner Väter und mein G'tt. Wie sollen wir jetzt weiterkommen?“ Stella hatte den halblauten Seufzer gehört. Sie war es von klein auf gewohnt. Tausendfach waren solche Stoßgebete in ihrer Erinnerung, und früher hatte sie sich selbst daran beteiligt. Aber irgendwann kamen doch zu viele Ablenkungen in ihr Leben hinein, so daß diese Rufe der Seele in Bedeutungslosigkeit versanken. Also, von Binjaschar wusste sie, daß er kaum jemals auswendig gelernte Texte herunterleierte. Seine Art zu beten war eher mit einem Gespräch vergleichbar, ein Gespräch, dass er mit einem Unsichtbaren führte. Oft hatte sie ihn dabei beobachtet, wie er plötzlich aufschaute und nickte, manchmal leise „ja, Herr!“ sagte oder nur schlicht lächelte. Hielt sie ihn anfangs für einen Spinner, konnte sie diesen Eindruck nicht mehr lange aufrechthalten. Zu besonnen war Binjaschar. Er hatte eine seltsame Ruhe und Fröhlichkeit, die wirklich nicht zu erklären war. Durch die Anspannung der letzten sehr turbulenten Tage war Binjaschar nicht mehr so ausgeglichen und souverän, aber, so dachte sich Stella, wer konnte das schon wegstecken, was ihnen alles widerfahren war? Und jetzt, als sie Binjaschar so reden hörte, sah sie wieder den Glanz in seinen Augen. Seine Gesichtszüge, seine ganze Haltung zeugten von echter Entspannung.
Ja, Entspannung und Gelöstsein- wie sehr hatte sie sich das immer gewünscht! So oft sie auf ihr bisheriges Leben zurückschaute, erkannte sie diesen Mangel ganz klar. Was hatte ihr all die christliche Tradition denn gebracht? Manchmal schöne Feste mit reichlichem Blumenschmuck und fröhlich- beschwingter Atmosphäre. Der nächste Tag gestaltete sich um so ernüchternder: Außer dem allgemeinen Gelaber über die vergangenen Feierlichkeiten war doch nichts geblieben. Bisschen Tratsch und Witze auf dem Rücken Anderer. Und? War es das? Nein, das konnte sie jetzt nicht mehr `Leben´ nennen. Stella hatte viel erfahren in den letzten Monaten. Zu viel, um noch länger oberflächlich zu bleiben. Sie hatte Binjaschar genau beobachtet. Er war ein Mensch, der sich nicht von Anderen unterschied. Aber trotzdem war er ein Mann besonderer Qualitäten. Ob er das wohl wusste? Jede Frau hätte sich bestimmt um ihn geprügelt, nur um ihn für sich zu haben. Dieser Mann war anders. Er hatte Format und machte so ganz und gar keine Anstalten, mit Frauen zu spielen. Stella konnte nicht behaupten, er sei prüde. Nein, er war irgendwie lebhaft, ohne aufdringlich zu sein. Nie hatte er irgendwelche sexuellen Ambitionen gezeigt, noch nicht einmal Dr. Lissi gegenüber, die ihn schließlich sehr mochte. Er war auch nicht der steife höfliche Mann, der eher einem dressierten Tier glich. Nein, dieser Mann war angenehm unverdorben und hatte Klasse. „Herr, mein G'tt, höre: Du hast mir die Gruppe anvertraut, und ich habe sie im Stich gelassen. So will ich wenigstens für Stella dasein und sie vor weiterem Schaden bewahren. Und Du hilfst mir dabei. Und Du bist treu. Und ich will Deinen heiligen Namen hochhalten, wie man eine Fahne weithin sichtbar flackern läßt. So mögen Viele ihre Zuflucht suchen bei Dir und sich versammeln unter Deinem Namen. Ba Schem Jeschua, amin.“ Stella hatte die ganze Zeit aufmerksam zugehört. Auch jetzt mochte sie lieber nichts sagen. Die Atmosphäre im Zelt war verändert. Das konnte Jeder spüren. Als ob der G'tt Binjaschar´s persönlich anwesend wäre in diesem kleinen Zelt. Leise begab sie sich zu Binjaschar und ließ sich neben ihn nieder. Fragend sah er sie an. Wie konnte sie es ihm nur sagen, das, was sie jetzt so bewegte? Hatte sie überhaupt den Mut dazu? Binjaschar sah, wie sie ihren Mund leicht bewegte, aber doch nichts sagte. Wie konnte er das deuten? Er, ein Mann, mit einer Frau allein im Zelt. Das sprach Bände in seinen Gedanken: Durch die gemeinsamen Gefahren waren sie einander vertraut. Eben das konnte ausarten in sexuelle Gebundenheiten! Er liebte Lissi und Lissi ihn. Das nutzte aber nichts, wenn die gegenwärtige Situation sich so darstellte wie jetzt.
„Joschiah, ich möchte dich was fragen.“, begann Stella, „Aber bitte lach nicht, ja?“ Binjaschar ahnte, dass jetzt ein gewisses Geständnis auf ihn zukam und bereitete sich innerlich schon auf das notwendige diplomatische Manöver vor. „Du hast eben gebetet?“, fragte Stella zögernd. Nun war Binjaschar aber doch überrascht! Das hatte er nicht erwartet. Halb erleichtert atmete er auf, aber er war jetzt auf der Hut, nichts unüberlegt hinauszuposaunen. „Ich habe alles, fast alles, gehört.“ Stella blickte scheu zu Boden. „Aber ich kann nicht verstehn: Wie ist das möglich?“ Jetzt sah sie ihn direkt an. „Wie ist was möglich?“, fragte er vorsichtig. „Ja, du redest mit jemandem, den du nicht siehst und bekommst auch noch Antwort aus dem Nichts! Ich frage mich: Wie ist sowas möglich?“, nach kurzer Pause sprach sie weiter: „Und wenn du dann dein amin gesagt hast, bist du ganz verändert. Wie ist sowas möglich, von einer Sekunde auf die Andere?“ Binjaschar holte tief Luft. Was konnte er ihr nur darauf sagen? Tausend Antworten fielen ihm ein, aber er wusste nicht, was von all dem wirklich angebracht war. Zu seinem eigenen Erstaunen hörte er sich sagen: „Stella, du brauchst Ihn. Er will dir begegnen. Das, was du so an mir bewunderst, kommt von Ihm. Er gibt mir Antwort und füllt mich wieder, immer wieder, mit neuer Kraft und mit Frieden. Grande Parce, wie man es auf Italienisch ausdrücken würde“. Jetzt konnte Stella nicht mehr an sich halten: „Aber wie? Sag mir: Wie kann ich das bekommen, was du hast? Wie kann ich diesen G'tt, an den du glaubst, echt glaubst, wie kann ich das tun?“ Sie überschlug sich in ihrer Aufregung und hätte ihn am liebsten durchgeschüttelt, um endlich die Antwort ihres Lebens zu bekommen. Ja, ihres Lebens. Das merkte sie jetzt mit jeder Faser ihres Menschen: Es ging um alles. Wenn sie jetzt die Antwort verpasste, dann ging das Leben an ihr vorbei und sie würde im Schatten versinken. Aber sie hatte Angst vor der Enttäuschung. Sie sah ja, dass da wirklich was war, das sah sie überdeutlich an Binjaschar. Es musste jetzt sein, jetzt oder nie! Binjaschar sah ihr ernst in die Augen: „Du musst jetzt mit Ihm reden. Sag Ihm alles, was du sagen willst. Ich helfe dir dabei, aber reden musst du selber. Du willst zu Ihm. Sag Ihm das. Jetzt.“ Da brach es hervor aus Stella: Sie konnte nicht mehr schweigen. Ihr ganzes Herz wollte auf einmal erleichtert werden, sie sprach nicht mehr leise, nein, jetzt rief sie zu Ihm, als würde sie ertrinken und Er stünde am Ufer. Ihr ganzes Leben fiel ihr auf einmal ein. Alles, was sie falsch gemacht hatte, die Bosheiten gegenüber anderen Menschen und ihre Oberflächlichkeit gegenüber G'tt. Wie leichtfertig hatte sie doch bisher von Ihm gedacht, wie nebulös war Er Ihr doch bisher geblieben! Jesus, der Heilige, der Sohn Mariens. Und Maria als die Große, der ihre Hauptaufmerksamkeit gelten sollte. Was war mit Jesus? Was war nur mit diesem Jesus? Endlich drang ihre Sehnsucht nach außen wie eine Fontäne: „G'tt, ich will Dich endlich kennen!", und schluchzend: "Du, bitte, ich brauch dich!“ Im Stillen dachte Binjaschar: „Oh, Vater, wie kann ich dir danken für dies Wunder? Ana, Ha Schem, hoschianah, ana, Ha Schem, hatslichanah! (Bitte, Höchster, rette uns; bitte, Höchster, schenke Gelingen uns!). Vater, Du offenbarst uns Deine Liebe, über Bitten und Verstehn hinaus, und ohne unser Zutun kommst Du uns entgegen in Deiner Liebe, Deiner Treu!“ Stella weinte, und mit ihr Binjaschar. Doch es waren Tränen inniger Dankbarkeit und Freude, die ihnen flossen.
Am nächsten Morgen erwachte Binjaschar, als das erste Morgengrau sich vor dem eigentlichen Sonnenaufgang zeigte. Stella schlief noch. Leise stand er auf. Wie friedlich und süß! Er gönnte es ihr von ganzem Herzen. Unbemerkt begab er sich vor den Eingang. Im Zwielicht des Morgens hatte die Umgebung ihr besonderes Flair. Die kühle, noch feuchte Luft war sehr angenehm zu atmen und erfrischte Binjaschar. Ohne es zu beabsichtigen, lies er seine Augen schweifen an die Stelle, wo der Kadaver liegen musste. Nichts! Nur noch ein dunkler Fleck zeigte an, dass hier Blut geflossen war. Also hatte die Katze sich den Rest geholt, während G'tt ihnen begegnet war. Jetzt musste Binjaschar doch leise lachen. Mitunter hatte der Herr einen sonderbaren, tiefsinnigen Humor! Das drückte auch ein Lied aus dem Buch der Lieder aus, in dem die Ordnung des Wassers im Ozean und vom Gebirge bis dorthin beschrieben wurde. Im Lied hieß es auch, daß abends die Löwen sich regen: „Er ruft zum Herrn, daß Er ihm Beute gebe. Am Morgen dann legt er sich schlafen, während der Mensch aktiv wird.“ Ja, auch das hatte die Wissenschaft bestätigt: Erst stimmen die Löwen ihr abendliches Gebrüll an, um sich anschließend schlafen zu legen. Das Wild, vom Gebrüll aufgeschreckt, hält sich mit Gewalt auf den Beinen, bis ihm doch die Augen schwer werden. Dann erwachen die Löwen und haben leichte Beute.
„Ja, Herr, wie soll ich- wie sollen wir, meine Schwester und ich, diesen Tag beginnen? Wir wollen ja die Anderen wieder finden, falls das noch geht. Und, Du weißt ja, was die Sache mit Lissi und mir betrifft. Wenn sie noch lebt, bitte schenk ihr Gelegenheit, mir meine Feigheit zu verzeihn. Und wenn uns ein Tier begegnet, lasse uns bitte nicht zu klein erscheinen in seinen Augen...“
Allmählich war das Grau einem Sommermorgen-Blau gewichen, und es war schon zu erkennen, wo die Sonne ihre Strahlen zuerst ausstrecken würde. Aus dem Zelt kam leise der Klang einer leeren Blechkanne. Aha, Stella hatte demnach außer dem Zelt auch einen Vorrat an Wasser und Tee oder sogar Kaffee bei sich. Vergnügt erschien Binjaschar wenig später im Eingang. „Guten Morgen, Madame!“, ertönte halb singend seine angenehme Stimme im Zelt.
„Buon Giorno, Frattelone mio!“, flötete eine heitere Stella zurück „Nu, meine Schwester, wie ergeht es dir am ersten Morgen deines neuen Lebens?“, fragte lächelnd Binjaschar „Nu, ich fühle mich wie neu geboren, so, wie ich das mal gehört habe in einer Ansprache unseres Patres. Damals war ich so 13, als er den neuen Brunnen vor der Kapelle eingeweiht hatte. Er sagte was von lebendem Wasser und von neu geboren werden. Jedenfalls hab ich das noch so in Erinnerung.“ „Möchtest du mehr darüber wissen?“, fragte Binjaschar sie. „Oh ja! was weißt du? Na sag schon!“ „Also“, begann Binjaschar, „Der Messias, oder Christo, wie man Ihn in Italien nennt, hat das lebende Wasser als Beispiel gebraucht. Lebendes Wasser ist nichts Mystisches, im Gegenteil: In der Alltagssprache im Orient nennt man fließendes Wasser so. Also Wasser, das in Bewegung ist und gut schmeckt. Im Gegensatz dazu schmeckt abgestandenes Wasser schal oder sogar faulig. Was ziehst du also vor? Ist es nicht das lebende Wasser? Richtig?“, Stella nickte. „Richtig!“, sagte sie fröhlich. „Wer ihm glaubt, so wie du seit gestern und ich seit vorgestern, ...von dessen Leib werden Ströme lebenden Wassers fließen...“ „Schweiß?“, unterbrach ihn Stella neugierig. „Nein, genau das ist nicht gemeint, sondern eine Frische, eine ständige Bewegung, Dynamik, wie das die Griechen sagen. Eben ein Vorwärtsdrängen des neuen Lebens.“ Stella hatte gerade mit einem Feuerzeug das trockene Holz entzündet und stellte das Wasser auf den Rost. Kurz hielt sie den Kopf schief und dachte nach. Dann nickte sie und bemerkte: „Ja, genau. Das war es auch, was ich an dir gesehn habe. Nur konnte ich das damals nicht verstehn. Aber jetzt- ja, klar.“ Sie schaute ihn an und setzte sich ihm gegenüber, die Hände in die Nähe des wärmenden Feuers gebreitet. Binjaschar sprach weiter: „Die Sache mit dem von Neuem geboren sein, das hast du ja wirklich erlebt! Und genau das meint er, wenn er davon spricht, auf welche Weise der Mensch in G'ttes Gegenwart gelangen kann: Nur wenn der Mensch von Neuem geboren wird, ist er auch ein neuer Mensch. Wir müssen nicht wieder als Babys von einer Mutter zur Welt gebracht werden, sondern müssen aus unserem weltlichen Zustand in den Schoß G'ttes fallen, wenn man so will. Das heißt: Wir werden durch das Vertrauen zu G'tt verändert, und G'tt sieht uns an, als hätten wir nie Seine Statuten übertreten, so rein und makellos! Stella, versteh, wer das verstehn kann- ich kann es noch immer nicht begreifen! Wie lieb muss uns doch der Ewige haben, dass Er uns so adelt!“ Stella war verblüfft. Lange sah sie schweigend ins Feuer. „Ja, Joschiah, jetzt weiß ich, was die Wahrheit ist.“, sagte sie nur kurz und nahm den Teebeutel aus der Tasse. Sie hatte der Beutel Einige mitgebracht, so dass, falls mehrere Leute sich im Zelt einfinden sollten, jeder gleichzeitig mit den Andern Tee genießen konnte. „Aber erzähl mir doch mal, was du so bisher erlebt hast, ich meine, du bist doch schon viel länger gläubig als ich.“ Binjaschar war klar, dass diese Frau, die ihm gegenübersaß, ohne jüdischen Hintergrund aufgewachsen war, obwohl ihr Familienname doch jüdischen Charakter besaß. Und so erzählte er ihr von manchen Begebenheiten. Vor allem einen Mann erwähnte er mit besonderer Achtung: Seinen Lehrer Rabbi Jah'El. Vieles, was der seinen Schülern damals weitergegeben hatte, kam Binjaschar schließlich zugute und hatte sogar mit zu seiner Entscheidung für das Leben mit Jeschua´s Lehre beigetragen.


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Beitrag von Eaglesword Sa 09 Apr 2011, 20:38

Vorsichtig spähten sie zum Lager. Trotz der langen Zeit war noch immer Wachsamkeit geboten. Seit Stunden lagen sie zwischen den dichten Sträuchern. Aufgrund seiner ausgeprägten Vitalität war Ginster der erste Strauch, der auf dem durch jene Katastrophe ausgedörrten Boden wieder Fuß gefasst hatte und nun stellenweise üppige Inseln bildete. Eine Art Macchie oder Savanne war entstanden. So hatten die überlebenden Tiere wieder einigermaßen Deckung, wenn auch der Ginster sich nur für Wenige als Nahrung eignete. Wie gut hatte der Schöpfer es doch eingerichtet, dass Gräser ebenfalls überaus lebensfähig waren! Saatgut wilder Pflanzen konnte Jahrzehnte irgendwo lagern, bis endlich ihre Zeit gekommen war und sie zu keimen begannen. Sogar Getreide, dass Archäologen in Pyramiden fanden, kam nach der Zeit von Jahrtausenden zum Auflaufen und zeugte so von den uralten Sorten, die damals angebaut worden waren. Das ist auch das Geheimnis der Wüstenblumen, die nach Bewässerung die Wüsten in Blumenwiesen zu verwandeln vermögen. Damals, unmittelbar nach der Katastrophe, schien es endgültig aus zu sein für die pflanzenfressende Vogelwelt. Als jedoch das erste Grün Saat ansetze, waren sie plötzlich wieder da: Scharen von munteren Finken fielen in die neu entstandenen Wiesen ein und erfreuten durch ihr lebhaftes Treiben. „Das Leben ist zurückgekehrt!“, sagte man damals. Dieser Ausruf war so etwas wie ein Sprichwort geworden.
Im Lager schien sich nichts Verdächtiges zu regen. Ein Stein flog in die Richtung. Nichts. Ob man jetzt hingehn konnte? Sie wagten es und schlichen langsam aus ihrem Versteck. Plötzlich brauste ein großer Schwarm Sperlinge davon. Erschrocken hielten die Wanderer inne. Aber jetzt war sowieso gewarnt, wer auch immer sich drüben verborgen hielt. Also schritten sie weiter, jetzt nicht mehr auf Lautlosigkeit bedacht. Aber zum Reden verspürten sie nicht die geringste Lust. Noch immer war diese Anspannung präsent und hielt sie zum Lauschen an. Da kamen sie auch schon ans erste Zelt. Einer der drei Männer öffnete den Eingang und sah sich genau jeden Winkel an. „Komm mit rein!“, sprach er einen seiner Begleiter an, während der Dritte draußen aufmerksam die Gegend musterte. „Nichts“, war aus dem Zelt zu vernehmen, worauf beide wieder am Eingang erschienen. Es waren nicht viele Zelte, die da standen. So an die 5, mehr oder weniger aufgerichtet. Zum Teil lagen die Stangen am Boden. Die drei Männer waren jetzt beim letzten Zelt und schauten hinein. Nichts Verdächtiges. Also traten zwei von ihnen ein, während der Dritte nach gewohnter Manier Wache hielt. Sie hatten jedes Zelt gründlich inspiziert und alle Gegenstände rausgeholt, welche sie nun zentral im letzten Zelt aufbewahren wollten. Die übrigen Zelte sollten dann umgestellt werden, so dass es wie eine Wagenburg aussah. Einer der beiden Männer schrak plötzlich hoch: Da war eine Schlange aus einer Handtrommel gefahren und hatte ganz knapp seinen Arm verfehlt. Ohne einen entsprechenden Reflex wäre der Mann jetzt gebissen worden. Die Schlange war halb aus der Trommel herausgekommen und hatte ihren Vorderkörper drohend aufgerichtet. „Es ist eine Aspisviper!“, bemerkte der andere Mann, „Wir sperren sie am besten in die große Büchse. Du weißt: Diese große Runde für Gebäck.“ Aber wie sollte man der wehrhaften Schlange habhaft werden? Eine Stange mit Schlinge wäre in einem solchen Fall angebracht, aber woher? langsam wichen die beiden zurück und verließen das Zelt. „Was ist los?“, wollte der Dritte wissen. Eine kurze Lagebesprechung, und einer der 3 begab sich zum nächsten Zelt, das halb zusammengefallen war. Mit einer Stange und Zeltschnur kam er zurück. Bald hatten sie so was ähnliches wie ein Lasso an einer Schiene konstruiert. „Vielleicht klappt es ja beim ersten Mal!“, munterte der Anführer seine beiden Gefährten auf. Wie sie es gewohnt waren, blieb einer der Männer am Eingang des Zeltes und ließ seinen Blick durch die Gegend schweifen. Scharf beobachtete er jedes Versteck. Nichts durfte seinen Augen entgehn. Zu gefährlich war das Leben in der verwüsteten Landschaft Europas. Nicht nur hier, sondern an vielen Stellen gleichzeitig hatte es Erdbeben und Eruptionen gegeben. Tausende kamen schon allein um, weil sich unter ihnen urplötzlich die Erde auftat und sie in Sekundenschnelle verschlang. Diese Vorgänge liefen so plötzlich ab, dass niemand hätte helfen können. Wie aus dem Nichts waren die Risse da, und ebenso schnell schlossen sie sich wieder, als wäre nichts geschehn. In solchen Augenblicken klang die Redewendung, nach der man mit beiden Beinen fest auf der Erde stand, wie Hohn. Wo war denn die Sicherheit geblieben? Eilers musste unwillkürlich grinsen, als er daran dachte.
Wie lächerlich sich doch alle gebärdeten! Jeder wusste es besser. Ja klar. „Ich hab sie!“, tönte es aus dem Zelt. „Bingo!“, bemerkte der Andere. „OK.“, sagte Eilers, „Dann wollen wir unser Tierchen mal in Sicherheit bringen. Thomas, holst du die Büchse?“ Man hatte in einem der Zelte Klebeband gefunden, das nunmehr gute Dienste tat. Zuvor wurde die Blechbüchse mit Atemlöchern versehn, damit die Schlange nicht ersticken konnte. Inzwischen hatten die Männer sich gemütlich eingerichtet im größten Zelt. Alles war soweit nebenan aufgeräumt und gut verstaut. Die Übrigen hatten sie als Halbkreis angeordnet. Für den modernen Menschen, den Städter besonders, mutete ein solcher Anblick wohl sehr befremdend an. In Wildwest-Filmen tausendfach gesehn, diente angesichts der fortschrittlichen Verteidigungsmethoden eine Wagenburg eher der Belustigung des Publikums. „Ich denke“, bemerkte Henk van Brinck, „Dass ich die erste Wache übernehme. Es ist besser, wenn wir ausgeruht sind. Ich meinerseits bin noch nicht müde“. Ja, das war den Andern recht, lagen sie doch so schön gemütlich da.
Die Sonne hatte die Luft ausgetrocknet, so daß man sehr bald sehr durstig wurde. Immer öfter hatten beide eine Pause einlegen müssen „Wenn es hier wenigstens ein Straßenschild gäbe!“, sagte Stella in Galgenhumor. „Ja, und ein edles Restaurant!“, konterte Binjaschar. In der Ferne war eine Wolke zu sehn. Sonst nichts weiter. Unwillkürlich zog die Wolke beider Blicke auf sich, so daß sie genauer hinschauten. War es nicht eher eine Rauchsäule, die da aufstieg? Wind gab es leider keinen, der sie hätte abkühlen können „Joschiah, was ist das?“, fragte sie und sah ihn an. Er starrte weiter gradeaus und raunte unverständlich. „Es hilft nichts“, begann er schließlich, „Wir sind bestimmt schon gesehn worden und werden erwartet.“ Also strebten sie jetzt zügigen Schrittes auf den Rauch, oder was es war, zu. Der Weg führte sie durch eine Senke und war wesentlich weiter, als er schien. Während dieses unendlich vorkommenden Wanderns kamen ihnen tausend Gedanken in den Sinn. Wer oder was wartete ihrer da drüben? Wenn es schlimmstenfalls die Banditen waren, die auch noch sie ausrauben und umbringen würden? Aber welche Chance hatten sie denn? Es war ein Kreislauf der Gedanken und führte zu nichts. „Was hältst du davon, wenn wir jetzt erst mal beten?“ Diese Frage kam so resolut, und Binjaschar war sehr überrascht. Gleichzeitig schämte er sich, nicht selbst auf den Gedanken gekommen zu sein. „Klar, ja. Wird wohl das Beste sein.“, stammelte er verlegen. Während sie gingen, legten sie ihren weiteren Weg und auch ihr Befinden in die Hände des himmlischen Vaters. Die Senke war geschafft. Sie blieben erst mal stehn und mussten sich kurz ausruhn vom beschwerlichen Aufstieg zum gegenüberliegenden Rand. Jetzt konnten sie schon mehr erkennen: Da standen 4 oder 5 Zelte. So genau war es nicht auszumachen. Jemand patrouillierte offenbar hin und her. Ab und zu wandte er seinen Kopf zu ihnen rüber. Sie waren schon lange entdeckt worden. Wie konnte es angesichts der baumlosen Landschaft auch anders sein? Unvorstellbar, dass vor der Erdbebenkatastrophe hier noch Wälder gestanden hatten! Als beide auf ungefähr 1 km herangekommen waren, hob der Mann einen Arm senkrecht in die Luft. Schweigend sahn Stella und Binjaschar sich an. Ein süßes Lächeln war auf ihrem Gesicht! Binjaschar bemerkte wieder einmal mehr die Schönheit seiner Begleiterin. Glücklich der Mann, der diese Prachtfrau heiraten würde! Schon wandten sie sich wieder zu den Zelten und grüßten zurück. „He, ihr da drin, wir bekommen Besuch!“, rief Neusser leise ins Zelt, „Ein Mann und eine Frau. Sie haben eine Trage dabei.“ Diese Trage war das Zelt, auf dem sie alles Hab und Gut transportierten. Jeder der Beiden hielt je eine Stange. Die Stangen waren an ihren anderen Enden zusammengebunden, so dass es ein dreieckiges Tuch ergab, in dessen Mulde sich sehr gut Einiges unterbringen ließ. Von Weitem rief der Mann etwas. Zwei weitere Leute gesellten sich zu ihm und grüßten ihrerseits. Jetzt kamen zwei von ihnen auf Stella und Binjaschar zu. „Hallo, macht ihr gerade einen Ausflug?“, empfing sie einer der beiden Männer. „Ja, so ungefähr“, lachte Binjaschar zurück. Es war sehr erholsam im großen Zelt. Sie saßen beim Tee zusammen und berichteten einander von ihren Erlebnissen. „Gestatten, mein Name ist Thomas Neusser. Er hier heißt Henk van Brinck und der Herr zu meiner Rechten ist Stephan Eilers“. „Angenehm.“, sagte Stella, „Stella Romana heiße ich. Der Kavalier neben mir heißt Joschiah Binjaschar“. Die Männer schauten einen Augenblick überrascht auf Binjaschar, wohl wegen seines ungewöhnlichen Namens. Binjaschar indes zog es vor, noch nicht zuviel zu erklären und hoffte im Stillen auf Stella´s Zurückhaltung. Stella war normalerweise impulsiv und für jeden Spaß zu haben. Das konnte aber auch zu unüberlegten Dingen führen. Binjaschar wusste: Wenn ein Mensch die Verbindung mit Adonai einging, war er noch nicht sofort verändert auf ganzer Länge. Die schwerste Hürde lag ausgerechnet beim Charakter. „Ja, also, wir sind Tierwärter. Das Erdbeben hat im Safaripark voll zugelangt. Sieht aus wie nach ner Bombe!“, berichtete Henk van Brinck, den seine Kameraden auch Brinki nannten, „Dabei ist uns Einiges entwischt. Wir suchen bisher ohne Erfolg unsere 10 Zebras. Ein paar Giraffen halten sich im näheren Umkreis auf. Ist ja kaum verwertbares Futter da, außer Gras. Ja, dann haben wir noch verschiedene Antilopen, Löwen, Affen...“ „Was? Löwen, weiße vielleicht?“, rief Binjaschar aufgeregt. „Ja, warum? Habt ihr welche gesehn?“, warf Neusser ein. „Wann und wo?“, fragte Stephan Eilers ernst. Dann erzählten die Beiden von ihrer unliebsamen Begegnung der weißen Art. „Oha!“, versetzte Henk, „Dann wirds ernst! Das war Simba, unser Mischling. Zwischen Tiger und Löwe. Der Vater ist ein Tiger und und wurde bei uns geboren. Die Löwin kam als Leihgabe vom Bronx-Zoo. Simba hat bisher noch nie irgend jemanden auch nur angefaucht, geschweige denn seine Krallen gezeigt! Wenn eine Katze sowas tut, dann ist sie entweder verwundet oder hat nie gelernt, Beute zu reißen. Und genau das lernen unsere Tiere nicht. Denn sonst gäbe es bald nur noch sie, und alle anderen Tiere fänden sich in ihren Bäuchen wieder.“ Henk wandte sich an Thomas Neusser und fragte ihn leise, ob er das Gewehr bereit hätte. Ein Nicken war Antwort genug. „Es ist zwar ein überaus wertvolles Tier, aber das darf nicht passieren. Wenn es einmal einen Menschen getötet hat und sogar gefressen, dann ist es nicht mehr zu verantworten.“ Damit endete Henk´s Erklärung, und Neusser packte das Gewehr aus, das er sorgfältig zusammen setzte und wartete. Nach gründlicher Inspektion nahm er es mit nach draußen. „Haben wir nur das Eine?“, wollte Binjaschar wissen. Henk sah ihm in die Augen. Konnte er seinem Besuch trauen? Aber Binjaschar´s ehrliches Gesicht zeigte keinerlei Anzeichen von Arglist. „Ja, wir haben nur das hier.“, antwortete er, und möglichst beiläufig fügte er hinzu: „Kannst du damit umgehn?“ Binjaschar verneinte. Nie hatte er bei der IDF gedient, sondern war bislang nur ein, zwei mal für mehrere Wochen im Land seiner Väter gewesen. Auch Stella schien keine Ahnung zu haben von Waffen. „Na gut, Joschiah“, bemerkte jetzt Stephan Eilers, „Wenn du Wache hältst, dann ruf rechtzeitig! Ohne Waffe wirst du eine zweite Begegnung mit Simba nicht überleben.“ Binjaschar zögerte, doch er musste es sagen: „Henk, da ist noch was“, fing er an, „was ihr wissen müsst: Wir waren zu 8, als man uns überfallen hatte. Stella und ich konnten ihnen entkommen. Was mit den Andern ist, wissen wir nicht. Henk, was können wir nur tun?“ Jetzt sah Henk einen verzweifelten Mann vor sich. Diese Bombe schlug voll ein. Nein, mit sowas hatte Henk nicht gerechnet. Er fuhr Binjaschar an: „Man, das erfahre ich erst jetzt? Was denkst du wohl, wieviel wertvolle Zeit wir durch deine Heimlichtuerei inzwischen verloren haben? He? Du denkst wohl, du bist allein auf dieser verbrannten Welt, was?“ Binjaschar schlich sich sehr kleinlaut aus dem Zelt. Henk holte tief Luft, um sich einigermaßen zu beruhigen. Da trafen sich ihre Blicke: Stella sah ihn an. Nein, er konnte keinen Vorwurf lesen aus ihrem Gesicht. Es war eher die Frage, ob das jetzt wirklich hätte sein gemusst.
Henk stand sofort auf und begab sich nach draußen, wo Binjaschar still in die Ferne schaute. Henk stellte sich neben ihn und legte seine Hand auf Binjaschar´s Schulter. Dieser reagierte nicht. „Joschiah, wir müssen wissen, wann und wo das war. Wenn sie noch leben, müssen wir sie retten. Denk an Simba! Und nicht nur Simba ist da draußen unterwegs. Wir hatten 5 weiße Katzen, von denen ein Weibchen wahrscheinlich Nachwuchs bekommen hat. Kannst du dir vorstellen, wie nervös es dann ist? Außerdem läuft eine Horde Paviane rum. Die verstehn auch keinen Spaß. Wir haben nur das eine Gewehr und 500 Schuss, mehr nicht. Du denkst, das sei viel? Nein, nicht unter diesen Umständen: 5 hungrige Katzen, aggressive Affen und ganz nebenbei noch ein paramilitärischer Haufen Scheiße! Na bravo!“
Am nächsten Morgen knieten 5 Leute über eine Karte gebeugt und versuchten, die Lage zu sondieren. „Entweder, wir brechen alle gemeinsam auf, oder wir lassen es bleiben.“, sagte Stephan Eilers, „wir sind nur 4 Männer und eine Frau. Nur 3 von uns können wirklich mit der Waffe umgehn. Ihr beide seid noch zu unsicher damit.“ Thomas Neusser fügte hinzu: „Wir müssen zusammenbleiben. Sonst haben wir keine Chance, durchzukommen. Gut, ihr kamt später dazu. Aber ihr habt großes Glück gehabt, sonst gäb es euch jetzt nicht mehr.“ „Nein!“ Stella sah entschlossen jedem der drei Tierwärter in die Augen. „Nein, ohne G'tt wären wir nicht zu euch gekommen. Ohne Ihn gäb es uns nicht mehr. Wir haben zwar jetzt eine Waffe, aber die kann uns schnell entwendet werden, wenn die Banditen uns hier überfallen. Und was dann? Nein, ohne G'tt hätten wir es nicht geschafft zu euch.“ Die Männer sahn einander wortlos an. Thomas Neusser räusperte sich verlegen. Da lenkte Henk ein, weil er jede unnötige Spannung vermeiden wollte. „Also, wir wissen jetzt, wo wir suchen können. Zumindest liegen diese Punkte im Bereich größerer Wahrscheinlichkeit“, während er mit dem Finger auf markierte Stellen der Karte wies, „Was ist, wollen wir sofort los?“ Ja, sie wollten keine weitere Zeit verlieren. Nachdem alles zusammengepackt und verstaut war, setzte sich der Zug in Bewegung. Es war etwas beschwerlich, mit 5 Zelten und allerlei Gegenständen vorwärts zu kommen. Zwar hatten sie eine Trage gebaut, aber es dauerte länger, als wenn sie ohne Lasten unterwegs wären. Sie wechselten einander ab: Jeder hielt je 1 Ende der Stangen, während der 5. im Bund als bewaffnete Eskorte fungierte.
Binjaschar dachte immer wieder nach über den überraschenden Einwurf Stella´s. Wie die Andern das wohl einordneten? Wie sollte er selber sich jetzt verhalten, da die Katze schon aus dem Sack war? Würde es zu einer Art Machtkampf kommen zwischen Intellekt und Erfahrung der einzelnen Mitglieder ihrer kleinen, verschworenen Gemeinschaft? Er hoffte, daß Stella´s impulsives Temperament sie nicht zu unüberlegten und naiven Sachen verleitete, die dann einfach nur noch peinlich wären. Ein Ruck. Was war los? Fragend sah er nach vorn, wo Henk mit der Waffe im Anschlag aufmerksam in die Ferne starrte. Binjaschar folgte seinem Blick. Da war ein kleiner heller Fleck, der sich langsam bewegte. „Wollen wir hoffen, dass es nicht Simba ist.“, sagte Stephan Eilers gedämpft. Er dachte an die vielversprechende Zuchtgruppe, die sie doch wieder einfangen wollten. Auf der anderen Seite war da die große Gefahr, die von hungrigen Katzen ausging, besonders von Denen, die schon Menschen getötet hatten. Simba musste so bald als möglich gestellt werden! „Henk, kannst du erkennen, wer es ist?“, fragte Neusser. Henk schwieg. Seine Augen suchten die Gegend ab. Irgendeinen sicheren Platz brauchten sie, damit ein Rückzug nicht zu weit für sie war, falls nicht nur diese eine Katze sich dort aufhielt. Sie mussten eng beisammen bleiben. Eine Vereinzelung durften sie nicht riskieren: Entweder die Tiere waren zusammen, oder diese Verbrecherbande lauerte ihnen auf. „Stella, du hast das Fernglas bei dir. Gib es mir mal.“, unterbrach Henk schließlich die Stille. Also setzten sie die Trage ab und warteten gespannt. „Nein, es ist ein Tiger. Sieht nach Burmi aus. Doch warte mal, nein, das ist Maharadschah“ Burmi war ein Halbbruder Simba´s und hatte den Tiger Maharadschah zum Vater, während seine Mutter eine Tigerin war. Maharadschah war kräftig und konnte sich gut behaupten gegenüber den andern Tieren. Gleichzeitig war er aber der Umgänglichste und zahmer als ein Hund. Zu den Wärtern hatte er eine gradezu verschmuste Beziehung. Aber wie konnten sie ihn jetzt betreuen? Maharadschah hatte die Gruppe nicht bemerkt, als sie sich ihm auf 900 Meter näherte. Er war gemächlich durch das Ginsterdickicht geschlichen und ließ sich dort nieder. Henk nahm aus der Seitentasche seines Overalls das Halsband mit der Leine heraus. Thomas Neusser hatte ihn begleitet. Von den Dreien war er der beste Schütze. Schon alleine aus Vorschriftsgründen wollten sie sich nur mit Waffe einer freilaufenden Großkatze nähern. Die beiden Männer wussten, dass auch ein zahmes Tier sich bei plötzlichen Geräuschen erschrecken konnte und aus Kurzschluß das Falsche tat. Genau deshalb gaben sie sich keine Mühe, lautlos an Maharadschah heranzukommen. Im Gegenteil: Sie riefen ab und zu seinen Namen, das Verlässlichste bei einer Begegnung unter diesen Umständen. Sie waren auf 20 Meter heran, als der Tiger sich erhob und in ihre Richtung sicherte. Da war was, wo er gelegen hatte. Es sah fast aus, wie...
„Ein Tier! Er hat Beute gemacht.“, bemerkte Henk. Der Größe und Fellfarbe nach handelte es sich wahrscheinlich um eine Antilope oder um ein Reh. Henk musste Maharadschah von seinem Riss weglocken. Anders konnten sie sich nicht in seine unmittelbare Nähe wagen. Eine Katze versucht stets, ihre Beute zu behalten. Der Instinkt ist ihm einprogrammiert, so kann er nicht anders handeln, als auf Abwehr zu gehn. „Wenn Maharadschah, der nie gelernt hatte, wie ein Tiger sein Opfer zu überwältigen, es doch geschafft hatte, dann muss das Tier wohl nicht zur Flucht in der Lage gewesen sein“, schlossen van der Brinck und Neusser. Maharadschah blieb noch immer bei seiner Mahlzeit stehn und sah zu ihnen rüber. Jetzt begann er, leise zu röhren. Er rief, aber nach wem? Waren es die Männer, oder befanden sich tatsächlich die andern Katzen in der Gegend? Angestrengt lauschten sie, doch keine Antwort kam von weiter weg zu Maharadschah. Er schien unschlüssig zu sein, was er tun sollte. Langsam kam er jetzt auf die Beiden zu und blieb wenige Meter vor ihnen stehn. Während Henk ihn leise lockte, besah Neusser ihn sich genau, konnte aber weder irgendeine Wunde feststellen, noch verhielt sich Maharadschah ungewöhnlich. Er konnte also bisher nicht in einen Kampf mit Menschen verwickelt gewesen sein. Endlich kam Maharadschah ganz nah und leckte Henk´s Hand. Henk beugte sich zu ihm herunter und streifte seinen Kopf an Maharadschah´s. Diese Geste der Begrüßung ist vertreten bei allen Katzen, seien sie klein oder groß. Jaaa, jetzt ließ er sich kraulen. Ob er auch das Halsband akzeptierte? Vorsichtig ließ Henk ihn daran schnuppern und legte es ihm um. Behutsam schloss er es. Maharadschah verhielt sich so, als hätte es die Zeit nach der Katastrophe nie gegeben. Endlich! Wenigstens ihn hatten sie nicht verloren. Ob er auch Stella und Binjaschar als Freunde betrachten würde, musste sich in den kommenden Minuten entscheiden. Ohne Eile schritten die Männer mit ihrem Tiger zu den Übrigen zurück. Während der ganzen Zeit beobachtete Henk ihn genau. Nichts durfte ihm entgehn. Wenn Binjaschar sich unangenehm an die blutige Begegnung mit Simba erinnert fühlte, konnte das ihre Reise erschweren. Auch Stella hatte ja große Angst ausgestanden bei der Sache.
Sie kamen. Stephan Eilers hatte den Beiden das Wichtigste erklärt. Binjaschar wäre jetzt wirklich lieber woanders gewesen, als noch mal in der Nähe eines solchen Tieres. Was mit Stella war, konnte niemand so genau erkennen. Still stand sie da und sah in die Augen des Tigers. Maharadschah hob seinen Kopf und sah in Eilers´ Gesicht. Dieser hockte sich vor ihn und strich ihm durchs Nackenfell. Langsam führte Henk ihn zu den beiden Fremden. Was würde jetzt geschehn? Maharadschah musterte sie so genau, wie sie ihn. Binjaschar streckte zögernd seine Hand aus. Maharadschah schnupperte ausgiebig daran. Jetzt tat er einen Schritt auf Binjaschar zu und ...rieb seinen Kopf an dessen Beinen. Binjaschar war es nicht zuzumuten, allzu stürmisch auf diese Begrüßung zu antworten. So kraulte er Maharadschah´s Nacken. Stella, was würde sie tun? Bewegungslos wie eine Schaufensterpuppe stand sie da und ließ Maharadschah´s Gruß über sich ergehn. Abwechselnd sah sie auf den Tiger und auf Henk. Sie wusste aufgrund ihrer langjährigen Forschungstätigkeit, wie stark das Gebiss eines Tigers war. Dass der sein Maul jetzt so direkt an ihre Hand und Beine hielt, war ihr doch sehr unbehaglich! „So, das wäre geschafft!“, bemerkte Henk endlich, „Ich bin zufrieden mit euch. Maharadschah übrigens auch.“ Henk war der Versierteste im Umgang mit Großkatzen. So ergab sich, daß er nicht mehr als Ablöse für die Trage zur Verfügung stand. Neusser verstand sich zwar am Besten mit dem Gewehr, aber Henk hatte auch damit keine besonderen Schwierigkeiten, auch wenn er es nicht so schnell und genau handhaben konnte.
Kaum von ihnen bemerkt, hatte sich der Nachmittag angemeldet. Ihr allmählicher Hunger erinnerte sie an ihre gewohnte Essenszeit. Womit aber sollten sie Maharadschah bei Laune halten? Zu dumm, sie hatten vom Kadaver nichts mitnehmen können, weil sonst ihr weißer Freund die Sache mißverstanden hätte. Außerdem mochten sie ohnehin nicht allzu gern die Berührung mit Aas, angesichts der mangelnden Waschgelegenheiten verständlich. „Henk?“, erklang etwas zaghaft die Stimme Stella´s, „Du sagtest doch was über den Rythmus einer Katze. Ich meine, was machen wir eigentlich nachts? Maharadschah kann doch unmöglich gehalten werden von einem Pfahl?“ Auch Binjaschar legte jetzt die Stirn in Falten. „Meine Dame, mein Herr, ihre Reisebegleitung besteht aus 3 ausgebildeten und erfahrenen Tierpflegern, die,“ und jetzt sah Henk seine beiden Kollegen an, „genau die richtigen Leute für diesen Job sind und Ihr volles Vertrauen verdienen.“ „Außerdem“, fügte Eilers hinzu, „ist Maharadschah ein guter Wachtposten. Wir werden also ab jetzt eine Doppelwache haben, abgesehn von seinem Bedarf an Schlaf. Maharadschah wird wohl, wenn er Nachtschicht hat, während der Mittagszeit seine Ruhe brauchen. Für uns ist es ebenfalls gut, nicht in der größten Hitze zu wandern.“ Dem stimmten Alle zu.
Die Buschgruppe bot ihnen nur dürftigen Schatten, doch war das allemal besser als direkt in der trockenen Luft und Sonne zu sitzen. Henk hatte sich soeben erhoben und lehnte sich an einen der Stämme, mit überkreuzten Füßen, das Gewehr lässig nach unten haltend. Stella saß auf einer der Kisten, die ihnen als Gepäck diente, und hatte die Augen halb geschlossen. Binjaschar stützte seinen Kopf in beiden Händen und döste leicht vor sich hin. Thomas Neusser hatte sich mit Stephan Eilers die ermüdende Mittagspatroille geteilt, so dass beide Männer sich außerhalb der Büsche in der prallen Sonne aufhielten. Maharadschah lag ausgestreckt zu Henk´s Füßen und gönnte sich endlich mal den so nötigen Tiefschlaf. Insgesamt fühlten sich die Tierwärter an ihre zeitweisen Aufenthalte in Afrika erinnert, nur dass die typische Geräuschkullisse der Zikaden fehlte. Zwar ließen die verschiedenen Heuschrecken Ähnliches entstehn, doch war es längst nicht zu verwechseln. Selten kam es vor, dass man eine Feldgrille zu hören bekam- zu sehr hatten die in der Landwirtschaft eingesetzten Gifte ihnen zugesetzt. Wenn überhaupt empfindlichere Insekten überlebten, dann als Lebendfutter in irgend einer Zuchtanstalt. Falls also doch wider Erwarten ein solches Tier sich hören lassen würde, so müsste dies ein Hinweis auf nahgelegene Ansiedlungen sein, aus denen die Feldgrillen entkommen konnten. Deutlich unterschieden sich Feld- und Hausgrille, Letztere nannte man auch Heimchen, in ihrem Aussehn und Gesang. Die Feldgrille klang ziemlich eintönig, wobei sie sich im Tempo steigerte und schließlich sehr ausdauernd im selben raschen Rythmus verblieb. Ganz anders hingegen klang das Heimchen: diese Grille begann, ähnlich der Feldgrille, unregelmäßig, um ihrerseits einen gleichmäßigen Takt zu halten. Doch sie war nie so schrill, sondern klang insgesamt etwas verhaltener und, sofern man das behaupten konnte, melodischer. Ihr Takt blieb wesentlich ruhiger, während Feldgrillen vergleichsweise aggressiv anmuteten. In längeren frostfreien Perioden, wenn das Thermometer beständig über 10°C blieb, verbreiteten sich die Heimchen über weite Flächen, sofern ihnen genügend Unterschlupf zur Verfügung stand. Ihnen fehlte nämlich, gegenüber ihren winterharten Verwandten, die Fähigkeit, sich Wohnröhren zu graben. Auch in diesem unnormal warmen und grellen Sommer begegnete den Wanderern hin und wieder der vertraute Gesang eines Heimchens. Den typischen Klang war man gewohnt von Bäckereien, beheizten Ställen und Scheunen, sowie überhaupt ländlichen Einrichtungen. Dass hier überhaupt wärmebedürftige Insekten existieren konnten, war nicht etwa in mangelnder Hygiene zu sehn, sondern diese Tiergruppe erwies sich als überaus lebensfähig. Ihnen war mit der chemischen Keule kaum beizukommen, so dass auch der `moderne´ Mensch noch immer unter Stechmücken, Milben und ähnlichen Nettigkeiten zu leiden hatte.
„Henk, kannst du das Gewehr entbehren?“, fragte Thomas Neusser leise, um niemanden aufzuwecken. Henk hatte die Waffe eigentlich nur für den Notfall parat, falls unglücklicherweise Maharadschah von einem kranheitsübertragenden Tier gestochen würde. Denn leider musste man in Zeiten von Katastrophen vermehrt auf Tollwut gefasst sein. Doch die routinegemäße medizinische Kontrolle war bis dato zufriedenstellend ausgefallen, so dass Henk ihm ohne Bedenken das Gewehr aushändigte. „was ist bei euch los?“, fragte er Thomas. Dieser bedeutete ihm, dass der Nachmittag die Schatten länger werden ließ und seine selbstaufziehende Uhr mittlerweile 18,30 meldete. „Oh, dann hat Mararadschah ja sehr lange geschlafen!“, war Henk´s Feststellung. „Ist ja auch nicht verwunderlich bei dieser müden Hitze!“, bemerkte Binjaschar, der sich etwas aufgerichtet hatte und jetzt räkelte. „Außerdem“, sagte Neusser ganz nebenbei, „läuft da so ein langbeiniger schwarzweißer Vogel rum...“ „Ähm, den willst du also schießen?“, fragte ein halb amüsierter Henk. „Wusstest du nicht, wie wohlschmeckend so ein Strauß ist?“, frotzelte Neusser zurück, „Nein, Henk, wir wollen uns ja so gerne mit einem Privatzoo umgeben...!“ „Aha, du vermisst wohl die Schlangenschlinge, he?“, witzelte Henk. Dieses Gerät hatte ihnen ja gute Dienste erwiesen beim Einfangen des Reptils, das leider noch immer in seinem engen Behältnis ausharren musste und gelegentlich eine Maus bekam. Schlangen können praktischerweise bis zu 1 Jahr ohne Nahrung auskommen, etwas, das ihnen angesichts ihrer Lage sehr zugute kam. Eine ungeschickte Bewegung reichte ja, um das Tierchen zum Beißen zu reizen. Es dauerte nicht lange, und Henk erschien mit besagtem Gerät. Ihre Zelte hatten sie mit den Eingängen direkt im Schatten der Büsche platziert. „So, kann losgehn!“, forderte Henk seinen Kollegen auf, der die Fangstange entgegennahm. Obwohl Henk eigentlich erwartete, endlich mal wieder eine kleine Abwechslung zu erhaschen, machte Neusser keine Anstalten, ihn dafür einzuladen. Schade- aber hier war es wenigstens erträglich, im dürftigen Schatten der Büsche. „Na denn viel Spaß!“, war sein Gruß. Trotz Müdigkeit stand Stella jetzt grinsend auf: Das Schauspiel wollte sie sich nicht entgehn lassen! Auch Binjaschar´s Neugier war geweckt, so dass er ebenfalls beobachtete, wie Neusser sich jetzt langsam, aber sicher dem großen Vogel näherte, während Eilers dem Tier einen Rückzug abzuschneiden versuchte. Solch ein Strauß wurde nicht zu Unrecht Laufvogel genannt... Eben weil seine Fänger ganz schön laufen mussten!
Wie alle seine Verwandten, so war auch dieser Strauß ausgerüstet mit langen, kräftigen Beinen, die in Zehen mündeten, und zwar mit wirksamen Krallen. Solch ein Strauß versteht es, gut zu zielen. Außerdem nicht zu unterschätzen sind bei diesen Tieren die kräftigen Flügel, mittels denen sie ebenso kräftige Ohrfeigen verteilen können, sobald sie eine solche Maßnahme für angemessen halten. Jedenfalls stand unser Strauß den wilden Verwandten in nichts nach, was allen Beteiligten ein munteres Rodeo bescherte! Eilers konnte von Glück sagen, dass ihm der Flügel nicht einen Schlüsselbeinbruch eingebracht hatte, so knapp schwang die Schwinge an ihm vorbei! Neusser versuchte nun schon zum bestimmt 10ten Mal, dem Kickboxer endlich die Schlinge über den langen Hals zu streifen, doch bisher wich der Vogel immer zur passenden Zeit aus, wobei er schnell abdrehte und seinen Hals geschickt aus der Selben zog. Da, ein kurzer Aufschrei von Eilers! Neusser sah ihn an, doch dann erkannte er, wie der Strauß ebenso überrascht guckte, und im selben Moment war die Schlinge um den Hals des Schlingels gelegt. Von ferne erklang Applaus, wie das halt bei Rodeos üblich ist...
Ein Strauß ist vorsichtig, wenn es um seinen Hals geht. Und wenn sein Hals mal wirklich in der Klemme steckt, weiß sein Träger, daß jede heftige Bewegung unklug ist und man am besten ganz ruhig stehnbleibt. Also antworteten die beiden Fänger auf den Applaus mit grazialen Verbeugungen. Durch das Lachen, Pfeifen und Rufen hatte auch Maharadschah aus dem Land der Träume in die Realität zurückgefunden, doch er fand das nicht so gut. Mit Brummen tat er sein Missfallen kund, aber da war auch schon Henk bei ihm, um seine Laune zu heben. Wie sehr doch die Gewaltigen beeinflusst werden können durch ein bisschen Kraulen! Schließlich kam das ungleiche Trio beim Lager an. Maharadschah fixierte den Langhals, dieser wiederum schaute ihn an, und beide kratzen sich verlegen mit ihren Läufen am Kopf. Ein wirklich seltsames Schauspiel war das! Doch die Tiere kannten ja den Anblick ihres Gegenübers. Nuja, alte Bekannte eben.
Die Gruppe hatte sich um den Tisch versammelt und war in angeregter Unterhaltung begriffen. Die Stange mit Schlinge und darin befindlichem Straußenhals hatte man in einer für den Vogel angenehmen Höhe befestigt. Stella war es, die den für Frauen unvermeidbaren Einwand äußerte: „Und wie sollen wir weiterziehn- soll jemand ständig die Stange hochhalten?“ Leises Kichern kam von Henk, als ob dieser nicht begriffen hätte. Stella´s Mimik sprach Bände! Da gab Eilers freundlich Auskunft: „Also, Stella, was du nicht wissen kannst, also, dieser Strauß hat nicht nur tagaus, tagein im Safaripark rumgestromert, sondern wir Pfleger achten sehr darauf, dass unsere Schützlinge nicht vor Langeweile entarten. Das heißt also...“ jetzt machte er ein spitzbübisches Gesicht, „richtig: Beschäftigung ist angesagt! Also, wie für fast alle Tiere, außer Fischen und Amphibien, gibt es auch für Strauße geeignete Geschirre. Ja, meine Dame,“, sagte er jetzt im Ton eines Fremdenführers, „Sie haben richtig gehört! Also, da gibt es eine Art Sulki für Strauße. Der für Pferde ist etwas zu breit geraten, daher haben Tüftler eine den Straußen angepasste Gabel modifiziert. Wir machen uns diese glorreiche Erfindung zunutze“, sprach er nun in feierlichem Ton, „und binden die Stangen der Trage an den Halfter unseres Dorian.“ „Wie nennt ihr das arme Tier?“, protestierte Stella, „Do-ri-an?“ Etwas verdutzt schauten die Tierpfleger sie an, als wenn sie fragen wöllten, ob was nicht stimme mit diesem so eleganten und würdevollen Namen, wie sie empfanden. Jedenfalls schüttelte Stella immer wieder den Kopf, während sie leise „Dorian!“ vor sich hinmurmelte. Die Männer grinsten einander an, und jeder dachte sich so seinen Teil, dass Frauen wohl so sein müssten, und überhaupt. Wie Männer halt so reagieren!
Der Beifall war eifrig, und Binjaschar machte wirklich eine gute Figur, so elegant wie er sich hielt! Irgendwie schienen Dorian und er sich von Anfang an gemocht zu haben. Während sonst niemand so leicht auf Dorian´s Rücken blieb, ließ er Binjaschar ohne Widerstand gewähren. Ob dieser wohl besonders leicht gebaut war, konnten selbst die routinierten Pfleger nicht beurteilen, so groß war der Unterschied zwischen Binjaschar und ihnen wieder nicht. Klar, Stephan Eilers war besonders robust in seiner Anatomie, doch glichen seine beiden Kollegen Binjaschar in der Statur. Dorian schien jedenfalls genau zu wissen, wen er an sich rankommen ließ. Nun ja, jetzt hatte die kleine Gemeinschaft auch eine eigene Reiterei! Wer konnte wissen, ob diese neue Komponente nicht schon sehr bald von großem Nutzen sein würde? Denn sie hatten jeden Tag an die räuberische Bande gedacht, welche beständig für sie eine latente Bedrohung darstellte. Einen Toten hatte es ja mindestens gegeben, wenn auch das Gesicht des Mannes nicht mehr zu erkennen gewesen war. Weder Stella noch Binjaschar hatten die Leiche untersuchen können. Der Körper war unauffindbar, und nur typische Schweinespuren zeugten vom dessen Verbleib. Ob irgend welche Schwarzkittel überlebt hatten oder Hausschweine entlaufen konnten- das war jetzt sowieso egal. Die 5 wussten, dass Schweine Aasfresser sind und keineswegs wählerisch. Das Risiko, ein erlegtes Schwarzwild zu essen, war jetzt, nach den Katastrophen, um so größer. Außerdem war klar, dass Binjaschar sie mehr oder weniger überzeugt hatte, dass Schweinefleisch ohnehin aufgrund der Nahrungsaufnahme dieser Tiere nicht so geeignet sei. „Als Paarhufer“, sagte Binjaschar, „kann das Schwein zwar gewisse belastende Stoffe ausscheiden, doch es käut nicht wieder, verwertet die Nahrung demnach nicht so effektiv und lagert also mehr ungesunde Stoffe im Fleisch, als wenn es wiederkäuen würde. Wir erkennen das schon am Fetthaushalt: Sein Fleisch ist nie so mager wie bei Wiederkäuern. Außerdem“, fügte er hinzu, „belastet sich ein Aasfresser und Jäger mit dem Blut der Beute. Im Blut“, erklärte er, „ist das Leben. Das ist auch der Grund, warum der Schöpfer auf Mord die Todesstrafe angeordnet hat!“ Und bevor jemand protestieren konnte, zitierte er auch schon die Passage im sogenannten Fünfbuch, auch bekannt als Pentateuch. „Wer auch immer das Blut eines Menschen vergießt- ob Mensch oder Tier- dessen Blut soll vergossen werden durch Menschenhand.“, gab Binjaschar diese bedeutungsschwere Anordnung wieder. „Und warum hat Gott es so angeordnet?“, fragte er in die Runde. Sogar Stella wusste nichts darauf zu sagen. „Thomas, sicher hast du gelegentlich eins der Tiere erschießen müssen, aus verschiedenen Gründen. Kann es sein, dass es auch mal aufgrund eines Übergriffs auf einen Besucher geschehn musste?“ „Thomas hat sowas noch nicht machen müssen“, meldete sich Henk zu Wort, „aber ich.“ Henk sah sehr ernst in jedes Einzelnen Augen, als die Erinnerung wieder vor ihm Revue passierte. Man merkte ihm das Trauma an, das nach so vielen Jahren noch immer sein Herz quälte und ihm so manche schlaflose Nacht bereitet hatte. Doch es musste ja jetzt gesagt werden, und Henk fasste Mut. „Es war vor mittlerweile 15 Jahren“, begann er in einer tonlosen Stimme, als sei sein Hals trocken, „Wir hatten grade eine Sendung Antilopen ausgeladen und stellten die Kisten nebenander. Als ich die erste Kiste öffnen wollte, hörte ich Timba brüllen. Timba war ein Prachtkerl von Massailöwen, hoffnungsvoll für die Zuchtgruppe. Doch da war das Kind. Irgend wie war der Junge aus dem Auto seiner Eltern gesprungen und hinten um den Wagen herumgelaufen. Timba war unter der Robinie aufgestanden und sah das Kind auf sich zukommen. Wir standen wie gelähmt und waren unfähig, zu reagieren. Alles ging so schnell.“ Henk schaute verzweifelt in die Runde, mit Wasser in den Augen. „bevor ich wenigstens in die Luft schießen konnte, hatte Timba den Jungen schon gepackt und ihm in den Kopf gebissen. Der Junge starb noch auf dem Weg ins Krankenhaus.“ Jetzt nickte Henk, als er sich an Binjaschar wendete: „Ja, das mit dem Töten des Tieres, das muss schon sein. Besonders bei solchen Tieren!“ Leise hatte Henk sich erhoben und begab sich ins Zelt. Niemand wollte ihn stören. Stella und Binjaschar beteten innerlich für diesen Mann, den die Vergangenheit so brutal eingeholt hatte.
Die Abendschatten wuchsen allmählich zusammen, und Kühle breitete sich aus. Die 5 saßen beisammen und starrten gedankenverloren ins niedrige Feuer. Dorian hatte sich auf den Boden gekauert und nestelte seinen Schnabel durchs Gefieder. Bald würde er seinen Kopf unter eine seiner Schwingen stecken. Hier bei den Menschen hatte er nichts zu befürchten und konnte für längere Zeit ruhn. Henk hatte keine Ambitionen, zu schlafen. Also wollte er die erste Nachtwache übernehmen. Auch Stephan Eilers hatte sich einteilen lassen. Neusser und Binjaschar hatten die ganze Zeit ab mittags bis zum Abend patrouilliert und waren froh, jetzt entspannen zu können. Nach gelegentlichen Wortwechseln begaben sich die 3 nach und nach zu ihren Schlafplätzen, wobei Stella als einzige Frau ihr eigenes kleines Zelt bekam. Die Nacht verlief ruhig, nur ab und zu brummte ein Insekt in der Dunkelheit. Insgesamt war die Welt wesentlich dunkler geworden, weil durch die zurückliegenden Katastrophen die Stromversorgung weitgehend zusammengebrochen war, so dass weder Städte noch größere Ortschaften die sonst immer so typischen Lichtkoronen erzeugten. Die vertrauten Stimmen und Geräusche der Nacht umschmeichelten die beiden Wachen. Ein warmes Lüftchen vertrieb zeitweise die Kühle, die alle Pflanzen und Gegenstände mit Tau bedeckte. Nur der kahle Boden blieb fast ganz trocken, doch jeder Stein darauf war befeuchtet. Ein gellender Schrei schreckte die Wache auf. Kam das nicht aus Stella´s Zelt? Sofort stürzten sich beide Männer in die Richtung. Was war nur geschehn? Vielleicht nur ein böser Traum, der Stella geängstigt hatte? Leise hofften die Männer sowas. Henk war soeben in Sichtweite des Zeltes, als ein Fauchen Maharadschah´s Anwesenheit verriet. Sofort hielt Henk das Gewehr in Anschlag. Vorsichtig schob er mit dem Lauf den Eingang auf, als er Stella´s weit geöffnete Augen sah. Sie zeigte auf etwas. Ja, da kauerte ein Mann und starrte ängstlich auf Maharadschah, der ihn mit gelben Augen fixierte und ab und zu seine Zähne zeigte. Sofort erkannte Henk die Situation: Maharadschah erwies sich als treuer und guter Wächter. Energisch griff Henk den Arm des Fremden und führte ihn ab. Maharadschah wurde wieder ruhig und begleitete die beiden Männer. Sofort war auch Eilers zur Stelle, wenige Schritt hinter ihm standen etwas verstört Binjaschar und Neusser. An Schlaf war vorerst nicht zu denken. Der Fremde musste sowieso erst gut festgebunden werden. Das unvermeidliche Verhör gestaltete sich als äußerst zäh. Der Gefangene nannte lediglich einen Namen, Faisal Emirolu hieße er. Ob er allein gekommen sei, wollte Binjaschar wissen. Als Emirolu, oder wie er auch immer hieß, noch immer nichts sagte, versetzte Eilers ihm eine heftige Backpfeife, die seine Finger noch einige Tage an der Wange des Fremden zeigte. Nun ja, vielleicht konnte Maharadschah ihn zum Reden bringen, überlegte Henk laut. Maharadschah wurde herangeführt. Da stand er und sah dem Fremden in die Augen, doch ohne auch nur seine Nase zu rümpfen. Der Fremde indes geriet ins Schwitzen und starrte auf diese große Katze. Endlich brach er sein Schweigen und beteuerte, er würde alles sagen, was man von ihm wissen wolle, wenn sie nur das Tier von ihm fernhielten. Maharadschah wurde lediglich wenige Schritt zurückgeführt, so dass der Fremde ihn ständig im Hintergrund wusste. Das verlieh dem Ganzen doch Nachdruck, so dass er mit nichts zurückhielt. Und was er sagte, war höchst intressant und zugleich befremdend:
Ja, er gehöre zur Bande, die vor Tagen das Camp überfallen hatte. Einer seiner Leute sei dabei umgekommen, an den Folgen einer alten Verletzung, die nie richtig verheilt war. Diese Wunde war während des Handgemenges wieder aufgegangen. Er habe sich abgesondert und sei zusammengebrochen. Emirolu habe nur noch den Tod feststellen können. Doch der Kampf war ja in vollem Gang, so daß niemand sich um den Toten kümmern konnte. Emirolu habe ihn anschließend gesucht, um ihn zu verscharren, doch er fand nur noch verstreute Knochen, die fast alle mehrfach gebrochen waren. Der Schädel war offenbar stark bearbeitet worden, wie von einem wütenden Mob oder, und ängstlich wies der Mann auf Maharadschah, von solch einem Tier. Wo die Andern sich jetzt befänden, wüsste er selbst gern, sagte Emirolu. Auch wisse er nicht, was mit dem überfallenen Camp geschehn sei. Ja, jetzt erkenne er auch zwei der Überfallenen wieder, gab er zu und wies auf Stella und Binjaschar. Ob er weitere dieser weißen Katzen gesehn habe, wollte Neusser hören. „Ja, nördlich von hier. Da halten sich zwei auf. Ungefähr 20 km bin ich gegangen, bis ich zu euch kam. Ich hab Durst und wollte was trinken. Da habt ihr mich erwischt.“ „Gut!“, erscholl jetzt Eilers Stimme, und weiter in bestimmtem Ton: „Wenn du uns dahin bringst, gibt es auch jeden Tag Wasser! Doch erst ab Morgen, jetzt werden wir schlafen.“ Faisal wagte nicht, zu protestieren. Da lag nämlich diese große Katze, und nur wenige Meter trennten sie voneinander. Er starrte Maharadschah an, während der sich genüßlich leckte und mit halbgeschlossenen Augen alle Viere ausstreckte. Wecke nie den Löw im Schlaf, so heißt ja ein bekanntes Sprichwort. Faisal Emirolu blieb angebunden sitzen und war sehr müde. Mehrmals wachte er auf, weil ein Brummen und Knurren ganz in seiner Nähe war. Er wusste nicht, ob durch seine unbequeme Lage hervorgerufenes eigenes Schnarchen oder der weiße Löwentiger ihn geweckt hatte. Er sehnte den Morgen herbei, der Licht und Wärme bringen würde. Grade war er im Begriff, wieder einzuschlafen, als Geklapper ihn zurückholte. Mit dicken Augen und schwindeligen Schläfen sah er sich um. Hinter ihm bewegte sich die Frau und goss Wasser in eine Blechkanne, die Emirolu sofort als traditionelles Modell für Tee und Mokka erkannte. Diese Kanne bestand aus 3 Teilen: der eigentlichen Kanne, einem Aufsatz und einem Sieb. Man konnte den Tee im Aufsatz direkt brühn, was jedoch nur Freunde extrem herben Geschmackes bevorzugten. Meistens füllte man den Tee ins Sieb, nachdem das Wasser im Aufsatz kochte. Sodann wurde das Sieb abgenommen, der Aufsatz angehoben und das Sieb über die Kanne gehalten. Aus dem Aufsatz ergoß sich das heiße Wasser und passierte den Tee im Sieb, um in der vorgewärmten Kanne zu landen. Die Frau, deren Name ihm entgangen war, schien diese Technik seit klein auf zu kennen. Heimlich fragte er sich, ob sie ebenfalls zu einem der vielen moslemisch geprägten Völker gehöre. Dann hätte er vielleicht eine Verbündete gehabt, und nach der gemeinsamen Flucht auch gleichzeitig eine Sklavin. Die Religion des Mondgottes war eine Diktatur: Der Mondgott als Herrscher, von dem alles abhing und seine menschlichen Sklaven. So stellte ebenfalls die moslemische Ehe dies Verhältnis dar, diesmal war die Frau die Sklavin. In der türkischen Tradition mussten die Kinder Angst haben vor ihrem Vater, aber Vertraun zu ihrem Großvater. Wenn also, was oft genug vorkam, ein Kind gedemütigt worden war vom Vater, kam es zum Großvater, bei dem es Trost empfing. Doch der Großvater ging nie so weit, seinen Sohn zu rüffeln. Nein, dies Gesetz der Angst musste aufrecht erhalten werden. Zwar gab es immer Familien, bei denen der Vater heimlich mit seinen Kindern schmuste, während er bei Besuch den Herrscher mimte. Die Kinder verstanden das Spiel schon sehr früh und unterstützten ihren Vater bei der Schauspielerei. Es waren stets diese gesellschaftlichen Zwänge, die einen echten Fortschritt auf medizinischer, sozialer, industrieller und landwirtschaftlicher Ebene behinderten, wenn nicht gar verunmöglichten. So war IsraEl vor 1945 eine von plündernden Beduinenscharen beherrschte Wüste, deren Kultivierung angesichts der Beduinen sehr mühsam vorankam. Die den wenigen jüdischen Einwohnern und jüdischen Heimkehrern aufgezwungenen Kriege bremsten ihrerseits die Rekultivierung des einst blühenden Landes. Überall war es das Selbe: wo Moslems vorkamen, starrte die Welt von Müll und Seuchen. Offenbar waren die Moslems weder fähig noch willens, Initiative zu ergreifen. Lieber hielten sie sich Sklaven, die für sie alle Drecksarbeit erledigten. Warum also behaupteten die Medienleute steif und fest, Jerusalem und Stätten wie Abraham´s Grab seien den Moslems heilig?
Besonders schlimm erging es da den Juden und Christen, die unter moslemischer `Obhut´ ihr kärgliches Dasein fristen mussten. Der alltägliche Terror war seit Generationen zum Bestandteil des `Lebens´ inmitten tausender Moslems geworden, so dass man froh war, bislang einigermaßen davongekommen zu sein. Selbst im Heiligen Land erging es den Juden und Christen ebenso schlimm. Hier kam noch der europäische Hochmut seitens Engländern und Franzosen hinzu. Die Juden hingen gleichzeitig zwischen mehreren feindlichen Fronten, und nur durch G'ttes Beistand konnten sie das alles überstehn. Leider waren sehr wenige der Ihren einsichtig in diesen Tatbestand.


Zuletzt von Eaglesword am So 23 Sep 2018, 21:48 bearbeitet; insgesamt 5-mal bearbeitet
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Tage danach Empty die Reise 3

Beitrag von Eaglesword Sa 09 Apr 2011, 20:43

„Guten Morgen, die Herrschaften!“, rief Stella fröhlich und verteilte die Tassen um den kleinen Klapptisch. Binjaschar erschien als Erster im Freien und räkelte sich ausgiebig. Er gähnte herzhaft, wohl wissend, dass Gähnen bei den Moslems verpönt war, weil im Kuran stand, dass der Mondgott dem Gähnen abhold sei. Binjaschar genoss die Tatsache, dass diesmal ein Moslem in ihrer Gewalt war und sich fügen musste. Zu seinem Vergnügen schritt Dorian zum Gefangenen und wuselte mit seinem Schnabel durch dessen Haar. Mit schmalen Augen versuchte dieser, so gut er konnte, dem verspielten Vogel auszuweichen. Henk war es, der Dorian mit einem Kraut lockte, so dass dieser den Gefangenen vorerst vergaß. Schließlich saßen alle beisammen und schlürften ihren Tee. Emirolu fand sich damit ab, dass für ihn keine Tasse bereitet war. Außerdem kannte er die Sitte der Sulha: Jemand wurde zur Verhandlung eingeladen und musste still warten, während die Gastgeber sich fröhlich unterhielten und frischen Tee tranken. Erst als sich ihre Aufmerksamkeit der Verhandlung mit dem Geladenen zuwendete, durfte dieser sprechen und sich verteidigen. Ganz zum Abschluss der Verhandlung musste er aufstehn, den kaltgewordenen, bitteren Tee bis auf den letzten Tropfen leeren und gehn.
Von den Anwesenden kannte jedoch nur Binjaschar diese Sitte. Nicht einmal Stella war von ihm darüber unterrichtet worden. Doch jetzt, als Binjaschar genug vom Tee hatte, wusch er sorgfältig seine Tasse mit heißem Wasser, schenkte ein und bat Eilers, den Mann loszubinden. Emirolu stand auf, streckte sich und rieb die Handgelenke. „Hier, auch du bekommst was!“, sagte Binjaschar und reichte ihm die Tasse. Emirolu wusste, dass Binjaschar Jude sein musste. Seine Augenbrauen waren breit, und auch die übrige Physionomie war typisch jüdisch. Der Moslem handelte nach einer uralten Taktik: Sie nannten es "den Frieden Saladin´s". Dieser Kurde hatte damals ein bestimmtes Volk nicht bezwingen können. So brachte er ihnen ein Friedensabkommen, und nach Jahren griff er sie ohne Warnung an und überrumpelte dies arglose Volk. Nach der selben Taktik war auch Arafat vorgegangen, bevor er an einer Krankheit starb. Als Moslem handelte auch Faisal Emirolu nicht anders: Er machte gute Mine zum bösen Spiel und nahm die Tasse dankend in Empfang. Man ließ ihm Zeit, um in aller Ruhe den Tee zu trinken, soviel er wollte. Als Emirolu seinen Durst gestillt und die Tasse wieder abgegeben hatte, band Eilers ihm erneut die Hände zusammen, wobei er sie jedoch an einem Ende der Tragestangen befestigte. Sollte der Gefangene ihnen doch auch als Träger nützlich sein! Emirolu erkannte, dass er es nicht mit naiven Leuten zu tun hatte. Er musste also besonders geschickt vorgehn, um diese 5 zu erledigen. Denn die Frau, so wusste er, war alleine zu schwach gegen ihn. Mit ihr würde er noch viel Spaß haben, waren die Männer erst mal beseitigt. Emirolu zeigte sich also besser kollaborativ, um erst gar kein Mißtrauen zu schüren. Was er noch nicht wissen konnte, war, dass Joschiah Binjaschar den Männern auch einiges über die moslemischen Maschen verraten hatte. Auch Stella wusste, wie sie sich zu verhalten hatte, erst recht als gläubige Frau, die dem Herrn vertraute. Emirolu ahnte nichts von der unsichtbaren Macht, die diese Gruppe zusammenhielt und besonders aktiv war in diesem Juden und der Frau.
Sie waren fast am Ziel angelangt. „Nach dieser Erhebung kommt eine Senke“, sagte Emirolu. Dort oben, fast am höchsten Punkt, stand eine breit ausladende Robinie, umgeben von einigen Ziersträuchern. Schwarze Balkenreste verrieten, wo einst das Gartenhaus gestanden hatte. Durch die Balken war schon Heide gewachsen und erreichte teilweise Kniehöhe. Es musste also viel früher abgebrannt sein, bevor sich die Katastrophen ereignet hatten. Thomas Neusser stutzte. Sofort hielt er das Gewehr in Anschlag. Leise raunte er: „Bleibt hier! Da ist was!“ Angestrengt versuchten sie, irgend ein Tier auszumachen, doch wollte es ihnen nicht gelingen. Neusser war mittlerweile bis auf wenige Meter an den Baum herangekommen, als er offenbar jemanden ansprach. Dann wandte er sich zu den Übrigen um und bedeutete ihnen, zu kommen. Erst konnten sie noch nichts erkennen, doch als auch sie kurz vorm Baum angelangt waren, bot sich ihnen ein Bild des Elends: Da war ein Mann am Baum gelehnt, er lag mehr, als dass er saß. Die Kleidung war zerfetzt und ließ jeden mit Schaudern erkennen, wie malträtiert er war. Voller tiefer, infizierter Wunden, als habe ein Tier ihn zugerichtet oder irgend welche Banditen. Der Mann war schon sehr geschwächt und brachte kaum ein verständliches Wort hervor. Emirolu war es, der jetzt aufschrie: „Ali, mein Bruder!“ Sofort ergriff Henk die Initiative: „Los, stellen wir rasch ein Zelt auf! Gut, noch eins zusätzlich dabei zu haben!“ „Können wir jetzt gut gebrauchen!“, ergänzte leise Eilers. Das Zelt war in wenigen Minuten aufgebaut, und vorsichtig hatten sie den Verwundeten gebettet, so gut es möglich war. Diesmal brauchte Emirolu gar nicht erst aufgefordert zu werden, er berichtete freiwillig über diesen Mann: Ali Akbar hieße er. Ja, er gehöre ebenfalls zur Bande, die das Camp überfallen hatte. Doch mehr wüsste er, Emirolu, auch noch nicht. Wenigstens etwas, wenn auch nicht viel. Allmählich drängte sich ihnen eine andere Frage auf: Hatten sie überhaupt genug medizinische Hilfsmittel für den Mann? Was, wenn ihnen weitere solcher Funde begegneten? Für ein Lazarett freilich waren sie absolut nicht ausgerüstet. Zwar hatten die Tierpfleger gewisse operative Erfahrungen, die zum Teil auch bei Menschen angewendet werden konnten, doch ohne Geräte, Besteck und Wundbehandlung waren sie hier in der Pampa ziemlich hilflos. Die Katzen durften ausgerechnet jetzt nicht zu ihnen kommen, es war zu gefährlich. Nach genauer Untersuchung der Wunden war Henk sich sicher, dass diese nicht von den Katzen stammen konnten. Zu tief waren die Einstiche, die er vorfand. Weder Eckzähne noch Dolche waren hier beteiligt. Er konnte sich einfach nicht erklären, was vorgefallen war. Die Kratzer waren wieder zu oberflächlich, um von Pranken verursacht worden zu sein. Dennoch sahn sie wie das Werk von Krallen aus. Doch hatten die eine seltsame Anordnung: sie waren jeweils nur paarweise. Auch Straußenhiebe schieden völlig aus, denn dann wäre der Mann regelrecht aufgeschlitzt worden. Bei diesen Verwundungen handelte es sich jedoch nur um tiefe Stiche mit einem runden, gebogenen und zugespitzten Gegenstand und eben die oberflächlichen Kratzer. Kein ihm bekanntes Tier passte in das Schema. Er beriet sich darüber mit seinen Kollegen, doch auch sie konnten sich keinen Reim aus dem Befund machen. Faisal Emirolu war vertraut mit ungewöhnlichen Mordmethoden. Doch als er sich die Wunden ansah, schüttelte er nur langsam den Kopf. Nein, sowas hatte er noch nicht gesehn. Erschüttert und ratlos zog er es vor, zu schweigen. Was hätte er auch sagen können? Ihm war das Ganze ebenso ein Phänomen wie den Übrigen. „Es gibt“, sagte Stella nach einiger Zeit, „keine Kralle, die eine solche Länge hat. Außerdem sind es Stiche und keine Risse. Nur ein Stachel käme da in Frage, doch solch großen Insekten oder Skorpione oder Spinnen gibt es nicht. Zumindest sind sie der Wissenschaft völlig unbekannt. Sehn wir uns genau die Form an. Was fällt uns auf?“ Stella gab den Männern Zeit, sich ein Bild zu machen. Binjaschar war es, der zögernd einen Vergleich anbrachte: „Es muss ein Stachel sein, wie ihn Wespen tragen.“, und nach Sekunden: „oder Skorpione“ Doch was für einen Sinn ergab ihr Grübeln? Binjaschar machte auf einmal große Augen, und kalte Schauer ließen ihn erzittern. Mühsam versuchte er, den Gedanken zu verarbeiten. „Freunde, habt ihr kurz nach den Katastrophen im Radio etwas gehört vom großen Meteoriten?“ Stella hatte damals von der Sache mitbekommen, und als sie noch im Keller zusammen waren, hatten sie es auch lebhaft diskutiert. Aber jetzt wusste Stella nicht, welchen Zusammenhang der Aufprall mit dem Verwundeten haben sollte. Binjaschar sah jedem der Umstehenden ernst in die Augen, als er begann: „Wenn wir gefunden haben, wonach wir suchen, werden wir es schwarz auf weiß nachlesen können.“, und nach einer Pause fasste er endgültig Mut: „Im verbotenen Buch“, und bei dieser Bemerkung schaute er Stella kurz und eindringlich an, „steht etwas über genau diesen Meteoriten oder was es war. Da finden wir, wie der Ort heißt, nämlich genau die Stelle des Aufpralls. Weiter lesen wir da was über den Rauch, der aus dem Abgrund, also dem Grabenbruch, aufgestiegen ist. Und weiter steht da was über seltsame Tiere, große Tiere. Ja, über sowas wie Heuschrecken mit Skorpionsschwänzen. Diese stechenden Heuschrecken können allerdings nur verletzen, doch keinesfalls töten. Mit ihren Flügeln, wird berichtet, veranstalten sie einen Lärm wie von pferdegezogenen Wagen. Ihr kennt ja noch die Planwagen aus den uralten Filmen? So in etwa muss sich das anhören. Oder wie das Geknatter von Helikoptern. Und genau das hatten einige Leute behauptet, dass ihnen solche Wesen begegnet seien, als sie sich in der Nähe des Aufpralls aufgehalten hatten. Freunde, ich weiß nicht, was es sonst war, aber jetzt kommen weitaus schlimmere Dinge auf uns zu, als nur diese Quälgeister von Heuschrecken. Bald, sehr bald darauf wird die Hälfte der Menschheit sterben!“ Binjaschar sah jeden genau an. Er hoffte insgeheim, dass er jetzt nicht als Spinner daständ. Henk räusperte sich verlegen, mit gesenktem Kopf, und schaute jetzt langsam auf. Er glaubte nicht an die Bibel, doch diese Wunden mit Helikoptern allein zu erklären, erschien ihm unsinnig. Ob vielleicht irgend welche Vorrichtungen an den Maschinen solche Wunden hervorrufen konnten? Immer noch verlegen, versuchte er seine Erklärung: „Joschiah, ich weiß, du bist überzeugt von dem Buch. Es ist auch sehr intressant, wie ähnlich der Einsturz verlaufen ist. Auch das mit dem Rauch kann ich nachvollziehn. Doch wie innerhalb weniger Tage solche Rieseninsekten entstehn können, kann mir niemand weismachen. Ich denke, dass irgend welche Militärs da was Oberübles veranstalten. Jedenfalls fehlt jeder Hinweis auf Gift in den Wunden. Die Infektion bei so tiefen Löchern kommt unausweichlich nach wenigen Tagen. Doch warum sind sie uns noch nicht begegnet? Hat vielleicht Faisal´s Bande damit zu tun?“, jetzt sah er scharf auf Emirolu, der nur verwundert den Kopf schüttelte. „Wir sind“, sagte dieser kurz, „nur zu Fuß unterwegs, höchstens mal beritten. Doch mit solchen Geräten kennen wir uns nicht aus!“ „Wie dem auch sei“, begann wieder Henk, „wir müssen uns was einfallen lassen, wenn es uns nicht auch so ergehn soll wie unserm Patienten. Ist uns das klar?“ ja, es war. Doch was konnten sie schon ausrichten mit nur 1 Gewehr und wenigen Packungen an Munition? Ein Glück, dass noch kein Schuss gefallen war! Sonst hätte das Gewehr, anstatt zu ihrem Schutz beizutragen, sie am Ende noch an die beiden gefährlichen Horden verraten!
Die Nachtwache gestaltete sich als anstrengend: Maharadschah konnte nicht gleichzeitig den angebundenen Emirolu beaufsichtigen und patrouillieren. Jetzt brauchten sie 3 Mann. Wer konnte schon wissen, wie nah eine der beiden Bedrohungen war? Sie kamen sich reichlich lächerlich vor, mit einem Verletzten, einem unberechenbaren Gefangenen und nur 1 Gewehr! Angesichts einer Bande von 20, 30 oder mehr und noch dazu einem Heeresverband waren diese 5 Leute trotz ihrer wehrhaften Tiere wie hilflose Kinder. Nur Binjaschar wusste, dass die fliegenden Angreifer ihre Tiere verschonen würden und einzig auf Menschen aus waren. Ob allerdings Maharadschah Mut und Geschicklichkeit haben würde, die Heuschrecken, falls es wortwörtlich welche sein sollten, zu überwältigen? Binjaschar seinerseits war fest überzeugt, dass der Herr dem Propheten Jochanan wirkliche Heuschrecken gezeigt hatte, obwohl bemannte Hubschrauber in der Tat eine große Ähnlichkeit aufwiesen mit einer Beschreibung von „Heuschrecken mit Menschengesichtern und Skorpionsschwänzen“. Weiter wusste er, dass diese „angewiesen wurden, die Vegetation auf der Erde nicht zu schädigen, sondern einzig die Menschen, die auf ihren Stirnen nicht G'ttes Siegel trugen. Den Heuschrecken wurde nicht erlaubt, sie zu töten, sondern ausschließlich, ihnen 5 Monate lang Schmerzen zuzufügen.“ Dann beschrieb Jochanan, dass der verursachte Schmerz zu vergleichen war mit einem Skorpionsstich. Binjaschar erinnerte sich ganz genau, was er selber gelesen hatte im "Neuen Bund". Über die Auswirkung auf das menschliche Verhalten konnte man erfahren, dass „in jenen Tagen die Menschen den Tod suchen und ihn herbeisehnen würden, ohne dass er einträte“ Doch was nicht zu Helikoptern passen wollte, war die genauere Beschreibung der Heuschrecken: Sie hatten auf ihren Köpfen „etwas wie goldene Kronen“, außerdem waren sie "langhaarig wie Frauen“. in der Antike trugen alle anständigen Frauen langes Haar. Kurzes Haar war eine Bestrafung, die man den Huren und Prostituierten zugedacht hatte. Das lange Haar hielt sich sogar noch bis zum Anfang des neuen Milleniums, wenn auch längst nicht mehr als Zeichen der anständigen, keuschen Frau. Immer mehr Jüdinnen und Christinnen hatten Kurzhaarschnitt, und viele wurden auf den ersten Blick mit Männern verwechselt. Zeitgleich ließen nur wenige Männer ihr Haar wachsen, so dass man diese von hinten wiederum für Frauen hielt. Jetzt schrieb man das Jahr 2015, und viel hatte sich verändert in Kultur, Mode und Lebensgewohnheiten. Das auf Gorbatschow´s Initiative stattgefundene Treffen mit führenden Köpfen aus Politik und Wirtschaft hatte ergeben, dass 20% der Weltbevölkerung ihre Arbeit behielten, während alle anderen 80% in die Röhre schaun durften und mittels Brot und Spielen bei Laune gehalten würden. Jetzt, ungefähr 30 Jahre später, war der unselige Plan brutale Realität geworden. Als unausweichliche Folgen entstanden überall schlagfähige Banden, die sich durch Plünderung und Gewalt ein möglichst großes Stück des kargen Kuchens verschaffen wollten. Zum Teil entbrannte täglich ein offener Krieg mit Polizei und Schutztruppen, zum Andern kollaborierten sie mit den Sicherheitskräften. Das neue Spiel namens Korruptionspoker verschärfte die Lage nur, satt irgend jemandem Erleichterung zu bringen. Oft konnte man beobachten, wie 3 oder mehr Banden zur selben Zeit ein Warenlager stürmen wollten. Immer gab es erstmal Tumult, bis geklärt war, wer das Vorrecht zum Plündern besaß. Die unterlegenen Banden mussten voller Prellungen und Wunden abziehn.
Binjaschar überlegte: die Dauer des Heuschreckenterrors war auf 5 Monate beschränkt. Wann also war der Meteor eingeschlagen? Dass es hierbei schon kein Meteorit mehr sein konnte, gaben die Behörden damals erst nach langem Zögern zu. So sprachen manche Leute außer von einem Meteoriten auch von einem Kometen oder dem großen Jahrtausend-Meteor. War ja letztendlich auch egal, dachte Binjaschar. Außer, dass "Meteor" in den anderen Sprachen `Herabgefallener´ bedeutete und `Stern´ gleichbedeutend war mit `Engel´, also ein ein direkter Hinweis auf dämonische Aktivitäten darstellte, war es ohne Bedeutung. „Sie hatten“, hieß es weiter über die Heuschrecken mit Löwenzähnen, „als König einen Engel des Abgrunds über sich, dessen Name in Hebräisch `Abadon´ ist und in den anderen Sprachen `Zerstörer´.“ Alles klar, soweit. Vor vielen Jahren hatte Rabbi Jah'El ihm diese Schriftstellen gezeigt. Ja, Binjaschar war informiert. Wann genau hatte sich diese Katastrophe ereignet? Er musste sich mit seinen Gefährten beraten. Ob sie sich noch an die ersten Meldungen erinnern konnten?
Die Morgendämmerung war nur von kurzer Dauer, wie jedesmal im Sommer. Doch dieses Jahr war das Erste einer neuen Ära in der Menschheitsgeschichte. Die Katastrophen der letzten Monate hatte es vorher noch nie gegeben. Meteore, das wusste Binjaschar, schlugen bislang nur 1 Mal ein: Zur Zeit, als die Menschheit voller Gewalt und Brutalität war. Gott hatte damals eine Generalreinigung beschlossen. „Es gibt“, so dachte Er, „leider keinen anderen Weg mehr!“ Einzig und allein 4 Ehepaare hatten das Gericht überlebt. Von diesen stammten die 3 Rassen der Menschheit ab. Man unterschied Negroiden, Mongoliden und Europiden. Alle Völker waren deutlich in diese 3 Zweige einteilbar. Was Noach und seine Frau anbelangte, so war ihr Erbgut noch hochkomplex. Bei ihren 3 Söhnen jedoch konnte man sehr deutlich die Differenzierung erkennen: Schem hatte leicht olive Haut, kurzes, schwarzes welliges Haar mit auffälliger Kräuselung, dunkle Augen mit starken Brauen und eine ausgeprägte, gewölbte Nase. Cham war von fast schwarzer Haut, hatte ebenfalls dunkle Augen, jedoch schmale Brauen. Eine kurze Nase mit breiten, flach anliegenden Flügeln ließ das Gesicht markant erscheinen. Ganz anders war Jefeth: Er war im Vergleich zu seinen dunklen Brüdern bleich, hatte blaue Augen und helles, strohfarbenes glattes Haar. Ein starker Bartwuchs unterschied ihn von Cham, dem jegliche Tendenz dazu fehlte. Schem schien in manchen Punkten zwischen seinen so gegensätzlich aussehenden Brüdern zu sein: Seine Augen waren nicht so schwarzbraun wie bei Cham, sondern hatten eher ein mattes Gelbbraun, mit leichtem Orangestich. Die Augen ihres Vaters Noach wiesen ein Graubraun auf. Diese Augenfarbe konnte man feststellen, als die Kinder Jefeth´s die von Schem heirateten. Die daraus hervorgegangenen Menschen hatten genau solche Augen wie ihr Stammvater Noach, während Cham´s Attribute sich bei allen Mischlingen durchzusetzen vermochte. Erst in der zweiten Generation hellte die Haut sich auf, so dass diese Nachkommen große Ähnlichkeit hatten mit Schem.
Inzwischen war der Horizont in intensives Rot getaucht. Aller Tau war längst schon verdunstet, und warme Luftzüge kündigten die Hitze des Tages an. Selten war ein Vogel zu hören. Ja, diese Tiere hatten wohl sehr viel eingesteckt infolge der Katastrophen. Die monatelange, niederschlagsarme Hitze dörrte alles aus, und nur Pioniere wie Ginster und weitere robuste Pflanzen konnten sich ausbreiten. Ein Trost waren die vielen, in mannigfachen Farben blühenden Sommerblumen, die sich allmählich mit wenigen weiteren Südeuropäern in Mitteleuropa etablieren konnten. Das Klima in Skandinavien und Nordosteuropa blieb stellenweise etwas kühler, besonders in Feuchtgebieten. Doch dort konnte kaum jemand wohnen, ohne den Sumpf zu zerstören. Feldfrüchte vertrugen nunmal keine Staunässe. Außerdem wimmelte es von überdimensionalen Stechmücken, deren Vermehrung durch das erwärmte Erdklima wesentlich rascher vor sich ging. So kam es in letzter Zeit oft vor, dass riesige Schwärme aus dem Norden nach Süden vorstießen. Wehe den Warmblütern, die davon überrascht wurden! Zwar starben die Mücken bald, weil sie nirgends ihre Eier ablegen konnten und für eine Rückkehr in die nördlichen Gewässer zu schwer waren, doch die zerstochenen Opfer durchlitten qualvolle Wochen. Manche Tiere starben an Schwäche. Überall gab es Orte, wo der Geruch von Verwesung in der Luft lag. Die mittlerweile zusammengeschlossenen Schutz- und Polizeitruppen bildeten mit dem Militär eine weltweite Kontrollbehörde, deren Führungskräfte zur Elite der global denkenden Esoteriker gehörte. Über den Weltempfänger hatte die Gruppe alle Veränderungen mitverfolgt und tauschte sich rege darüber aus. Insbesondere Binjaschar machte keinen Hehl daraus, dass ihnen eine Zentralregierung á la Strassbourg ins Haus stand. War schon die europäische Diktatur schlimm genug, so konnte sich die drastische weltweite Situation eigentlich nur noch steigern. Henk versuchte, eine pessimistische Stimmung abzuwehren und sagte, dass ja irgendein Gremium geschaffen werden musste, um die Weltbevölkerung nicht sich selbst zu überlassen. „Wir müssen uns eingestehn“, überlegte er, „dass eine Anarchie mit Clanwirtschaft genauso schlimm wäre. Überall hätten wir Wegelagerer, die Zoll von den Männern und Sex von den Frauen verlangen. Ist angesichts dieser Tatsache eine Ordnung nicht doch ein geringeres Übel?“ Und zu Binjaschar gewandt, fügte er hinzu: „Zu diesem Zweck, wenn ich deine Theologie richtig verstanden habe, soll uns doch die Obrigkeit dienen, oder nicht?“ Binjaschar pflichtete der Ausführung bei, jedoch unter Hinweis auf den Mißbrauch der Macht in totalitären Systemen. „Und, Freunde“, ergänzte er, „diesmal haben wir eine Lücke: Die Regionalregierungen sind zusammengebrochen. In dieses Vakuum werden die Strassbourger geeignete Posten installieren. Damit müssen wir rechnen, denn schon die Logik gebietet uns diese Erwägung. Amerika und Strassbourg, die beiden Mächtigen...“, sagte er mit nachdenklichem Gesicht, „Russland´s Linke und Rechte sind ja längst schon Waffenbrüder gegen die Freiheit und gegen mein jüdisches Volk. In der Bibel sehn wir, dass `Gog aus Magog´ eine starke Millitärmacht bilden wird, um Israel zu vernichten. `Gog´ bedeutet Deutschland, und `Magog´ Europa, wenn wir die biblische Landkarte betrachten. Wir kennen Deutschland ja als maßgeblichen Kopf des Europarlaments. Amerika besteht zum Löwenanteil aus Europa´s Kindern. Rußland wird auch bezeichnet als „der Mächtige aus dem äußersten Norden“, wie wir nachlesen können, wenn wir endlich das Versteck erreicht haben. Auch die Nordvölker sind erklärte Feinde Israel´s, wie uns die Mitglieder der GUS ja zeigen. Also braut sich unter den jetztigen Machtverhältnissen was zusammen!“ „Klar tut sich da was“, lenkte Eilers ein, „aber denkst du wirklich, Israel ausgerechnet sei ein Machtfaktor? Nur, weil es zentral gelegen ist und Afrika, Asien und Europa verbindet? Hast du deine Theorie nur aus der Bibel, die uns nicht einmal vorliegt?“ jetzt erklang eine helle Stimme: „Was, wenn uns nur noch die Bibel Auskunft geben kann?“, fragte die bisher schweigsame Stella. Die Männer waren verblüfft. Einmal über Stella´s unerwarteten Einwand, aber auch wegen dieses Gedankens. Ja, was wäre, wenn...? Die Bibel, wie sie ihnen von Binjaschar zitiert worden war, zeigte wirklich frappante Parallelen mit all den Geschehnissen um sie herum. Schweigend sannen die Tierpfleger vor sich hin. Sie hielten sich das Kinn oder klappten mit ihren Augen, während sie ins Feuer starrten. Instinktiv hielten Binjaschar und Stella sich zurück. Sie merkten, dass die 3 jetzt Zeit zum Nachdenken brauchten. Innerlich baten sie den Herrn der Ernte, seine Saat in ihnen zum Keimen und Sprossen zu bringen.
Der Tag war schon weit vorgerückt, und niemand hatte bisher ein Wort gesagt. Schweigend ging jeder seiner Aufgabe nach. Eine merkwürdige, behutsame Stille füllte den ganzen Platz, wo sich die Gruppe befand. Sie waren auf der Erhebung geblieben, solange der Verletzte noch liegen musste. Die Wunden waren gereinigt und sorgfältig mit Nylon vernäht. Jetzt mussten sie innerlich zuheilen. Wenigstens 1 Woche würde das Ganze wohl in Anspruch nehmen, hatten sie kalkuliert. Henk nahm das Gewehr an sich und ging auf der vor ihnen liegenden Seite die Senke hinunter. Er hatte ihnen kurz gesagt, dass er in spätestens 5 Stunden wieder bei ihnen sein werde. Als er das freundliche Nicken der Gefährten sah, vergeudete er keine weitere Minute mehr und marschierte talwärts. Grade war Stella bei ihrem Patienten, als ein etwas verlegener Eilers das Zelt öffnete und fragte, wie es dem Mann ergehe. Stella bat ihn erst mal herein. Als er in ihrer Nähe stand, kratzte er sich hinterm Ohr. Er wusste nicht, wo er anfangen sollte. Stella ließ ihm Zeit. Schließlich sagte er: „Das, was du da gesagt hast, also das mit der Bibel... ähm, ich meine...“ Jetzt sah er ihr direkt ins Gesicht. Sie nickte ihm ermutigend zu, und schließlich fasste er sich ein Herz und vertraute sich ihr an: „Also, Stella, ich bin ja nicht grade ein braver Bürger, und fromm bin ich überhaupt nicht.“ „Das muss man bei G'tt auch nicht sein!“, lächelte Stella ihn aufmunternd an. Eilers räusperte sich, um endlich zu sagen, was in seinem Herzen brodelte: „Also, Stella, ich hab noch nie mit diesem G'tt gesprochen und weiß nicht, wie man das macht. Ich meine, wie kann ich Ihn kennenlernen? Ich seh euch jeden Tag, wie seelenruhig ihr all das ertragt. Und dabei seid ihr auch noch frisch, ich meine fröhlich. Stella, was soll ich machen, um auch zu Ihm zu gehören?“ Stella wäre fast geplatzt vor Freude, doch er brauchte jetzt einfühlsame Begleitung. Immer noch voller Freude, bat sie innerlich den Herrn, sie zu beruhigen und ihr jetzt Weisheit zu schenken. „Lieber Stephan“, begann sie freundlich, „Wenn du nicht weißt, was du zu Ihm sagen sollst, kann ich dir dabei helfen.“ „Ja?“, fragte er aufgeregt und dachte: "Man, ich rede jetzt mit G'tt! Ich will es wissen, jetzt oder nie!" Stella sah entschlossen aus. „Gut“, sagte sie, „Dann lasst uns knien vor Ihm.“ Beide sanken auf ihre Knie und schlossen ihre Augen. „Herr, hier ist jemand, der klopft an Deine Tür.“, hörte Eilers, „Stephan, sprich mir einfach nach, wenn du keine eigenen Worte findest, ja?“ „O.K.“, war seine Antwort. Stella´s Stimme war ruhig und klar, als sie ihm langsam, mit Pausen, ein sogenanntes Übergabegebet vorsprach. Die Pausen waren für ihn, die Worte zu wiederholen. Sie brauchte gar nicht mehr weiter zu sprechen, als Eilers eigene Worte fand, um sein Verlangen dem Schöpfer und ihn liebenden Vater entgegen zu bringen. Es sprudelte so heraus aus seinem übervollen Herzen, dass Stella nur ab und zu leise „Ja!“, „Danke, Herr!“ und „Amin!“ sagte. Auf einmal hörte sie ihn schluchzen. Sollte sie ihm eine Hand auf die Schulter legen? Sie wusste nicht, ob ihn das ablenken würde und hielt sich zurück. Leise sagte sie ihm: Du darfst ruhig weinen! Du brauchst dich nicht zu schämen, weder vor Ihm noch vor mir oder irgend jemanden sonst!“ Das half ihm, und endlich erleichterte er sein bedrücktes Herz, zum 1. Mal vor G'tt.
Henk hatte das Tal erreicht. Gespannt hielt er Ausschau nach Spuren der Tiere. Da raschelte es leise schräg vor ihm. Das Gewehr im Anschlag, schritt er langsam darauf zu. Er nahm eine Bewegung wahr: Die dürren Grashalme teilten sich kurz, um sofort hinter den sich neu teilenden wieder zusammen zu kommen. Ein kleines Tier musste das wohl sein, und richtig: ein Igel schnuffelte da vor sich hin. Erleichtert atmete Eilers auf und schüttelte amüsiert seinen Kopf. „Etwas nervös, der Herr!“, neckte er sich selbst. Er ging leise ein paar Meter weiter und hielt inne. Hier war eine freie Fläche, von Steinen und Gras dominiert. Aufmerksam suchten seine Augen die Umgebung der Stelle ab, vielleicht waren ja die Katzen in der Nähe? Vorsichtig trat er aus dem Ginsterdickicht heraus. Augen und Ohren waren aufs Äußerste aktiv. Er war im Zentrum der Fläche angekommen, als er stutzte. Für einen kurzen Augenblick meinte er, einen weißen Schimmer auszumachen. Lautlos nahm er das Gewehr in Anschlag, nach allen Seiten sichernd. Langsam bewegte er sich auf den Punkt zu, wo er das Tier vermutete. Für einen Moment verhielt er: Hatte er nicht soeben ein Schmatzen gehört? Jetzt konnte er nicht länger schleichen, sonst hätte die Katze ihn als Feind betrachtet. Also rief er lockend alle Namen der Zuchtgruppe, bis auf Maharadschah, der ja oben auf der Anhöhe war. Langsam näherte er sich dem Punkt. Henk van Brinck fühlte sich wie ein im Halbdunkel Tappender. Er durfte nicht vergessen, zu rufen, jetzt, wo der Abstand sich zusehends verringerte. Da! Was war das? Ein seltsames Knacken und Rascheln verriet ihm, das irgend etwas wenige Meter seitlich von ihm vor sich ging. Er drehte sich in Richtung der Geräusche, leise rufend. Langsam schritt er die wenigen Meter voran und blieb abrupt stehn. Was da war, jagte ihm einen kalten Schauer über den Rücken, und er zweifelte fast an seinem Verstand. War das wahr, was er da vor sich mit eigenen Augen sah? Wortlos näherte er sich der unglaublichen Szenerie. Er nahm kaum zur Notiz, dass die Katze ihn mit ihrem Kopf begrüßte, sich mit ihren Vorderläufen an ihm stützte und sein Gesicht leckte. Das, was er da vor sich liegen sah, hatte ihn wie ein Donner gerührt: ein großes, grünbraunes Etwas mit 2 langen peitschenartigen Auswüchsen am Kopf und langen Flügeln! 6 Beine konnte er zählen. Der weiche Hinterleib war teilweise aufgerissen und gefressen. Eine zufriedene weiße Katze mit kugeligem Bauch lehnte sich noch immer an seine Seite. Als er sich von dem Anblick etwas erholt hatte, nahm er sich Burmi´s an. „Jaaa, mein Lieber!“, sagte er, als er den Kater kraulte. Henk sah sich noch mal nach dem Insekt um. Jetzt weiteten sich seine Augen: was war das da für ein rundes Ding in der Nähe des angefressenen Hinterleibes? Langsam ging er darauf zu, Burmi im Auge behaltend. Als er den Gegenstand aufhob, zeigte Burmi kein Intresse daran. Henk sah voller Staunen, was er da in seinen Händen hielt: Es war ein überdimensionaler Skorpionsstachel! Der Mann schüttelte seinen Kopf und murmelte: „Verdammt! Wer wird mir das glauben?“ Sorgfältig fasste er mit einer Hand um den Stachel. Mit der Anderen wollte er Kontakt zu Burmi halten. Die Pfleger hatten sämtliche verfügbaren Halsbänder und Leinen aus den Gebäuderesten des zerstörten Safariparks mitgenommen. Was die Giraffen betraf, so fehlten ihnen die Geräte, diese großen Langhälse einzufangen. Sie mussten ihnen den Freigang wohl oder übel gewähren, auch wenn es Verluste geben würde. Bei Zebras und weiteren Pferdeartigen brauchte man lediglich den Leithengst, um die ganze Herde zusammen zu halten. Die Herde blieb, wo er sich befand. Wie froh waren die Männer, dass ihnen die aggressiven Paviane noch nicht begegnet waren.
Stella stand ein wenig entfernt vom Lager. Sie hatte das Fernglas mitgenommen und beobachtete das Panorama. Ihr Blick schwiff langsam rundum. Weites Land, wie sonst nur in Mittelmeergegenden üblich, breitete sich nach allen Richtungen aus. Eine Macchie aus Ginster und Heide prägte die Landschaft. Selten war ein Jungbaum auszumachen, und es waren fast nur Pioniere wie Birken und Eichen. Die Sonne zauberte ein besonderes Bild: Man sah eine schwärzliche Fläche im Hintergrund, während nach vorn zu das Schwarz immer mehr dem charakteristischen Grün wich. Oberseits glänzten die einzelnen Ginsterzweige über dem dunklen Grund der beschatteten Teile. Plötzlich setzte Stella das Fernglas ab, wedelte mit ihrem rechten Arm und hüpfte dabei. Freudig lächelte sie in Richtung Tal. Von dort schwenkte jetzt jemand einen Gegenstand hin und her. Um was es sich hier handelte, konnte Stella nicht erkennen, doch sie war voller Freude, den Menschen wieder zu sehn. Als er ein gutes Stück näher gekommen war, wollte Stella ihm entgegeneilen. Doch jäh blieb sie stehn. Da war ja noch jemand bei ihm! Henk rief: „Stella, hol Thomas, ich brauche seine Assistenz!“ Stella hatte verstanden und eilte zum Lager. „Na, alter Freund? Jetzt gibt es ein Wiedersehn.“, sagte in knurrigem Ton Henk, als er Burmi ansah. „Und neue Freunde gibts auch!“, fügte er hinzu. „Und, um dir das nicht zu verschweigen, da sind auch 2 komische Kerle, auf die du aufpassen wirst. Na ja, du wirst gleich alle sehn.“ Kaum hatte Henk Burmi eingeweiht, kam auch schon Neusser das Tal hinunter. „Hier, Thomas, nimm die Leine an dich!“ Neusser griff die Schlaufe und begrüßte Burmi. „Hat Emirolu uns nichts von 2 Katzen gesagt?“, fragte Thomas jetzt. „Also“, gab Henk zurück, „mir ist nur Burmi begegnet...“ Und nach kurzem Zögern sagte er weiter: „Und das hier!“, wobei er den Fund hochhielt. Ungläubig starrte Neusser auf das Gebilde. Tonlos bemerkte er: „Das gibs nich!“ Er war sprachlos, genau so wie Henk, als dieser das Insekt mit eigenen Augen vor sich gesehn hatte. Neusser schaute Henk an, der nur vielsagend nickte. Von der Anhöhe drangen Rufe zu ihnen, und langsam setzten sie wieder ihren Weg fort. Oben gab es auch schon Freudebekundungen und Hallo. Endlich erreichten sie die Wartenden. Eigentlich wollte Henk das Fundstück hinter seinem Rücken verbergen, doch Neusser kam ihm zuvor: „Ihr könnt euch ja gar nicht vorstellen, was unser guter Henk noch da unten gefunden hat!“ Also gut, jetzt musste er ja das Teil vorzeigen. Mit ernstem Gesicht hielt er ihnen den Stachel entgegen. Da standen sie, mit aufgerissenen Augen und Mündern. Leise sagte Stella: „Das...“, doch weiter konnte sie nichts hervorbringen. Wortlos begaben sie sich zum Lager zurück. Erst hier brachen sie das Schweigen, und eine lebhafte Debatte begann. Der angebundene Emirolu verfolgte alles schweigend. Auch, als Binjaschar ihm den Fund zeigte und bemerkte: „Da, sieh! Die Bibel ist eben doch wahr!“, schwieg er und dachte nur kalt: „Wie schön für dich!“. Es war ihm als Moslem egal, wie viele Beweise diese Ungläubigen auch immer vorzeigen würden. Sein G'tt würde letztendlich alle diese Unreinen vernichten, bis die ganze Erde erfüllt wäre mit dem bekannten arabischen Ruf, der von Schreitürmen oder Anhöhen aus erscholl. Überall, vom Nordpol zum Südpol und von Amerika über Afrika bis hin zu Ostgrenze von Europa würde bald die Flagge des Halbmondes triumphierend im Wind flackern!
„Also, Leute“, unterbrach Henk´s Stimme die allgemeine Aufregung, „Ich muss schnell wieder ins Tal. Ähm, also, da liegt noch mehr von dem Zeug. Thomas, kommst du mit mir? Kann ja sein, unsere Nummer 3 schleicht noch da rum.“ Es war schon später Nachmittag, doch Henk drängte darauf, den Rest sofort zu bergen, bevor die zweite Katze Appetit bekam. Die beiden Männer nahmen den Kasten, in dem sonst das Gewehr lag, als grade und feste Unterlage mit. Jetzt schritten sie zügig voran, um keine Zeit zu verlieren. In wenigen Stunden mussten sie wieder zurück sein, wenn sie nicht von der Dunkelheit überrascht werden wollten. Die Andern kehrten wieder unter lebhaften Worten zurück zu den Zelten. Eilers hatte Binjaschar seine Entscheidung mitgeteilt. Hoch erfreut lagen sie sich in den Armen. Zusammen mit Stella hatten sie dann immer wieder kurze Treffen, um den Herrn, ihren G'tt, anzubeten und sich Rat von Ihm zu holen. Für Eilers war das alles noch ganz neu, und er musste sich erst mal auseinandersetzen mit der Tatsache, dass G'tt wirklich mit Leuten sprach, wie ein Mensch das tat.
Fast waren die beiden Männer bei der freien Fläche angekommen, als Neusser Henk am Arm hielt und mit dem Gewehrlauf auf einen Punkt zeigte. „Alles klar, Thomas“, beruhigte Henk ihn, „Das ist ein rotes Tuch, damit wir den Kadaver schnell finden und bergen können! Denn Burmi hat ihn angeknabbert. Wer weiß, welche Tiere noch Lust auf dies Futter bekommen?“ Angesichts einer solchen möglichen Begegnung beobachteten sie genau ihre Umgebung und riefen die Namen der noch nicht wieder aufgetauchten Katzen. Am Fundort angekommen, starrten sie auf das große Insektentier. Lediglich eine Maus war bei ihrem Kommen aufgeschreckt worden und floh aus dem angefressenen Hinterleib der Heuschrecke. Vorsichtig, unter Beachtung der Hebelgesetze, fassten sie das Tier und legten es auf den bereitliegenden Waffenkasten, den sie ruhig hochhoben. Darauf bedacht, es nicht vom Kasten rutschen zu lassen, stiegen sie wieder bergan. Trotzdem musterten sie aufmerksam, was um sie herum vor sich ging. Jetzt konnten sie wirklich keinen Besuch gebrauchen! Mit einer Hand hielten sie den Kasten, mit der Anderen das schon stinkende Tier. Neusser hatte Ihr Gewehr zwischen Hose und Gürtel festgeklemmt. Oben angekommen, würden sie das Tier aushölen und konservieren, so gut es ging. Sie brauchten wirklich nicht viele Worte zu verlieren über den Fund. Binjaschar´s Beschreibung stimmte absolut überein damit: Tatsächlich wies es eine für Insekten untypische Mähne auf, hatte lange Zähne und eben diesen Skorpionsschwanz. Die Gesamtlänge betrug wohl 2 Meter, als es noch lebte. Schaurig, von einem Schwarm dieser Monster angegriffen zu werden! Und bisher hatten sie wirklich verdammtes Glück, überlegte Henk. Sie waren auf halber Höhe, als hinter ihnen ein Brausen lauter wurde. Mit großen Augen schauten sie sich an und dann langsam nach hinten. Der Schreck fuhr ihnen ins Blut, als das Unfassbare direkt auf sie zukam. „Henk, was machen wir denn jetzt?“, schrie Neusser nervös. „Absetzen!“, rief Henk durch das laute Dröhnen des anrückenden Geschwaders. Kaum lagen Kasten und Kadaver zwischen ihnen, zog Neusser das Gewehr. „Halt!“, schrie Henk, „Wenn die uns schon wollen, sollen sie auch Spaß dabei haben! Lass die Biester nah genug rankommen!“ Doch schon im nächsten Augenblick erschienen die riesigen Insekten vor ihnen. Grade wollte Henk schreien: „Halt drauf!“, als auch schon die ersten Geschosse auf deren Köpfe klatschten. Doch einige prallten ab, so dass die Männer befürchteten, eine Selbstschußanlage vor sich zu haben. „Thomas, ziele zwischen die Augen, da sitzt das Gehirn!“, hörte Henk sich selber. In der Not bückte Henk sich und zog den Kasten unter dem Kadaver hervor. Im nächsten Moment schlug er damit wild auf die Tiere ein. Ein paar torkelten benommen zu Boden, doch es mussten mindestens 40 sein! Nur 5 der Insekten saßen immer noch desorientiert im Gesträuch, die Meisten schnellten sich mit ihren Sprungbeinen auf die Männer zu. Im Lärm der Flügel und Schüsse konnte man kaum noch seine eigene Stimme hören. Plötzlich sahn die Männer zwei weiße Helfer an sich vorbei rasen. Mit Gebrüll sprangen die Katzen hoch und rissen mit ihren Pranken die weichen Hinterleiber auf. Die Heuschrecken krümmten bedrohlich ihre Schwänze nach unten und versuchten, die Stacheln in die weißen Körper zu schlagen. Tapfer kämpften die Katzen. Die Munition war längst schon verschossen. Neusser hieb mit dem Kolben auf die Insekten ein. Allmählich hielten sich nur noch wenige der Tiere in der Luft. Was den Beiden Sorge bereitete, war, dass die Heuschrecken im Gesträuch nicht aufgegeben hatten und nun zu Fuß auf die 4 zukamen. Als endlich die letzte Heuschrecke zu Boden ging, rief Henk: „Rückzug! Vielleicht schaffen wirs!“ die Männer hetzten den Hang hinauf. Erst als ihnen die Luft ausging, blieben sie stehn und schauten zurück. Ihre Katzen waren unten geblieben und schlugen mit ihren Pranken klatschend gegen die Chitinpanzer der Heuschrecken. Die Insekten wirbelten durch die Luft und blieben in den Sträuchern liegen. „Los, holen wir uns die am besten Erhaltenen!“, sagte Henk, als er wieder zu Atem gekommen war. Neusser wollte protestieren, doch Henk war schon wieder auf dem Weg nach unten. Er achtete nicht auf Neusser´s Rufe. Nichts konnte ihn aufhalten. Da waren die Beweise, die diese Bibelgläubigen ihm schuldig geblieben waren. Er wollte möglichst viele der noch kaum versehrten Beweisstücke bergen und konservieren. Dass zur selben Zeit überall auf der Welt Leute damit beschäftigt waren, sich der letzten Heuschrecken zu entledigen, kam ihm nicht in den Sinn. Als er bei den immer noch wütend auf die Heuschreckenleiber eindreschenden Katzen ankam, sah er, dass Diese von der Haut kaum noch etwas unbeschädigt lassen hatten. Er ging von Tier zu Tier. Nur 1 einziges war noch zu gebrauchen. Offenbar hatten die Katzen es bisher verschont. Lediglich ein Durchschuss war zu finden, und er musste das Herz direkt erwischt haben. Wie konnte man das große Tier jetzt hochtragen, ohne dass die Katzen sich dessen bemächtigten? Henk überlegte nicht lange, sondern packte es bei den Vorderbeinen, lud es mit dem Rücken auf seinen Eigenen und ging im Bogen um die noch immer beschäftigten Katzen herum. Diese bemerkten ihn tatsächlich nicht. Ihre Wut auf die längst schon zerfetzten Angreifer machte sie rasend bis zur Erschöpfung. Und selbst, als sie sich lagerten, fauchten sie noch die toten Heuschrecken an.
Dämmerung breitete sich aus, als die Männer unter wissenschaftlicher Anleitung Stella´s das gut erhaltene Tier entfleischten und anschließend sorgfältig den freigelegten Chitinpanzer von innen und außen mit entkeimendem Speziallack einsprühten. Die Pfleger hatten einige Chemikalien retten können, als sie den Safaripark aufgeben mussten. So hatten sie der Nachwelt einen eindrücklichen Beweis und gleichzeitig auch eine überdeutliche Mahnung erhalten. Vom Tal her hörten sie ab und zu die Katzen röhren. Irgendwann würden sie kommen. Bis dahin musste ein geeignetes Gefäß gebaut sein, um das sperrige Insektentier vor ihrem Zugriff zu sichern. Es war nicht leicht, aus dem Ginster eine Art Korb zu fertigen. Sie hätten ja auch den Baum verwerten können für eine Kiste, doch diese wäre zu schwer geworden. Außerdem fehlte ihnen die Säge für derlei Aktionen. Wo die geblieben war, wussten sie nicht. Den länglichen Korb hatten sie genau passend für das Insekt zusammengebunden und hoch genug aufgehangen. Immerhin war eine solche Katze in der Lage, aus dem Stand mehrere Meter hoch zu springen. Zusätzlich hatten die Pfleger einen Gellstoff außen aufgetragen, der auch Großkatzen effektiv abhielt.
Während der Präparation hatten Eilers und Binjaschar sich zu Bett begeben, um einigermaßen die in wenigen Stunden bevorstehende Nachtwache durchzustehn. Ihre vierbeinigen Wächter wussten, wo das Lager sich befand. Es war gut, sie jetzt als Vorposten zu haben. Sie kontrollierten das Tal und waren schnell zur Stelle, sollte es jemandem einfallen, von deren Seite aus ins Zeltlager einzudringen. Nur, das war ein echtes Risiko, falls die Bande käme, müssten die Katzen gegen Menschen kämpfen. Denn sicher waren die vielen Banditen verrückt genug, sich überlegen zu fühlen gegenüber nur 2 Katzen. Gewiss würden sie auch angesichts dieser wehrhaften Tiere auf ihre Waffen vertrauen.
Eilers hatte einen seltsamen Traum, und er konnte sich nicht erinnern, jemals sowas geträumt zu haben. Nein, er war sich gar nicht mal so sicher, ob es wirklich ein Traum gewesen war. Oder hatte er das alles nicht viel mehr erlebt? Es war dermaßen real, dass er unbedingt Binjaschar davon erzählen musste! Als er seine Augen öffnete, sah er direkt in Binjaschar´s „Joschiah, du bist schon wach?“, fragte er verwundert, „Wie spät ist es überhaupt? Haben wir wenigstens 2 oder mehr Stunden geschlafen?“ Binjaschar sah ihm in die Augen, und es war dieser Blick, der Henk beruhigte. Eine seltsame Tiefe war darin, und es kam Henk vor, als schaute er in so viel mehr hinein. Da war etwas, das ihm noch völlig unbekannt sein musste. Zögernd begann Henk, von seinem seltsamen Traum zu berichten. Scheinbar war Binjaschar gar nicht überrascht. Er hörte ihm zu, als habe er darauf gewartet. Konnte es etwa sein, dass er gewusst...? Henk beschlich eine Ahnung, doch er konnte sich nicht einlassen darauf. Nein, er musste Binjaschar alles erzählen! „Ja, Joschiah, da waren diese Heuschrecken, doch sie starben fast gleichzeitig. Überall sah ich sie liegen. Sie bewegten sich nur noch langsam. Da kamen Mäuse, Vögel und andere übrig gebliebenen Tiere. Sie fraßen die Insekten einfach auf. Nur noch Beine, Fühler und der Rückenschild mit seinen Flügeln blieben übrig. Überall konnte man die Reste rumliegen sehn. Doch was war das, was ich da gesehn hab? Ich dachte mir: Nein, schon wieder solche Viecher! Doch diesmal waren es Andere. Es fällt mir schwer, sie zu beschreiben, die waren einfach anders. Mit Pferdeköpfen und Saurierflügeln. Sie hatten irgendwie ein langes Ende, fast wie bei einer Schlange, und eine Art Kugel an dessen Spitze. Das Verrückteste war: auf ihnen ritten so Männer mit erhobenen Schwertern. Ihre Beine, die sahn aus wie bei Kühen oder Ziegen. Dazu hatten sie auch noch Hörner wie bei Ziegen. Also, um das Ganze noch außergewöhnlicher zu machen, pusteten diese Pferde auch noch Feuer! Also, Binjaschar, ehrlich: hast du jemals etwas derart Verrücktes geträumt?“ Binjaschar sagte nur in ruhiger Stimme: „Sprich weiter, Henk!“ „Ja, also, ich weiß ja nicht, ob so ein Traum überhaupt was bedeutet, aber diese Pferde mit ihren Reitern, also, die kamen direkt aus den Resten der Heuschrecken. Plötzlich waren sie da! Und von fern konntest du Feuer sehn. Überall brannte es, Menschen- ich sah Menschen sterben in den Flammen, die diese Pferde direkt auf sie pusteten. So, als wären sie lebende Flammenwerfer! Es wimmelte von ihnen, also, ich meinte, da hätte jemand eine Zahl gesagt. 2 Millionen oder so. Joschiah, was war das nur?“ Binjaschar wartete, bis Henk wieder etwas ruhiger geworden war, und sagte: „Was du da gesehn hast, Henk, ist leider kein bloßer Traum. Es ist die brutale Wahrheit. Und zwar so wahr, wie die Heuschrecken, die euch überfallen haben. Ja, auch das steht in der Bibel. 2 Millionen Soldaten werden mit ihren Flammenwerfer-Pferden ein volles Drittel, ich sage ein volles Drittel der gesamten Menschheit auslöschen!“ Henk rief: „Waaas?“ und sah Binjaschar entsetzt an. „Ja“, sagte Dieser, „Das steht uns noch bevor. Doch höre: Wer das Siegel G'ttes an seiner Stirn empfängt, wird überleben. Wie, weiß ich nicht. Ich kann mir nur denken, dass der Herr ihnen verbietet, solche Menschen anzugreifen. Genauso steht es über die Heuschrecken: Nur die Versiegelten wurden verschont. Ihr Beide habt ja allerhand Kratzer abbekommen. Doch gestochen haben die euch nicht. Ich denke, Er hat euch beschützt, weil Stella Ihn darum gebeten hat.“ Als Henk das hörte, fragte er sich: „Wer ist `Er´? Meint Joschiah etwa G'tt?“ „Wieviel Zeit uns noch bleibt“, hörte er Binjaschar weiter, „weiß ich nicht. Jedenfalls, nach deinem Traum zu urteilen, steht uns dies Massaker unmittelbar bevor. Die Wesen kamen direkt aus den toten Heuschrecken, sagst du. Und sofort waren sie überall. Jedenfalls kommen sie ohne Vorwarnung. Dein Traum“, schloss Binjaschar, „ist G'ttes Mahnung an uns.“ Jetzt wurde es Henk doch sehr ungemütlich, und er platzte heraus: „Aber was können wir denn tun? Ich meine, wir kennen doch G'tt gar nicht, so wie ihr Zwei. Was soll ich machen, Joschiah? Ich will leben!“, und leise, wie für sich selbst, wiederholte Henk: „Ich will doch leben!“
Behutsam begann Binjaschar den jetzt so wichtigen Dienst, und er wusste, dass Henk´s gesamte Zukunft davon abhing. Er sagte: „Henk, du willst überleben. Doch du hast gehört, dass du ein Siegel des Herrn brauchst. Ich muss dir sagen, dass bis jetzt ein Viertel der Menschheit an Hunger, Seuchen und eben lokalen Kriegen umgekommen ist. Ich hab all die Angaben, die uns aus dem Radio bekannt sind, zusammengerechnet und komme nicht umhin, dir zu sagen, daß dies genau die Zahl ist, die der Prophet Jochanan, also Johannes, in der Offenbarung im selben Zusammenhang notiert hat. Wenn jetzt noch ein Drittel des Restes stirbt, bleiben kaum noch Menschen übrig!“ Henk fand keine Worte und schluckte erschüttert. Was Binjaschar ihm auch immer sagte- er würde es ihm glauben. Die Heuschrecken waren eindeutig! „Und“, begann Binjaschar wieder, „wenn wir jetzt 100% minus 25% rechnen, so haben wir die Höchstzahl der bisher Überlebenden, nämlich 75%. Und von Diesen werden bald noch mal 33,3% sterben. Was kommt raus? Genau: knapp über die Hälfte. Doch es werden auch einmal 7.000 Leute durch ein Erdbeben umkommen und noch eine große Anzahl zusätzlich. Also bleibt uns theoretisch nur eine 50%ige Chance. Doch das ist für dich zu wenig, Henk!“ Tonlos nickte Henk: „Ja, viel zu wenig! Ich will aber leben, verdammt noch mal!“ „Ja, das sollst du auch.“, folgerte Binjaschar, „deshalb sind wir auch hier zusammen in diesem Zelt, ungestört von Anderen. Und ich sage dir, was du tun kannst, ja tun musst: Henk, anvertrau dich, deinen ganzen Menschen, in die Obhut JaHweHs.“ Henk´s Gesicht war anzusehn, daß ein heftiger Kampf in ihm tobte. Es war der direkte Krieg um seine Seele, ja um seine Zukunft in der Ewigkeit. Auf der einen Seite standen seine Erfahrungen, sein Weltbild und eine mächtige Festung namens Stolz, auf der andern Seite gegenüber standen die unerwarteten Erlebnisse mit biblischen Tatsachen, das Wissen um den Tod-Ernst ihrer gegenwärtigen Lage und um die offensichtliche Macht dieses Gttes, dessen Messias die Christen den einzigen Retter nannten. Binjaschar hatte während ihrer gesamten Unterhaltung mit G'tt gesprochen und Ihn um die rettende Entscheidung Henk´s gebeten. Gespannt wartete er auf Henk´s Antwort, als dieser ihn bat: „Joschiah, bitte, helf mir! Helf mir dabei, ich kann das nicht so einfach. Ich will, ja, man, ich will!“ Nach einem verzweifelten Seufzer stammelte er: „JaHWeh, du...ich hab Angst, schreckliche Angst. Wenn du mich wirklich willst, dann bitte, bitte, rette mich! Ich will nicht sterben.“, jetzt seufzte er wieder, und in seiner Not schrie er fast: „Hier bin ich, nimm mich alten Atheisten und mach was aus mir.“ Henk senkte seine Stimme: „Ich will ja glauben, daß es dich gibt, egal, was Thomas und Stephan sagen!“ Und fast jammernd sprach er weiter: „Herr, ich will Dich, ich brauch Dich. Ich weiß jetzt, dass Du wirklich da Bist. Die Bibel stimmt ja wirklich! Man, bitte, mach mich zu einem wie Joschiah oder wie Stella.“ Jetzt hielt er seine Hände vors Gesicht und zuckte mit seinem Körper. Seine Worte kamen fast stotternd: „Oh man. Herr, ich will nicht ohne Dein Siegel bleiben.“ Leise hörte er jetzt eine Stimme , und er wusste, dass das nicht Joschiah sein konnte. Auch niemand von den Andern. Der ihm so freundlich zuredete, sprach: „Mein Sohn, mein lieber Sohn. Ich Bin bei dir. Henk, Ich hab dich gerufen. Sei gewiß: du bist Mein! Hab keine Angst, mein geliebtes Kind. Hab keine Angst vor dem Schrecken, der über die Menschheit hereingebrochen ist. Ich Bin bei dir. Die Pferde, die du da gesehn hast, Ich hab sie gesandt. Ich hab ihnen befohlen, Mein Gericht zu vollstrecken an Denen, die Mich hassen und Meine Diener und Kinder abgeschlachtet haben. Aber Ich hab Mir eine neue Schar ausgewählt, und auch dein Name ist dabei! Und wegen deiner Kollegen sei unbesorgt: Stephan gehört ebenfalls zu Mir. Ja, du hast Gefährten an deiner Seite. Bleibt zusammen, denn die Menschen sind böse und wollen sich noch immer nicht zu Mir wenden. All diese Dinge lasse Ich über sie kommen, damit ihr Widerwille gegen Mich offenbar wird und sie auch vor sich selbst keine Ausrede mehr haben. Betet für einander, dass ihr standhaft bleibt. Auch Ich sorge dafür, dass euer Vertraun zu Mir in eurem Innersten wach bleibt. Und jetzt wende dich an Joschiah, Meinen erlesenen Diener. Er wird dir weiterhelfen.“ Henk hatte zuerst vor fassungslosem Staunen seinen Mund weit aufgesperrt, so unerwartet kam die Stimme G'ttes. Ja, der Schöpfer des riesigen Universums hatte zu ihm, dem kleinen Wurm, gesprochen! Doch Seine Stimme hatte ihn auch getröstet. Mit nassen Augen sah er jetzt in Binjaschar´s. Dieser erkannte, dass sein Gegenüber endlich den Frieden gefunden hatte, und umarmte ihn herzlich. Tränen der Freude liefen beiden Männern herunter, und eine tiefe Dankbarkeit zum Herrn füllte ihre Herzen.
G'tt hatte es in Seiner großen Weitsicht so geordnet, dass niemand sehn konnte, dass die beiden Männer geweint hatten. Es war dunkle Nacht, und auch das Feuer war schon zu weit runtergebrannt, als dass man ihnen ihre Emotion hätte anmerken können. Die andern 3 waren schon sehr müde nach diesem langen, anstrengenden Tag. Sie wunderten sich nur etwas über die Sanftheit, mit der Henk ihnen eine gute Nacht wünschte.
Die Astschere war selbstschärfend. Sie hatten das Gerät schon sehr oft gebraucht, um Reisig von den Ginsterbüschen zu ernten. Dabei waren sie stets darauf bedacht, nur unauffällige Schnittstellen zu hinterlassen. Sie waren vorsichtig, denn wer konnte schon wissen, ob sie nicht schon bald aufgespürt sein könnten? Immerhin war da die Gefahr der Banditen. Und wie konnten sie wissen, wann sie aus der Luft angegriffen würden? Jetzt schien wenigstens die letztere Gefahr in Form der Insekten vorüber zu sein. Doch 2 von ihnen wussten es besser: Es würde noch viel schlimmer kommen. Die beiden Freunde hielten sich diese Nachtwache über dicht beisammen. So oft Angst aufkommen wollte, vertrauten sie sich den liebenden Vaterarmen des Herrn an. Der Mensch ist schwach, und auch das menschliche Gemüt: Voller Trotz und Verzagtheit. Angst ist eine starke Macht, nur durch jemanden, dem wir vertraun können, wird sie zurückgedrängt. Hätten die Beiden den Herrn nicht auf ihrer Seite gewusst, wahrscheinlich würden sie kaum bis zu diesem Punkt durchgehalten haben. Es war doch so: Wer nicht wusste, dass die Heuschrecken für 5 Monate kommen würden, auch nicht, dass Diese die Menschen nur verletzen, aber nicht umbringen könnten, musste ja überzeugt sein, dass hier eine Mutation im Stillen stattgefunden habe, um sich jetzt als Invasion mit der Menschheit einen Kampf auf Leben und Tod zu liefern! Wer dachte da nicht an Selbstmord? Schon die Alien- Serie in den Kinos und zahlreiche weitere Filme, Spiele, Comics und sonstige Literatur sprachen die selbe Sprache: Außerirdische kämen auf die Erde und schickten sich an, sie zu erobern. Doch in jeder Produktion half der Mensch sich selbst, oft mittels übermenschlicher Fähigkeiten, von früheren Generationen als okkult bzw. spiritistisch bezeichnet, oder durch eine List. Ganz anders war es da dem Menschen, der die Bibel zu Rate zog: So jemand wusste, was auf die Menschheit zukam und konnte sich entsprechend einrichten, allem voran sich mit seinem ganzen Menschen unter die Herrschaft des G'ttes IsraEl´s zu begeben. Ja, Seine Macht war unangreifbar, so dass die Menschheit ja die ganze Zeit über ihre sichere Zuflucht haben konnte, wenn sie denn Ihn akzeptierten. In Ihm lagen auch die Lösungen aller Probleme, unter denen die Erde ächzte. Doch was taten die Menschen? Ihn verachteten sie, während sie sich der Geisterwelt zuwandten. Alle Aufklärungen darüber waren unangenehm für ihre Ohren, und man musste mit Morden rechnen, sollte es einem einfallen, diesen Leuten die Wahrheit über sie selber zu sagen! Ja, die Bosheit jedes Einzelnen wurde in dieser Zeit offenkundig, und kaum einer hatte überhaupt noch Intresse, sie zu verbergen. Da war es ja nur absolut gerecht, solche Plagen über die Menschheit kommen zu lassen. Der Herr hatte in Seiner großen Liebe die Menschen vor den kommenden Dingen bewahren wollen, doch sie lehnten Ihn ab. Also zog Er seinen Schutz von ihnen weg und gab sie den Schrecknissen preis, die nun Schlag auf Schlag über sie hereingebrochen kamen. Bekümmert schaute Er zu, wie die Menschen die bitteren Früchte ihrer eigenen Bosheit aßen. Doch auch in dieser Zeit suchte Er Solche, die hinter die Kulissen schaun wollten und sich noch immer fragten, warum alles so gekommen war. Ihr stiller Schrei fand Sein Erbarmen. Die Andern kehrten nicht etwa ihren spiritistischen und perversen Praktiken den Rücken, um zu Ihm zurück zu finden. Nein, im Gegenteil: bei jeder neuen Plage fluchten sie mit schmerzverzerrten Gesichtern dem Herrn, Dem, Der sie doch heilen konnte- wenn sie nur gewollt hätten! So lange hatte Er in Seiner göttlichen Geduld gewartet, aber jetzt war die Bosheit stärker als das Gewissen, und weil sie nicht einmal darauf hören wollten, sondern ihre g'ttlosen Aktivitäten unvermindert weiter betrieben- vielfach hatten sie diese in ihrem Trotz noch verstärkt- musste es ja so kommen...


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Beitrag von Eaglesword Sa 09 Apr 2011, 20:46

Gespannt lauschte Stella dem Weltempfänger, der seit kurzem den wieder hergestellten Sender Radio Vatikan empfangen konnte. Niemand sonst verstand Italienisch, und so notierte sie die Meldung, um gleich danach zu übersetzen. Am Eufrat befand sich ein Grabenbruch und gehörte zu den tiefsten Stellen der Erde. „...dieser Spalt beträgt an seiner breitesten Stelle schon über 4 Meter...“, hörte sie grade den Reporter sagen. „Wir wissen nicht, was uns jetzt wieder erwartet, meine Damen und Herrn. Papst Konstantin hat alle Gläubigen zur Fürbitte für die Kirche aufgerufen. Schon einmal in unserer Geschichte haben Protestanten und andere Sekten uns angeklagt.“, hieß es weiter, „Sie haben uns verfolgt, wie ein Rudel Wölfe Schafe verfolgt. Doch jetzt werden wir uns zur Wehr setzen.“ Seine Stimme nahm einen feierlichen Ton an, um dem Folgenden eine gewisse Würde zu verleihn: „Die allein selig machende Heilige Römisch-Katholische Kirche des neuen Europa wird sich aus dem Staub der Schmähungen erheben und ihre Feinde zertreten!“ Der Sprecher klang jetzt militärisch, als er lauter wurde, ja, er schrie fast: „Darum ruft unsere Kirche uns auf, die Ehre der Heiligen Jungfrau zu verteidigen. Hat nicht die Heilige Mutter G'ttes uns berufen, ihre Zeugen zu sein? Ja, alle wahren Gläubigen werden aufstehn und im glorreichen Sieg Marien´s ihrer Kirche zu neuem Glanz und Ansehn verhelfen! Wer noch kein Schwert hat, soll sich eins besorgen. Über unsere Hotline geben wir genauere Auskunft.“ Es folgte die Vorwahl für Italien und anschließend kam die Durchwahl des Vatikanischen Büros, wobei die Verwaltung der Waffenkammer unter 666 direkt zu erreichen war. Stella stutzte, als diese Nummer kam: Hatte Binjaschar nicht etwas Ähnliches gesagt? „Doch hüten wir uns vor ihren listigen Worten.“, hetzte der Vatikanreporter weiter, „Sie sagen: sieh doch nur, in der Bibel steht es! Doch wir sollen mit ihnen keine Gemeinschaft haben, damit sie uns nicht auch noch durch ihr Schlangengift verführen. Gebt nicht Raum dem Lästerer, sondern bringt die Feinde der allein selig machenden Kirche zum Schweigen, und zwar für immer!“ Jetzt war es aber zu viel für Stella. Erbost wählte sie einen anderen Sender, diesmal meldete sich Radio Mumbay (Bombay) von einer hoch gelegenen Insel, die noch nie überflutet worden war. Als Wissenschaftlerin brauchte Stella für die internationalen Konferenzen ein solides Englisch, und sie beherrschte es mit Bravour. „Wir Hindus wollen unseren Staat endlich reinigen von diesen Christen.“, schnarrte der indische Sprecher, „Sie sind unserem Land immer fremd gewesen. Gestern wurde eine staatliche Untersuchung veröffentlicht, die ein jedes wahrhaft gläubige Herz zutiefst erschüttert: Überall wollen die Christen ihren Einfluß geltend machen. Ich sage: Überall.“ Auch diese Stimme nahm einen schärferen Ton an: „Aus zuverlässiger Quelle verlautet, sie wollen die Regierung stürzen. Hunderte haben sich von diesen gefährlichen Verführern hinreißen lassen, unserem Glauben den Rücken zuzuwenden und obendrein auch noch Kastenschande zu betreiben.“ Dieser Mann versuchte eine andere Taktik: Jetzt klang er immer schamhafter, während er auf das Finale hinarbeitete: „Die meisten dieser Christen finden sich bei den Unberührbaren. Hier hat sich die Seuche zuerst ausgebreitet, weil die Regierung, eigenen Angaben zufolge, die Unreinen bislang nicht kontrolliert hat. Meine lieben Brüder und Schwestern, die Seuche ist nicht bei den Unreinen geblieben, sondern hat sogar Mitglieder der obersten Kasten erreicht, ja, selbst eine Hand voll Politiker wurden mit dem Schmutz der Unreinen besudelt. Die Regierung hat beschlossen, dass es nunmehr höchste Zeit ist, dieser unheilvollen Entwicklung Einhalt zu gebieten. Das schlechte Karma der Unberührbaren breitet sich sonst immer rasanter in unserm Volk aus. Darum wird der Innenminister in Kürze ein Soforthilfsprogramm zur Gesunderhaltung unseres Staates vorstellen...“ Das durfte doch nicht wahr sein! Stella schüttelte langsam ihren Kopf, als könne sie das alles nicht glauben. Doch sie hatte wirklich die offiziellen Sender angewählt, und sie waren doch bekannt für ihre Seriosität. Amerikan Broadcast hieb auf seine Weise in die selbe Kerbe, ebenso die restlich verbliebenen 3 Sender Afrika´s. und immer wieder lautete als Endziffer für die direkte Durchwahl zum jeweiligen Büro für Menschenrechte und Religionsfreiheit die Zahl 666. Es schien sich was zusammenzubrauen, eine unheilige Allianz und anschließende Zentralregierung. Bereits am nächsten Tag berichteten alle Sender über die Bildung eines globalnationalen Komitees. Dieses wäre zusammengekommen, um eine Strategie zu erarbeiten, damit sich die Menschheit vom „Krebs“ der „christlichen Fundamentalisten“ heilen könne. Stella schrie empört auf. Oh, diese unerträglichen Heuchler! Was war nur in die gefahren? Doch diese Frage war gleichzeitig auch schon die Antwort: Etwas war in die Regierungsmitglieder gefahren, und zwar nichts andres als dreckige Dämonen. Stella wusste, dass es bei den Satanisten junge Frauen gab, die als `Bräute Satans´ den Auftrag hatten, sich an führende Politiker ranzumachen, um als ihre Huren und Ratgeberinnen beträchtlichen Einfluß auf deren Weltbild und Aktionen auszuüben. Und so musste es ja zur Einstimmigkeit der Nationen kommen!
Im Lauf des Tages kamen weitere Meldungen, denen zufolge ein Militärkontingent als weltweite Eingreiftruppe ausgebildet wurde und nunmehr bereit stand. „O Scheiße!“, entfuhr es Henk, der am Weltempfänger saß. „Diese Schweine wolln uns umbringen. Einfach umbringen!“
Alle waren im Hauptzelt versammelt, während beide Katzen zur Bewachung der Moslems abgestellt wurden. „Also“, schlug Henk nach manchem Hin und Her vor, „Machen wirs doch wie die Christen in der Türkei.“ Als die 4 ihn erwartungsvoll ansahn, fuhr er fort: „Also, ich meine, ähm, da es hier an Felsen mangelt, müssen wir unsere Höhle in die Erde verlegen. Am Besten direkt unter dem Baum, wenn seine Wurzeln uns das erlauben.“ ja, letztendlich war das wohl die richtige Lösung, und alle stimmten zu. Neusser, der sich bisher zurückgehalten hatte, begab sich sofort zum Baum, um die geeignete Stelle des Eingangs abzuschätzen. Alle hatten sich bestimmte Aufgaben ausgesucht. Mit nur einer einzigen Schaufel konnten sie nicht viel ausrichten. Den Strauß konnten sie auch nicht zum Scharren bewegen. Es widersprach seinem Verhalten, Höhlen zu buddeln. Die Katzen mussten schon selbst kommen, auch ihnen fehlte der Sinn für derartige Unternehmungen. Dazu kam noch die nötige Wache, so daß nur 3 von ihnen gleichzeitig am Tunnel sein konnten. Doch eine weitere Frage drängte sich ihnen auf: Woher sollten sie Nahrung bekommen? Die beiden Katzen mussten endlich wieder was zum Futtern haben. Was die toten Heuschrecken betraf, war nichts mehr übrig von ihnen. Neusser hatte schlichtweg das große Glück gehabt, im Lager bei Gläubigen geschützt zu sein, während Henk und Eilers durch die effektive Hilfe der Katzen vor den Stacheln der Insekten bewahrt blieben. Und, was ihnen allen zugute kam, war der Umstand, dass die 5 Monate der Heuschrecken um waren. Der Verwundete hatte sich mittlerweile ebenfalls erholt. Faisal Emirolu hielt es für angebracht, ihn zu gewinnen für seinen Plan. Doch irgendwas schien anders zu sein mit Ali Akbar. Er war äußerst unschlüssig, als Emirolu ihm vom Plan erzählte. Akbar hielt sich auch zurück mit üblichen Titulierungen gegen die 5. Er hatte die Sorgfalt registriert, mit der er gepflegt worden war. Was die Leute da taten, war mehr als nur bloße Pflichterfüllung. Diese Leute taten es für ihn, obwohl sie wussten, wer er war und was er ihren Freunden angetan hatte. In ihm regte sich die Erinnerung an alles, was er als Moslem gehört und geglaubt hatte. Diese Einstellung prallte auf seine Beobachtung. Das, was Emirolu ihm sagte, war ihm nicht fremd- gehörte es schließlich zu seinem bisherigen Weltbild. Immer, wenn Emirolu auf ihn einreden wollte, tat er, als müsse er schlafen. Dieser Trick hielt einige Zeit vor.
Der Tag war gekommen, und Akbar konnte endlich aufstehn, um erste zaghafte Schritte zu unternehmen. Unterstützt wurde er dabei von Stella, die ihn auf seinen Ausflügen begleitete. Emirolu konnte sich etwas freier im Lager bewegen, wenn auch unter ständiger Aufsicht. Was er zu Akbar sagte, konnten sie nicht erkennen, weil sie der Sprache nicht mächtig waren. Doch aus der Art, wie Emirolu mit Akbar sprach, war nichts Gutes zu lesen. Warum Emirolu nicht auch von den Heuschrecken erwischt worden war, verdankte er seiner Geschicklichkeit bei der Flucht. Er hatte ein Feuerzeug dabei gehabt, und als die Insekten auf ihn zugekommen waren, zündete er einfach ein paar der Ginster an, während er selbst auf einem freien Platz stand. Um ihn herum brannten die Sträucher, doch weil sie grün waren, gab es eher viel beißenden Rauch. Das hielt die Tiere ab. Kaum hatten sich diese zurückgezogen, sprang er über die glimmenden Ginster und rannte ins Tal. Dort hatte er eine weiße Katze gesehn, die sich ihrerseits mit Heuschrecken rumschlug. So gelang es ihm, an ihr vorbeizukommen. Von der Anhöhe nahm er einen schwachen Feuerschein wahr, und er lief im Bogen, um nicht von den Wachen aufgegriffen zu werden. Bald kam der ihm günstig erscheinende Zeitpunkt, um ins Lager einzubrechen und sich mit Nahrung einzudecken. Doch er wurde von der Frau bemerkt und vom herbeigeeilten Maharadschah gestellt. Allah, so dachte er, hatte ihn bewahrt und sogar diese Ungläubigen und ihre Tiere als Kanonenfutter benutzt. Akbar´s Zaudern wertete er als Schwäche und Sentimentalität. Ihr würde er schon beikommen, so dachte er. Doch Akbar selbst machte ihm die Sache schwerer als er erwartete: Er hielt sich eng an die Europäer, so dass Emirolu nichts Andres übrig blieb, als einen günstigen Moment abzuwarten, sich Akbar zu greifen und ihn mit `speziellen Argumenten´ umzustimmen. Emirolu sah zwar, wie gut Akbar sich verstand mit beiden Katzen, doch auch das konnte ihn nicht abhalten von seinem finsteren Plan.
Die Höhlung betrug schon 2 Meter und gewann hinter dem Eingang rasch an Höhe, so dass ein ausgewachsener Mann sich bequem darin bewegen konnte. Der Durchmesser schwankte aufgrund von Wurzeln und Gestein. Durch die Erosion war nur noch eine dünne Erdschicht geblieben, während in den Tälern Humus, Schlamm und Schotter mehrere Meter hoch lagerten. Bevor die Ginstermacchie sich des nackten, häßlichen Gemischs erbarmte. Der Bau selbst kam pro Tag nur ca. 20 cm voran, kein Wunder bei nur 1 Schaufel und nicht mal einer Feldhacke. Sie hatten in den verkohlten Resten des Gartenhauses gesucht, ohne ein Gerät zu finden. Die Leute wurden immer schwächer, zum Teil wegen der Anstrengung, doch besonders wegen des Umstands, dass ihnen die Vorräte ausgegangen waren. Ihre weißen Beschützer blieben manchmal tagelang weg, um dann wieder bei guter Kondition aufzutauchen. Neusser erklärte sich bereit, mitzugehn. Dazu nahm er das Gewehr, ihre einzige Waffe, mit den restlichen 480 Schuß an sich. Was blieb ihnen auch anders übrig? Ihnen fehlten Jungpflanzen an Gemüse, weit und breit war noch nicht mal ein Apfelbaum zu finden. Wasser befand sich nur noch als wenige Schluck im Kanister. Zum Bohren fehlte ihnen Gerät und Kraft. Ja, sie standen vor dem Nichts. Ihr Gefährte Neusser war allein gegangen mit den Katzen. Sie baten den Herrn um Bewahrung der 3 und um Erfolg ihres Streifzugs. Emirolu wurde im Tunnel eingesetzt, um Akbar abzulösen. Erst, wenn Akbar im Zelt war, führten sie Emirolu aus dem andern Zelt in den Tunnel. Der Hunger versuchte sie, Dorian zu schlachten. Doch er blieb ihnen als einziger Wächter und Kämpfer, der sich ohne Mühe gut ernähren konnte. Der scharfe Ginster schien ihm nichts auszumachen, und sie waren umgeben davon.
„Joschiah?“ Der Angeredete drehte sich um. „Ja, Henk?“ Dieser war etwas verlegen. „Also, ähm, ich meine, Joschiah, wann kommen die fliegenden Pferde? Werden uns die Militärs vorher überraschen? Dürfen diese Flugpferde auch uns umbringen?“ Binjaschar wusste hierauf beim besten Willen keine Antwort. Was konnte er seinem Freund und Bruder sagen? „Henk, nach deiner Vision müssen die Pferde bald kommen. Mir ist nicht wohl bei der Aktion von Thomas. Wie soll er sich verteidigen? Mit einem Gewehr gegen Überwesen- einfach lächerlich! Die Militärs werden wohl in ihrem Vorhaben von den Pferden gestoppt. Ich denk, noch nicht mal Panzer können da was ausrichten. Es sind wohl nicht biologische Wesen, sondern vom Herrn eigens zum Gericht über die Menschheit geschaffene Geister. Du weißt, G'tt selber und Seine Engel sind Geister. Nur der Messias Jeschua kam in biologischer Form zur Welt, obwohl auch er ein Geist ist wie der Vater. Wenn also G'tt solche Wesen zur Bestrafung der abtrünnigen Menschheit geschaffen hat, so kommen wir nicht ins Gericht. Das heißt also: In dem Fall werden wir verschont.“ Nach kurzem Nachdenken sagte er: „Ja, und warum haben wir uns jetzt abgemüht mit diesem Loch? Ich weiß es nicht, Henk. Vielleicht werden wir es dringend brauchen, wenn irgend welche Leute kommen, um uns auszuheben. Gut, dass ständig jemand einsteht für Thomas und die Tiere!“ Sie hatten eine sogenannte Gebetskette eingerichtet: Jeder betete eine Zeit lang und wurde dann sofort abgelöst. So befand sich die Streife im Schutz der Gebete rund um die Uhr. Akbar hatte all das beobachtet, und er war sehr verwundert über ihre Freiheit. Als Moslem kannte er die enge Regel, die ihm ein 5maliges Gebet am Tag vorschrieb, nach Osten gewandt und mit jeweils 5 Durchgängen des selben Textes hinternander. Klar gab es auch ein freies Gebet, Du'a genannt, aber dies war von so untergeordnetem Wert, dass die meisten Moslems keine Zeit verschwenden wollten damit. Sie erfüllten die Pflicht. Auch diese Feststellung arbeitete in Akbar´s Innerem. Emirolu nahm das Geschehn ebenfalls wahr, doch er hasste diese Ungläubigen, und sein Ziel war deren Vernichtung. Bei Gelegenheit würde er schon Akbar bearbeiten. Besonders wirksam war der Vorwurf gegenüber einem anderen Moslem, dass dieser nunmehr ein Ungläubiger geworden sei. Ein solcher Vorwurf wirkte auf Moslems wie Todesurteil und Beleidigung zugleich. Emirolu war sich der Waffe bewusst, und er würde sie möglichst bald anwenden.
Der Weltempfänger stand heute nicht still. Eifrig notierte Eilers das Wichtigste. Den Sendern zufolge hatte es kleinere Verhaftungswellen gegeben, bei denen Plünderer, Bandenmitglieder und `christliche Fundamentalisten´ gefasst worden waren. Diese wurden, weil auf frischer Tat erwischt, ohne Verhandlung zum Tod verurteilt. Aufgrund globaler Notstandsgesetze wurde die Vollstreckung sofort ausgeführt. Was allerdings mit ihren Leichen geschah, verlautete nicht. Sicher die übliche Gruben- Erschießungs- Massengrabmethode, da waren sich die Freunde sicher. Jetzt intensivierten sie ihr Gebet für Neusser. Er durfte nicht in die Hände der Verhörer fallen. Die Welt unterlag ja schon längst einer Diktatur, wenn auch offiziell die Nationen ihre Souveränität noch innehatten. Das jedoch, so wusste eigentlich mittlerweile jeder Mensch, war nur noch Fassade. Die nächsten Sendungen berichteten über Truppenbewegungen durch wenig besiedelte Orte. „Hier“, hieß es, „halten sich kriminelle Elemente bevorzugt auf und planen ihre nächsten Schandtaten zum Schaden der menschlichen Gesellschaft.“ Also kam ihnen der um weitere 3 Meter verlängerte Tunnel genau gelegen. Die Erde war am Ende locker geworden, was mit der Auswaschung von Humus und Lehm zusammenhing. Gestein und Sand blieben übrig, so erleichterte das Gefüge ihre Arbeit. „Joschiah, wie lang soll der Tunnel werden?“, wollte Stella wissen. „Ja“, sagte er, „noch weitere 5 Meter, dann sind es 8. wenn wir die erreicht haben, baun wir uns komfortable Räume!“ „Aha!“, meldete sich Henk, „Die müssen aber hoch genug ausfallen wegen der Kronleuchter!“ Den Aushub schütteten sie keineswegs zu Hügeln zusammen, sondern verteilten ihn unter die Ginster. Bevor sie ihre Zelte abbrechen würden, mussten sie noch waagerechte Lüftungsröhren anlegen. Waagerecht war auf jeden Fall am Besten, falls irgend welcher Niederschlag fallen sollte oder Gegner die Löcher entdeckten und verschlossen. Das Bauen der Lüftungsschächte gestaltete sich einfacher als gedacht: der Boden war sehr leicht. Aber wie konnten sie das Einstürzen verhindern? Eilers kam auf die Idee, beim Gartenhaus könne es sich vielleicht um ein gut ausgebautes Wochenendhaus mit Keller handeln. Überrascht riefen die Andern aus: „Ach, klar!“, „Man, warum ist niemand vorher drauf gekommen“ und ähnliche Bekundungen. Während sie weiter im Tunnel arbeiteten, begab sich Eilers zur Stelle, auf der noch wenige Balken lagen. Er begann, sie Stück um Stück zu packen und wegzuziehn. Er manövrierte sie in den Tunnel, ohne dass jemand über sie stolpern konnte. Das Brennholz wurde mit ihnen als Kohlen unterstützt. Zufrieden begutachtete er die jetzt freie Fläche. Wenn sie die Heide verschonten, würde diese ihnen effektiv den Boden befestigen, so daß ihnen unmöglich die Decke auf den Kopf fallen konnte. Hier war das Erdreich felsig, wie man das oft kannte von waldigem Boden mit Heidebewuchs. Der typische Kreidefels, mit Schiefer vereint, herrschte hier meist vor. Eilers besah sich genau die freien Stellen, auf denen die Balken gelegen hatten. Mit einem Ginsterast stocherte er vorsichtig im Boden. Da! Unterm Ast klang es wie eine Metallplatte. Er drehte den Ast um und fegte behutsam die Erde weg. Richtig: Eine Abdeckung kam zum Vorschein. Der schmale, etwas hochstehende Griff war noch voll. Als er ihn gesäubert hatte, hob er die dünne Platte an. Wunderbar! Das klappte ohne Schwierigkeiten. Den Eingang ließ er geöffnet, als er sich zu den Übrigen begab. Sie sahen ihn hereinkommen und schauten ihn erwartungsvoll an. „Bingo!“, war das Einzige, was er sagen konnte, schon rasten sie an ihm vorbei. Mit einem Ginsterstock und spiritusgetränkten darum gewickelten Lappen hatten sie sich eine Fackel gefertigt und stiegen die Treppe hinab.
Die Sonne schien grell auf die 3 Wanderer und ließ sie noch heller erscheinen. Ein ungleiches Trio bewegte sich da durch die Macchie. In der Ferne konnten sie eine Art Galleriewald ausmachen, normalerweise ein sicheres Zeichen für baumbegleitete Fließgewässer. Doch die 3 beschleunigten keineswegs ihr Tempo. Sie wollten Kraft sparen. Sonne, Durst und Hunger setzten dem Trupp seit 3 Tagen sehr zu. Wie lang würden sie brauchen, um sich im Schatten endlich ausruhn zu können? Ob da tatsächlich Wasser floss, konnten sie nicht erkennen. Zügig schritten sie weiter, so gut sie noch konnten. Schätzungsweise musste die Waldung 5 oder mehr km entfernt sein. Ein Wanderer bei voller Kraft brauchte ungefähr 20 Minuten für 2-3 km. Also war mit einer 3/4 Stunde zu rechnen. Nu ja, das war noch auszuhalten. Sie hatten ihren Rythmus, durch den sie fast automatisch weiter und weiter kamen, ohne ständig neue Willenskraft aufwenden zu müssen. Der Sinn konnte etwas gedämpft werden, und man spürte nicht mehr so die Anstrengung. Nein, man konnte sogar ziemlich rasch weitermarschieren. Das Gelände hier war sehr eben. Das kam ihnen zugute. Jede Senke bedeutete eine Verlängerung der Strecke. Der Mann hielt jetzt Ausschau nach Vögeln. Wenn die sich dort einfanden, musste Wasser vorhanden sein. Doch die Entfernung war noch zu groß, als dass er Einzelheiten hätte erkennen können. Er hoffte, dass ihnen keine Luftspiegelung einen bösen Streich spielte. Mittlerweile war die Hälfte des Weges geschafft. Sie fühlten sich angesichts des auf sie wartenden Schattens beschwingt und mussten sich zurückhalten, um nicht zu schnell ihre Kraft zu verbrauchen. Was war das? Der Mann kniff seine Augen zusammen. Sah er da nicht langsame Bewegungen? Ja, waren das vielleicht Giraffen, die sich in der Nähe der Bäume aufhielten? Und befanden sich nicht mitten unten ihnen weiße Tiere? Katzen konnten es wirklich nicht sein, denn diese hielten stets einen gehörigen Abstand zu Giraffen. Diese Langhälse forderten Respekt vor ihren großen Hufen. Ja klar: Was außer Zebras? Aha, die Versprengten waren wiederentdeckt. Nur noch um 1 km, und sie konnten sich endlich im Schatten ruhn. Der Mann nahm jetzt seine Waffe und hielt sie auf Hüfthöhe. Seine Begleiter begannen, sich in leichten Trab zu setzen. Er ließ sie gewähren. Schließlich war die Herde angewiesen auf diesen übrig gebliebenen Wald. Sie mussten also nach der Flucht rasch wiederkommen. Die beiden Weißen nahmen einen Bogen um die Giraffen und verschwanden im Dickicht. Er wusste: Jetzt schlichen sie lautlos, Stück für Stück, Meter für Meter. Er sah, wo die Zebras etwas entfernt waren von den Giraffen. Da musste sich gleich was tun, und schon schoss einer der 2 Burschen auf die Tiere los. Eine rasante Verfolgungsjagd war zu beobachten, und als das Zebra weit genug von der Herde weg war, sprang der 2. von vorn mit wenigen Sätzen auf das Tier zu und biss in dessen Kehle, während der Verfolger mit mächtigem Sprung auf dem Rücken der Beute landete, sie zu Fall brachte und schnell das Genick durchbiß. „Bravo!“, sagte anerkennend Neusser, „Ihr seid gute Jäger, habt eure Beute nicht leiden lassen!“ Er war zufrieden. Ja, sogar Stolz auf die Katzen füllte sein Herz. Bald hatte auch er den Wald erreicht, und die Herde weidete friedlich, als habe es den Vorfall nicht gegeben. Er hielt Abstand zu den Katzen, um sie nicht bei ihrer Mahlzeit zu stören. Seine Schritte führten ihn weiter in den Wald hinein, bis er den Hang erreichte. Hier erst machte er Halt. Seine Augen musterten aufmerksam die Lichtung vor ihm. Nichts Verdächtiges regte sich, außer ein paar Affen. Doch die schienen ihn in Ruhe lassen zu wollen. Offenbar hatte auch sie ihr Auskommen. Erleichtert atmete er die angenehm kühle und feuchte Luft ein. Er begab sich den Hang hinunter. Vor ihm zeigte sich ein Band aus Schotter, gesäumt mit einigen Aststücken. Hier war mal ein Fluß geflossen, stellte Neusser nüchtern fest. Wasser musste noch reichlich vorhanden sein, denn der Wald hatte die Katastrophen schadlos überlebt. Die Bäume bestanden nicht nur aus wuchsfreudigen Erlen, auch empfindlichere Arten waren hier zu sehn. Erlen hatten die Fähigkeit, nach vollständiger Entlaubung rasch wieder neu zu bestocken. Neusser suchte sorgfältig die Vertiefungen im Wadi. Irgendwo musste noch Wasser stehn. Auch, wenn es warm, abgestanden und wohl auch unhygienisch sein mochte, brauchte er dringend ein paar Schluck. Da! Wunderbar: Ein kleiner Bach schlängelte sich durch den Schotter. Neusser nahm das Gewehr in Anschlag. Die Affen verstanden in dieser Angelegenheit keinen Spaß. Vor der Herde hatten sie schon Respekt, nicht aber vor einzelnen Menschen. Dreist, wie sie waren, stahlen sie einem das Essen vom Teller, bevor man überhaupt begriff. Bei Wasser stand man einer Armee von langzähnigen, schnellen und wendigen Raufbolden gegenüber. Neusser kniete mit einem Bein und führte seine Hand zum trockenen Mund. Begierig schlürfte er das Wasser, ließ es ein wenig im Mund, um die Schleimhäute zu kühlen und schluckte. Jetzt konnte er seinen Durst stillen. Nach einigen Minuten entnahm er seiner Tasche ein paar Flaschen und füllte sie mit sauberem, frischen Wasser. Sorgfältig verstaute er die Plastikflaschen. Er überlegte: Für seine weißen Freunde war es besser, hier zu bleiben, gewiss. Doch er musste schnellstens zurück, um den Gefährten Wasser und Fleisch zu bringen. Vielleicht konnten sie nach hier übersiedeln? Er wusste um das Reiseziel, doch dies Idyll hier war der einzige Ort, in dem sie längere Zeit überleben konnten. Erst, wenn die komplette Ausrüstung hier war, konnten sie sich eindecken mit genug Vorräten. Alles Andere wäre nur ein Selbstmordkommando gewesen! Nachdem er ein Zebra erlegt und ausgeweidet hatte, legte er es über seine Schultern. So ausgerüstet, nahm er Gewehr und Tasche mit. Er ließ die Katzen zurück.
Sie nahmen die Fackel und hielten sie weit vor sich. Plötzlich schrillte es von allen Seiten, dass sie zurückzuckten. Und schon flatterte ihnen eine dunkle Wolke um die Ohren. Sie gingen erschreckt in die Hocke und warteten, was auf sie zukäme. Nach einigen Minuten waren die Flatterer verschwunden. Noch erschrocken kamen sie wieder zu Atem. Eine Kolonie Fleder hatte in ebenso großer Überraschung ihr Schlafquartier verlassen. Huch! Öfter mal was Neues... vorsichtiger als vorhin drangen sie weiter vor. Aufmerksam beachteten sie die Stufen und jeden Winkel. Konnte ja sein, sie waren hier nicht die Ersten. Doch als sie im Kellerraum anlangten, atmeten sie erleichtert auf. Der Keller hatte wenige Nebenräume, die sie rasch durchforschten. Sogar eine mauerlose Stelle war da, und auch noch in Richtung des Tunnels. Man, wenn das kein Geschenk des Herrn war! Sie befestigten die ergiebige Fackel an einem Heizungsrohr und eilten zu den Zelten, so gut sie im Dämmerlicht über die Treppe kamen. Draußen war es noch hell, wenn auch die Schatten schon lang wurden und den Abend einläuteten. In Eile räumten sie die Zelte aus. Als endlich alles im Keller gelagert war, bauten sie die leeren Zelte ab. Die Feuerstelle wurde mit Erde vom frischen Aushub abgedeckt und mit jungen Ginstern bepflanzt. Hierzu leistete der Klappspaten vortreffliche Dienste, so dass der Ginster über Nacht mit kühlem Tau bedeckt wurde und am kommenden Tag nicht welk aussah. Denn dann hätten sie sich selbst verraten. Jetzt hofften sie, dass auch Neusser den Wettlauf gewinne und beteten inständig für ihn und seine Begleiter.
Er merkte, dass die Nacht ihn erwischen würde. Wie weit war er schon vom Wald entfernt? Als er zurückschaute, mussten es schon mehr als 5 km sein. Umkehren? War wohl ratsam, ohne Begleitung seiner wehrhaften Freunde, die sicher schon vom 2. Gang ihrer Malzeit ruhten. Er gönnte ihnen das entdeckte kleine Paradies. Ob wohl der legendäre Garten so ausgesehn haben mochte? Jetzt, hier allein in der Wildnis, kam Neusser intensiv zum Nachdenken, und nach anfänglicher Abwehr gab er sich dessen hin. Ob im Garten tatsächlich alles anders war? Die Beutegreifer- wie sah ihr Alltag aus? Er stellte sich vor, wie der Mensch diesen Tieren Saft hinstellte, den sie tranken. Nein, es schien ihm zu lächerlich. Warum behaupteten Binjaschar und Stella, alle Tiere seien damals Vegetarier gewesen? Es war einfach unvorstellbar für ihn. In der hereinbrechenden Abendkühle setze er seinen Weg zum Wald fort. Seine ganze Aufmerksamkeit war nun gefordert. Er hatte keine Lust, über irgendwas zu stolpern. Der Weg erschien ihm in der Dunkelheit viel länger als in den Stunden zuvor. Dunkel ragte der Wald vor ihm auf. Leise rief er seine Katzen beim Namen. Sie röhrten zur Antwort. Er ging etwas weg vom Schall der beiden Tiere. Auf einem erhabenen Felsblock legte er das Zebra ab. Sollten die beiden Weißen es holen, wenn sie mochten. Es waren ja genug da. Er öffnete die Tasche und nahm einen zusammengerollten Schlafsack heraus. Auf einem freien Platz deponierte er ihn und kroch auch sofort hinein. Bald war er entschwunden im Land der Träume. Hier, bei seinen treuen Wächtern, konnte er sich sicher fühlen.
Die Wacht gestaltete sich entspannter: Man musste nicht mehr so weit patrouillieren, sondern brauchte nur aus der Luke Rundumschau zu halten. Es war fast gemütlich. Doch trotzdem erforderte es volle Aufmerksamkeit. Falls irgend jemand kommen sollte, musste die Wache entgegen gehn, um eine eventuelle Gefahr aufzuhalten, damit der 2. Wächter unauffällig die Luke schließen konnte.
Sie hatten Emirolu in einem der Nebenräume am Heizungsrohr festgebunden, damit er nicht auf dumme Gedanken käme. Akbar hatte längst schon gemerkt, wie unverbesserlich dieser war und vermied weiterhin den Kontakt mit ihm. Bei diesen Christen fühlte er sich wohl, und sogar den Juden mochte er. Binjaschar war freundlich zu ihm und nicht bloß höflich. Akbar spürte Binjaschar´s echte Herzlichkeit ihm gegenüber. Allmählich waren ihm auch Zweifel gekommen, ob diese Leute überhaupt als `Ungläubige´ bezeichnet werden durften. Als er weiter nachdachte über Emirolu, schien die Bezeichnung eher zu passen auf Diesen. Akbar erinnerte sich an seine bisherigen Erfahrungen mit andern Moslems. Auch hier gab es reichliche Heuchelei. Schließlich beleuchtete er sich selbst und musste feststellen, dass auch bei ihm, Ali Akbar, ein Vertrauen fehlte. Sein Glaube erschöpfte sich lediglich in einer Religion aus Bestimmungen, Aufrufen zum Mord an Andersdenkenden, Liberalisierung von Plünderung, Vergewaltigung, Entführung und Folterung der Gegner. All das war diesen Christen zuwider, und sie erzählten ihm Einiges aus der Bibel. Die Zitate hatten sein Herz erwärmt, und ihn verlangte, endlich selber in einem solchen Buch zu lesen. Er war fest entschlossen, sich an der Reise zu beteiligen. Er wollte dabei sein, wollte selbst erleben, wenn sie die Bibel finden würden. Sein Herz war nunmehr ganz auf der Seite der Christen und ihres offenbar echten Glaubens, der aus persönlichem Vertrauen bestand. Akbar fiel in tiefen, erholsamen Schlaf.
Er wusste nicht, dass volle 7 Stunden vergangen waren, als laute Stimmen ihn weckten. Etwas irritiert schaute er um sich. Das Stimmengewirr kam von oben. Er stand auf und streckte sich ausgiebig. Jetzt war er doch neugierig! Also stieg er die Treppe hinauf. Da war Neusser, wie gut! Erst jetzt bemerkte Akbar den Duft von Braten. Seine Augen weiteten sich vor Freude: Es gab wieder Tee, und eine Hinterkeule wurde überm Feuer gedreht. Für solche Zwecke lieferten die Ziersträucher gute Spieren, die man als grade Spieße gebrauchen konnte. Akbar genoß die angeregte Unterhaltung, während der er über die Oase am Wadi erfuhr. Ihnen stellte sich die Frage, ob sie im Keller bleiben sollten oder besser am Wadi wohnten. Angenehmer wäre letztere Option gewesen, doch sie waren einfach nur 5 Leute mit einem Gefangenen. Wenigstens stand ihnen eine gute Quelle an Wasser und Nahrung zur Verfügung. Auch, wenn der Hin- und Rückweg insgesamt mindestens 1 1/2 Stunden verschlang, stellte der Keller einen hervorragenden Kühlraum dar. Wenn es ihnen gelang, alle Gefäße mit frischem Wasser zu füllen und genug Fleisch zu lagern, konnten sie den Keller als Bunker gebrauchen. Für Akbar war es keine Frage, sofort in der Streife dabei zu sein. Henk wollte seine Katzen gern wiedersehn, und Eilers hatte den Wunsch, die arme Schlange endlich freizulassen. Es war zwar eine Giftschlange, doch in der Oase hatte sie keinen Grund zum Kämpfen. Eilers versicherte, in einer geräumigen Grube habe sie es gut. Mäuse kamen sicher auch dort zahlreich vor. Was für die Schlange zu steil war, konnten die Nager mühelos überwinden. Wenn man in der Grube einen Köder platziere, so würden schon genug Mahlzeiten zur Schlange kommen, ohne dass der Köder verdürbe. Gut, also dann hätten sie die Büchse ja wieder für andere Verwendungen, überlegte Eilers.
Sie hatten sich aufgeteilt: 3 von ihnen richteten sich im Wald ein, während die andern 3 mit Emirolu den Tunnel von beiden Seiten vorantrieben. Das Schlupfloch der Flederkolonie war bald abgedichtet, und sie hatten durch ihre Anwesenheit die Tiere vertrieben. Diese tauchten bald im Auwald auf, wo sie in einer alten Esche Unterschlupf gefunden hatten. Um so besser war das für die 3 Männer: Eine Kolonie von 20 oder mehr Tieren war sehr erfolgreich im Kampf gegen Stechmücken und andere nächtliche Plagegeister. Durch das katastrophal bedingte Wüsten- und Steppenklima hielt sich der Sommer noch bis weit in den Herbst, und erst gegen Ende November begann es, kühl zu werden. Der Weltempfänger war noch gut im Strom, so dass ihnen die Sender nach wie vor die wichtigsten Meldungen lieferten. Sie dachten an die Tiere, ob ihnen rechtzeitig dichtes Fell wachsen würde. Bei den Zebras gab es einige Fohlen, die Meisten vom Säugen entwöhnt. Wenigstens sie würden heil durch den Winter kommen. Den Giraffen fehlte ihr Winterhaus, und Giraffenfohlen brauchten länger für ihre Entwöhnung. Wenn die Gesäuge keine Milch mehr produzierten, mussten die Fohlen geschlachtet werden, falls die Katzen sie nicht rechtzeitig schlugen. Fleisch würde also genug vorhanden sein.
Endlich war der Tunnel in der Mitte durchbrochen. Das war Allen eine kleine Feier wert. Auf einer freien Fläche richteten sie das Feuer ein. Sie genossen die Wärme der Flammen und schauten versonnen hinein. Emirolu durfte sich frei bewegen, doch Maharadschah war diesmal mit zum Lager gekommen und brachte ihn auf andere Gedanken, falls er flüchten wollte. Akbar war grade im Keller beschäftigt, als er sich zu ihm schlich. Mit freundlichen Worten wollte Emirolu ihn weich machen. „Ali, mein Bruder!“, gurrte er, „Du fühlst dich wohl?“ Akbar war vorsichtig und wachsam. Doch unbefangen konnte er bestätigen: „Klar! Hier bin ich sicher. Hier werde ich überleben.“, und nach kurzer Pause: „Da draußen kommt man um, Faisal. Die Welt ist nur noch mörderisch, unsere Truppe aufgerieben. Wie also willst du ohne diese Leute hier überleben?“ Emirolu versuchte, sich seine Empörung nicht anmerken zu lassen. Er sagte in möglichst lockerm Ton: „Ali, gewiss, die Ungläubigen sind für uns von gewissem Wert, und Allah benutzt ihre Naivität, um uns zu erhalten. Aber sei kein Narr! Wir Moslems werden die ganze Erde unterwerfen für Allah, das ist unser Auftrag, und dafür lasst uns leben und, falls nötig, auch sterben!“ die Antwort Akbar´s kam ganz unerwartet für Emirolu und versetzte ihm einen Hieb: „Faisal, ich, Ali Akbar, kann nicht mehr länger Moslem sein. Ich hab verglichen und nachgedacht, gründlich abgewogen. Das hier ist der wahre Glaube, doch unsre Religion ist eine Lüge und wir sind Heuchler!“ Mit wutverzerrter Mine schlug Emirolu mitten ins Gesicht Akbar´s. Dieser wich zurück vor Schmerz. Grad wollte er sich revanchieren, als er fühlte, wie sein Arm sich nicht weiter bewegen wollte. Als hielt jemand ihn fest. Emirolu sagte voller Arroganz: „Du Ungläubiger, du bist schuldig, du hast die Todsünde des Schirk begangen. Du musst sterben!“ „Wenn Allah mich töten will“, so hörte Akbar sich selbst sagen, „dann soll er mich persönlich töten. Allah braucht keine miesen Verbrecher wie dich, um zu strafen. Außerdem weiß ich endlich, dass die Christen die wahren Gläubigen sind und du der Ungläubige!“ Emirolu war außer sich und wollte erneut auf Akbar losgehn, als er plötzlich vornüber kippte, ein großes weißes Etwas auf seinem Rücken. „Maharadschah!“, sagte Akbar tonlos. Die Katze verließ den liegenden Mann und nahm frontal Aufstellung, hinter sich den fassungslosen Akbar. Kaum hatte Emirolu den Kopf angehoben, als auch schon die Pranken von beiden Seiten darauf einprasselten. Maharadschah hatte die Krallen eingezogen und ohrfeigte Emirolu nach Strich und Faden, unter nachdrücklichem Brüllen. Atemlos kam Henk die Treppe runtergestolpert. „Maharadschah!“, schrie er vor Schreck. Maharadschah ließ ab von Emirolu, der seinen Kopf unter die Hände verborgen hatte, immer noch fauchend. Er blieb zwischen den beiden Männern stehn, bis Henk den am Boden Liegenden aufrichtete. Er sah Maharadschah scharf an, doch dieser blieb unbeweglich vor Akbar stehn. Jetzt erst bemerkte Henk Akbar´s blutende Nase. Man! Wie gut, dass er in der Eile nicht mit der Waffe gekommen war- sicher hätte Maharadschah unschuldig sterben müssen. Voller Achtung blickte er jetzt auf seine treue Katze. Hart fasste er Emirolu´s Arm und drehte ihn auf dessen Rücken. „Mitkommen!“, sagte er nur streng und schob Emirolu die Treppe hinauf. Oben waren aufgeregte Stimmen zu vernehmen. Im Keller drehte sich Maharadschah nach Akbar um und rieb sanft seinen Kopf an dessen Bein, bevor er sich direkt vor die unterste Stufe niederlegte, die Pranken in Richtung Treppe. Akbar war sprachlos. Er versuchte, das, was da soeben passiert war, zu verarbeiten. Neusser kam die Treppe hinab, strich Maharadschah über den Kopf und schritt behutsam über ihm hinweg. „Ali“, sagte er kurz, „komm, wir brauchen dich als Zeugen.“ Als sie nach oben gingen, folgte Maharadschah ihnen auf dem Fuß. Er ließ Akbar ab jetzt nicht mehr allein.
„Also, was ist?“, fragte scharf Eilers, an Emirolu gewandt. Wie oft, hüllte sich dieser in Schweigen. Henk versetzte dem Befragten eine schallende Ohrfeige und brüllte: „Du dummes Arschloch, wer denkst du, wer du bist? Los, machs Maul auf! Ein wuchtiger Faustschlag ließ Emirolu sich nach vorn beugen und husten. Henk riß dessen Kopf am Schopf nach oben. „Los, du dreckiger Bastard, rede! Oder es wird dir gleich noch schlechter gehn!“ Die beiden Männer waren in Rage und nicht zu beruhigen. Akbar stand jetzt vor Emirolu. In festem Ton sagte er bestimmt: „Faisal hat mich geschlagen und wollte mich umbringen. Er hat mir damit gedroht, und es ist ihm zuzutrauen. Maharadschah kam dazwischen und hat ihn gestellt. Ich sag es noch mal, vor euch allen: Ich kann nicht mehr Moslem sein, und ihr seid mein Grund. Ihr habt mich überzeugt, dass euer Glaube der Wahre ist. Und vor mir steht der einzige Ungläubige hier!“ Dabei zeigte er auf den vor sich hinstierenden Emirolu „Los, fesseln!“, befahl Henk voller Zorn, „Morgen bringen wir das Dreckstück weg!“ Emirolu wurde in den kleinen Kellerraum gestoßen und am Heizungsrohr festgezurrt. Henk hielt ihm die Faust unter die Nase: „Du kannst im Stehn schlafen, Bastard!“ Mit Henk war an diesem Abend nicht mehr zu reden, auch Eilers war zu aufgewühlt. Beide wollten auch nicht im Keller schlafen und hielten Wache. Die Nacht sollte ihre Gemüter abkühlen, so hofften sie. Emirolu war leer. Nur Hass füllte seinen Schädel.
Früh, bei der ersten Dämmerung, stellte sich Henk vor Emirolu auf und weckte ihn mit einer Bachpfeife. „Los!“, sagte er barsch, „Mitkommen!“ Er band ihn los und stieß ihn vor sich her, doch bedacht, niemand beim Schlaf zu stören. Emirolu wollte grade fluchen, als er Henk´s eisernen Griff im Nacken zu spüren bekam. Draußen wartete schon Eilers. Wortlos gingen beide mit Emirolu ins Tal.
Die Sonne drang durch die offene Luke. Die Wärme sog die klamme Feuchtigkeit aus dem Keller, als die ersten Gefährten sich regten. Stöhnend reckten sie ihre steifen Körper und rappelten sich mühsam auf. Neusser nahm einen Schimmer auf der halb gewendelten Treppe wahr. Aha, Henk und Stephan machten wohl grad Feuer und würden gleich zu ihnen kommen, um ein paar Stunden zu schlafen. Allmählich waren alle aufgestanden und wünschten einander einen guten Morgen. Stella ging als Erste hinauf, um ihrer Gewohnheit gemäß Tee zu bereiten. Draußen war niemand zu sehn. Kopfschüttelnd legte sie trockene Reiser auf das Kohleholz und betätigte das neu mit Spiritus aufgefüllte Feuerzeug. Weit und breit war nichts von den beiden Zornköpfen zu sehn. Einladend rief sie: Tee ist gleich fertig!“, doch weder Henk noch Eilers kamen. Nach und nach erschienen die Andern am Feuer und rückte nah an die Flammen, ihre Hände darüber breitend. Binjaschar fragte: „Wo sind unsre Freunde?“ Stella zuckte die Schultern und sah ihn ratlos an. Er erhob sich und stieg wieder in den Keller, um Emirolu zu holen. Von da drang nur ein dumpfes „Das darf doch nicht wahr sein!“, und alle waren sie wieder nach unten gehastet. Wortlos schauten sie das Rohr im leeren Raum an. Vielleicht waren die Beiden mit Emirolu noch nicht weit, nur in welcher Richtung? Zum Wald vielleicht? Aber dahin wollten sie doch so wie so am Nachmittag aufbrechen. „Wir sind 4“, begann Akbar, 2 von uns gehn am Besten zum Wald. Ob sie da zu finden sind oder nicht- wir brauchen eh neues Wasser.“ Binjaschar nickte nur und schulterte schon die Tasche mit leeren Flaschen. Diesmal nahmen sie Dorian mit, der sich über eine Abwechslung freute.
Die 3 hatten das Tal schon längst hinter sich gelassen und zogen weiter über eine ausgedehnte Ebene. Sie schwiegen und hingen ihren Gedanken nach. Henk wusste: G'tt wollte niemandem das Leben wegnehmen. Aber dieser Emirolu stellte eine Gefährdung dar. Dessen war sich auch Eilers bewusst. Emirolu brütete nur dumpf vor sich hin und fragte sich, wie weit sie ihn noch bringen würden, bis die Exekution stattfände. Immer weiter ging das Trio. Jeder der beiden Freunde hatte eine volle Flasche dabei. Emirolu bekam nicht einen Schluck davon. Wozu auch? Sollte er schwitzen und halb umkommen. Auch das war ihr Ziel. Sie selbst wollten ihn gar nicht hinrichten, obwohl das Gewehr geladen war. Emirolu hegte indes nicht den geringsten Zweifel an einer solchen Absicht. Sie wollten so weit gehn, bis er endlich zusammenbrechen würde, um ihn dann ohne Hilfsmittel zurückzulassen. Vielleicht würden sie auch auf weitere der Banditen stoßen und ihn als Geisel zu eventuellem Gefangenenaustausch einsetzen. Falls ihnen kein Mensch begegnen sollte, blieb es beim Plan. Jedesmal, wenn Emirolu langsamer wurde, stießen sie ihn weiter.
„Joschiah?“, fragte Akbar. „Ja, Ali?“ „Darf ich auch mal?“, fragte er wieder. „Ja, klar- wenn du nicht runterfällst, vorausgesetzt!“ Schon war Binjaschar auf der Erde, und mit elegantem Schwung saß Akbar auf. Dorian machte keine Anstalten, zu protestieren. Er war wohl umgänglicher als manches brave Pferd. Auf einmal raste Dorian mit seinem neuen Reiter davon, einen verdutzten Binjaschar hinter sich lassend. Er sah nur, wie Dorian mal einen Linksbogen beschrieb, um dann in umgekehrter Richtung weiterzurennen. Jetzt kamen Strauß und Reiter zurück und hielten erst kurz vor Binjaschar, der schon zur Seite springen wollte. „Hey“, rief Akbar, „Besser noch als ein Kamel!“ Wie um ihn zu bestätigen, nestelte Dorian jetzt an Akbar´s Ohr. Mit Lachen drehte dieser sein Gesicht zu Dorian´s. Ein leichter Schenkeldruck veranlasste Dorian zu einer Wendung, und schon ging es los mit wilder Jagd! In wenigen Minuten waren beide am Wald angekommen. Hier sprang Akbar ab und ließ Dorian gewähren. Nach ausgiebigem Staubbad und anschließendem gründlichem Putzen spähte er in die Ferne, wo ein dunkler Strich sich ihm näherte. Gemächlich kam er seinerseits dem Wanderer entgegen, wechselte in leichtem Trab, um dann in vollem Tempo Binjaschar zu erreichen. Bald war er auch mit diesem Reiter zurück. Als Binjaschar sich zu Akbar gesellte, sagte dieser fröhlich: „He, was wär, wenn es uns gelingt, alle übrigen Strauße einzusammeln? Dann hätte jeder von uns einen solchen Schlitten!“ die Idee gefiel den Männern sehr, und sie überlegten, ob nicht Dorian die Sache am Erfolgreichsten erledigen könne.
Die 3 Wanderer kauerten im Ginsterdickicht. In einiger Entfernung vor ihnen tat sich was. Da war offensichtlich ein größerer Trupp im Schatten eines kleinen Waldes, der die bisherigen Katastrophen überlebt hatte. Außer den Männern mit metallisch blinkender Ausrüstung standen etwas weiter dunkle Fahrzeuge, die aussahn wie Jeeps, Rover oder ähnliche Wagen. Alles hatte dunkle Färbung, und es war klar, dass das einen Militärkonvoi darstellte. Was konnten sie jetzt machen? Sich durchs Dickicht zu schleichen, hätte sie durch die Bewegungen der Sträucher verraten. Selbstverständlich hatten die Feldstecher, Fernglas und Nachtaugen dabei. Schlimm war Letzteres: Die 3 konnten sich so gut verstecken, wie sie wollten- ihre Körperwärme leuchtete selbst noch durch Wände, wenn denn welche hier vorhanden gewesen wären. Überraschend für Emirolu war Eilers Entscheidung: „Wir lassen dich jetzt frei.“ Dabei band er ihn los. „Geh jetzt!“, raunte er dem verdutzten Emirolu zu. Ihm viel Glück zu wünschen, wäre nur ironisch und unehrlich gewesen. Unschlüssig hockte Emirolu noch immer bei ihnen. Doch dann kroch er auf allen Vieren davon. Gespannt blieben die 2, wo sie waren. Innerlich hofften sie, dass die Soldaten die Bewegung erst bemerkten, wenn Emirolu sich weit genug entfernt von ihnen befänd. Allerdings bedeutete das bei einem offenen Gelände wie nier ein paar km! Die mussten erst zurückgelegt werden. Emirolu war zwar geschickt, aber die dünnen Ginsteräste bewegten sich sehr schnell. Die beiden Freunde wendeten sich an den Herrn, Der weder Emirolu´s Tod wollte, noch den Ihren. Ja, sie hatten Emirolu liegen lassen wollen, auf die Gefahr hin, dass er durch ihre Schuld verdurstet wäre. Das war ihnen jetzt brennend bewusst, und sie bereuten vorm Herrn, ihrem G'tt, mit ganzem Herzen. „Herr, da sind wir. Mach mit uns und mit Faisal, was gut ist in Deinen Augen!“ sie beobachteten gespannt die Militärs, bei denen aber bis jetzt noch nichts Besonderes zu erkennen war. Sie lagerten dort im Schatten, während 2 von ihnen patrouillierten. Da sah einer der Soldaten zu ihnen rüber. Weitere folgten. Ein Schuss fiel! Die Freunde duckten sich noch tiefer zu Boden. Jetzt bestiegen 2 der Männer das nächste Fahrzeug und fuhren in ihre Richtung. Doch der Wagen kam nicht auf sie direkt zu. Eher schien es, dass Emirolu erwischt worden war. Man, sie fühlten sich ziemlich in der Falle sitzen, im wahrsten Sinn des Wortes. Die Freunde hörten, wie der Wagen hielt und die Männer ihn beluden. Sofort kehrten sie zur Basis zurück, und ein Aufatmen war zu vernehmen. Etwas Wind kam auf, was die Freunde zur behutsamen Flucht nutzen wollten. Leise dankten sie dem Herrn.
„Herr Kommandant, haben Verdächtigen gestellt!“, rief der Fahrer beim Aussteigen. Die Soldaten hoben den Mann von der Ladefläche und legten ihn auf eine Unterlage. Einer der Scharfschützen hatte ihn getroffen, doch nicht getötet. Scharfschützen dieser Einheit konnten extrem genau zielen und selbst auf derartigen Entfernungen Menschen betäuben, ohne sie tödlich zu verletzen. Der Kommandant besah sich den Mann, ließ die Mappe holen und ging die Fotos durch. „Da, das isser!“, stellte er zufrieden fest, „Emirolu, Faisal“ Einen hatten sie schon mal. Die übrigen 29 dürften dann auch nicht mehr weit sein. „Versorgt ihn im Lazarett!“, befahl er. Sie trugen Emirolu in den Saniwagen, der sich daraufhin in Bewegung setzte und zum Hauptquartier fuhr. Der Wind war zeitweise schwächer geworden, so dass die beiden Flüchtenden lieber verhielten, als dass ihre Bewegung den Soldaten aufgefallen wäre. Wie freuten sie sich, als vor ihnen das wohlvertraute Tal erschien. Jetzt erst wagten sie es, aufgerichtet zum Lager zu laufen.
Sie hatten die Flaschen noch nicht mit frischem Wasser gefüllt. Erst unmittelbar vor ihrem Rückweg wollten sie auch das tun. Dann blieb das Wasser länger kühl und schmeckte besser. Bisher waren ihnen außer den bekannten Giraffen, Zebras und Affen noch keine weiteren Bewohner des zerstörten Safariparks begegnet. In der Grube hatten sie eine Höhle gebuddelt, in der die Schlange einigermaßen frostgeschützt überdauern konnte, zumindest bei dem derzeitigen Warmklima. Was werden würde, falls wieder Asche die Erde auskühlen ließ, konnte niemand abschätzen. Sie mussten die Dinge weitgehend nehmen, wie sie kamen. Ihre Bekanntschaft mit Jeschua bedeutete unverschämtes Glück in dieser heidnischen Zeit globaler Katastrophen und gesellschaftlicher Umbrüche. Die beiden Freunde hatten eine Stelle im Wadi gefunden, in der das Wasser fast 3 m tief war. Große Felsen bildeten zum Teil das Bett. Selbst hier konnte von abgestandenem Wasser keine Rede sein, denn langsam strömte es weiter in die jeweils tiefer gelegene Becken. Auch fanden sich kleine Fische, die trotz der monatelang hohen Temperatur noch immer gesund zu sein schienen. Die Männer entkleideten sich und nahmen ein ausgiebiges Bad. Ihre Kleidung wurde anschließend gründlich von Staub und Schweiß befreit. In triefend nassen Klamotten kamen sie am gegenüber liegenden Waldrand an. Bei jedem Schritt knatschten ihre Schuhe, was ihnen Erheiterung brachte. Diese Seite des Auwaldes hatten sie noch nicht genauer erforscht, obwohl die Katzen wohl schon überall rumgepirscht sein mussten.
Die Zebras hatten vom Ginster probiert, aber dessen Schärfe brachte sie auf andere Gedanken. Sie brauchten Gras und nochmals Gras. Höchstens tief genug sitzende Zweige konnten ihren Speisezettel etwas erweitern. In der Nähe des jenseitigen Waldrands standen die Freunde und schauten auf die wunderbare Landschaft, die sich hier vor ihnen ausbreitete. Ja, sie konnten sich nicht sattsehn an der Farbenpracht: hier war ein weitläufiges Areal ohne Ginster, und blühende Heide füllte die Fläche. Sogar Bienen hatten überlebt und waren vertreten durch Sammlerinnen. Mitten in diesem Heidegebiet standen weitere Zebras, eine Sinfonie in Rosa und Schwarz-Weiß. Die Freunde schritten durch die Heide und genossen die besondere Atmosphäre. Was war das? Vor ihnen tauchte Getreide auf. Wahrscheinlich hatte es hier Landwirtschaft gegeben, typisch für die Europäer. Immer dicht an Fließgewässern legten sie ihre Felder und sonstigen Agrarflächen an. Jetzt hatte die geschundene Erde etwas Zeit, sich zu regenerieren. Sobald sich der Wadi wieder gefüllt haben würde, konnte auch der Galleriewald endlich  zu einem richtigen Auwald heranwachsen. Die beiden Freunde hatten schnell die leere und gereinigte Büchse geholt, genau richtig für die Ernte. Der Bestand an Korn war so reich, dass ihre Hosen- und Hemdentaschen sogar davon überquollen. Noch immer standen einige volle Ähren im steinigen Lehmboden. Längst waren die Männer satt vom Korn, doch sie sammelten noch soviel als möglich, um es an Ort und Stelle auszusähn. Mitten in der Heide befanden sich hier und da kleine Grasflächen, ideal für das 1jährige Gras namens Getreide. Als alles noch verbliebene Korn ausgesät war, zogen sie zufrieden wieder durch den Wadi ans andere Ufer. Hier nahmen sie ihre Sachen und riefen Dorian. Dorian? Wo war er? Sowas war völlig untypisch für ihn. Wie ein Hühnervogel hielt sich der zahme Strauß beständig in der Nähe ihrer Stationen auf. Akbar war es, der in die Ferne deutete und lachte. Was dort zu sehn war, hatte schon seine eigene Komik. Auch Binjaschar amüsierte sich bei diesem Schauspiel: da war eine teils schimmernde, teils schwarz-weiße Wolke. Unter dieser befanden sich viele dünne Säulen, während nach oben halb so viele ebenfalls dünne Gebilde ragten. Letztere bewegten sich unregelmäßig rasch auf und ab. Teilweise nahmen sie etwas vom Boden auf, und teilweise kamen sie rasch in die Senkrechte. Die Freunde beschlossen, den Straußen entgegen zu kommen. Dorian feierte offensichtlich ein Wiedersehn mit seinen Gefährten. Binjaschar musste an die Andern denken. Wie lang schon hatten sie sich aus den Augen verloren? Dr. Falcone- ob er das alles überlebt hatte? Lissi´s Gesicht war ihm jetzt klar und deutlich im Sinn. „O Lissi, wie es dir wohl ergangen ist?“ Gesenkten Kopfes musste er tief seufzen. Sein feinfühliger Begleiter verstand und schwieg. Insgeheim wünschte er sich, irgendwie für Binjaschar beten zu können, doch er wusste ja gar nicht, wie. Und so einfach wie bei diesen Christen war es für ihn ja längst nicht. Zuviel Barrieren standen da, teils die Tradition, teils die daraus resultierende Scheu, so frei und ohne Liturgie vor dem Allmächtigen zu stehn. Sein ganzes Weltbild war noch sehr moslemisch, auch wenn er die Religion als teuflisch erkannt hatte. Da war ja noch eine komplette Kultur, und sie stellte eine Macht dar- besonders bei Moslems waren Religion und Kultur miteinander verwoben.
Sie hatten sich der Herde bis auf 10 m genähert, als Dorian zu ihnen kam. Die übrigen Strauße waren zwar ebenfalls menschlichen Kontakt gewöhnt, blieben diesmal aber doch etwas reserviert. Binjaschar blickte auf die Herde zurück, die noch immer 2 oder 3 m Abstand hielt. Er hörte ein kurzes Rauschen und wendete sich um. Er sah nur noch einem davoneilenden Akbar hinterher. Sein Freund beherrschte das Reiten offenbar wie kein Zweiter, daran hatte Binjaschar nicht den geringsten Zweifel. Hinter ihm begann auf einmal Gestapfe, so dass er unwillkürlich herumfuhr. Woaah! Die großen Vögel rannten auf ihn zu, und im Reflex warf er sich zur Seite. Dicht an ihm vorbei stoben die mit mächtigen Zehn ausgestatteten Läufer hinter dem kleinen Punkt her, der da drüben zu erkennen war. Lachend stand Binjaschar auf. Lebhaft stellte er sich die Reaktion der Andern vor, wenn sie Akbar samt Herde zu sehn bekamen!
Die Basis hatte eine Streife losgeschickt: 10 Mann, auf dreien ihrer Fahrzeuge verteilt, bewegten sich die Ebene entlang. Ursprünglich hatte der Kommandant sie im Schatten der Baumreihe fahren lassen wollen, doch das hätte eine zu große Verzögerung bedeutet. Also befanden sie sich jetzt auf offenem Gelände. Sie waren vom Europa- Gouverneur zu diesem Spezialauftrag bestellt worden. Ihre Einheit war eigens ausgebildet worden, paramilitärische Trupps unschädlich zu machen. Jetzt jagten sie eine der gefährlichsten Verbrecherbande Europa´s. ihnen war klar, dass diese 30 Mann zu einer Armee aus Usbekistan und weiteren moslemisierten Ländern gehörten. Zehntausende von Juden und Christen hatten die Flucht ergriffen, als die moslemische Diktatur immer schlimmer geworden war. Die führenden Männer konnten es nicht länger hinnehmen, dass ihre Frauen, Schwestern, Töchter, Cousinen und Enkelinnen immer wieder vergewaltigt wurden. Es gab keinerlei rechtliche Handhabe gegen solche Ausschreitungen. Diesen Bestien wollten sie nicht länger als Fleisch dienen. Die Flüchtlinge drangen nach Süden vor, in der Hoffnung, eine Zuflucht zu finden im Heiligen Land. Europa war groß, und selbst im Süden wurden sie gehasst. Zahlreiche Boote zogen über die See, und viele waren schon aufgegriffen worden. Die regionalen Gerichte hatten tausenden Christen das Todesurteil gesprochen. Der Holocaust ging weiter. Die Moslems ihrerseits hatten Truppen entsandt, um Sklaven zu fangen. Sollten sie unterwegs auf irgendwelche Flüchtlinge treffen, waren diese zu eliminieren. Emirolu´s Einheit war auf der Suche nach Wasser an einen Wadi gekommen. Sie hatten sich dort ihre Basis eingerichtet, um weitere Beutezüge zu unternehmen. Ihre Gefangenen kamen aus dem Süden, soviel sie feststellen konnten. Eine Wachmannschaft von 10 blieb bei den Südländern, während die andern 20 am Flußbett entlang mit der Strömung des verbliebenen Bachs vorstießen. Von entgegengesetzter Richtung näherte sich ein Militärkonvoi. Es war Nacht, und sie lagerten. Im Ginsterdickicht raschelte und knisterte es, doch sie fühlten sich stark. Allah würde sie schon bewahren für ihren Auftrag.
Der Militärkonvoi seinerseits hatte eine Basis am Wadi eingerichtet. Sie hörten ebenfalls das verdächtige Rascheln und Knistern. Im Scheinwerferlicht machten sie eine grausige Entdeckung: um sie herum waren Hunderte riesiger Heuschrecken. Wo immer das Licht hinkam, saßen sie. Der Kommandant entschied schnell: „Sofort Panzer kommen lassen!“ Nach wenigen Minuten standen die 5 Panzer bei der Wache. „Panzergrenadier Leng meldet sich!“ „Gut“, antwortete der Kommandant, „Sehn Sie diese Riesentiere?“ Der Greadier war nicht auf einen solchen Anblick gefasst. Er hatte schon viele Dinge zu Gesicht bekommen, von Folteropfern bis zu Minenunglücken, ja. Doch solche nichtmenschlichen Monstren verschlugen ihm die Sprache. Er sah nur seinen Kommandanten an und nickte. „Sie dürfen auf keinen Fall schießen, haben Sie verstanden?“ Tonlos antwortete der Grenadier mit „Ja, habe verstanden!“ „Wenn Sie schießen“, erklärte der Kommandant weiter, „warnen Sie die Moslems. Sie fahren systematisch, bis alle Heuschrecken vernichtet sind und kommen dann wieder zum Basislager.“ der Grenadier hatte einigermaßen die Fassung wiedererlangt und bestätigte. Im Panzer gab er den andern Fahrern über Funk die Anweisung weiter. Sie brauchten eine volle Stunde, um die Insekten alle zu erfassen. Dass starkes Licht vermieden werden musste, war kein Problem, sie bedienten sich sowieso des Radarschirms. Doch es waren so viele Tiere! 2 Tage später blieb von den zermantschten Leibern nichts mehr übrig. Heerscharen der die Katastrophen überlebenden Krähen und Mäuse taten sich gütlich am gefundenen Fressen, bevor die ganze Gegend von Fliegen gewimmelt hätte. Die Soldaten konnten sich das gespenstische Geschehn nicht erklären. Keiner unter ihnen kannte die Offenbarung an Jochanan. Grenadier Leng´s Vorfahren waren zwar noch in der Synagoge gewesen, doch davon hatte er selber keine Ahnung. Wie die Meisten, wusste auch er nichts von seiner jüdischen Identität.


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Beitrag von Eaglesword Sa 09 Apr 2011, 20:49

Die Basis wenige km flußaufwärts befand sich direkt an den Stämmen der Bäume, doch etwas im schmalen Wald verborgen. Rundum hatten sie kleine Mulden ausgehoben, in denen 3 bis 4 Schützen bequem Platz fanden. Als das Knacken, Rispeln und Rascheln immer näher kam, lagen sie bald in diesen Mulden. Die Gefangenen hatten sie noch ohne Schußwaffen überwältigen können, doch unterwegs war es ihnen gelungen, einen kleinen militärischen Außenposten zu plündern. Der einzige Überlebende hatte Verstärkung angefordert und meldete den Verlust seiner 11 Kameraden und fast aller Waffen. Die eingetroffenen Truppen schwärmten als kleinere Einheiten von 40 Mann mit schwerem Gerät nach allen Seiten aus, während der Außenposten als Lazarett genutzt werden sollte. Ihren überfallenen Kameraden verarzteten sie als Ersten. Weitere wurden von den verteilten Einheiten gebracht, wobei die Meisten sich leicht verletzt hatten. Diese Nacht war nicht vollständig dunkel, und im fahlen Mondlicht zeichneten sich die Konturen der Ginster ab. Den 30 Männern war es, als machten sie im Gesträuch überall Bewegungen aus. Und seltsamerweise schienen die Geräusche näher zu kommen. Allmählich wurde diesen hartgesottenen Draufgängern etwas ungemütlich zumute. Das Knacken konnte unmöglich von brechenden Zweigen herrühren. Nein, etwas Anderes ging hier vor. Diese Klänge ließen sich einfach nicht einordnen. Fast hörte sich die Geräuschkullisse an, als gäb es hier ein unsichtbares Feuer. Die Männer dachten daran, brennende Scheite in Richtung des unheimlichen Szenarios zu werfen, doch dann hätten sie es mit wirklichem Feuer zu tun, und zwar nicht zu knapp! Nein, ihnen schien diesmal nichts Anderes übrig zu bleiben, als zu warten. Worauf, das war ihnen absolut unklar. Schließlich kroch einer von ihnen aus der Mulde nach hinten heraus, um sich mit einer Fackel zu bewaffnen. Langsam schritt er damit wieder vor den Ginster und schrie auf. Die Kameraden erschraken durch seinen Schrei, doch als im Schein der Fackel sich ihnen ein schauriger Anblick bot, lief es ihnen kalt über den Rücken: da waren große schwarze Gestalten, die sich langsam auf sie zubewegten. Diese Wesen hatten mit Menschen kaum was zu tun, doch ihre Köpfe erinnerten an solche. Die geschockten Männer meinten eine Art Mischwesen vor sich zu haben. Sie erkannten, dass die Tiere, oder was auch immer, sechs Beine und lange, anliegende Flügel hatten. Irgendwie erinnerte diese Begegnung der unheimlichen Art an die ihnen bekannten Wanderheuschrecken. Doch das hier war etwas Anderes. Vor ihnen bewegten sich riesenhafte Wesen unbarmherzig auf sie zu. Die Männer wurden immer nervöser. Angespannt starrten sie auf das mysteriöse Geschehn vor sich. Die Riesentiere waren jetzt bedrohlich nah gekommen, so dass die ersten der Männer hektisch aus ihren Mulden krochen und sich auf allen Viern zurückzogen. Die 2 vorderen Reihen der Mulden hatten sich bereits geleert, und man konnte genau dort die Tiere hören. Da durchbrach ein Schuß die schaurigen Geräusche. Hatten sie sich damit verraten? Doch was konnte ihnen Schlimmeres passiern, als von gefühllosen Insekten gefressen zu werden? Manche der Männer hatten immer wieder Geschichten gehört über Außerirdische. Sollten die wirklich existiern und jetzt sogar vor ihren eigenen Augen eine Invasion landen? Die Spannung der Männer entlud sich plötzlich in wilder Schießerei. Sie schossen ihre Magazine leer, in der vagen Hoffnung, die unbekannten Wesen auf Abstand zu halten. Und wirklich verlangsamten sie deren Vorwärtsbewegung. Manche schienen irritiert stehnzubleiben. Doch die Masse drängte weiter auf die ratlosen Männer ein. Einige begannen vor Angst zu schreien, und ein atemloser Tumult brach über sie herein: Nichts mehr konnte sie halten. Panisch ergriffen sie die Flucht und ließen ihre Gefangenen zurück. Sollten doch diese Bestien an Denen ihre Lust haben! Emirolu rannte, so schnell er eben konnte. Oft stolperte er über Äste und stieß gegen irgend welche Knüppel oder Steine. Brombeeren rissen ihm die Hände blutig, doch er wollte und musste vorwärts kommen! Bloß weg von hier, weg vom Grauen! Die andern Männer hatten sich tief in den Auwald verzogen. Durch Rufe und Pfiffe fand man sich langsam wieder zusammen. Die Männer versuchten, ihre Gedanken zu ordnen. Was war überhaupt vor sich gegangen? Angestrengt lauschten sie in die Nacht. Konnten sie Schreie hören? Alles war still, unheimlich still. Nichts war zu vernehmen. Nicht mal die Frauen klagten! Ob ihre Gefangenen schlagartig überfallen worden waren von diesen Monstern? Hatte Allah sie nur prüfen wollen, ob sie auch in solch außergewöhnlichen Situationen Stand halten würden? Doch grade diese Todesstille hielt sie zurück. Lieber blieben sie hier. Die Nacht war nicht kühl, doch einige der Männer zitterten. Niemand hatte Lust, sich zu äußern. Verwirrt schwiegen sie und lauschten in die Stille. Nur ihr unruhiger Atem war hörbar. Ab und zu raschelten Mäuse oder schrillten Grillen. Hier und da brummte irgend ein Insekt um ihre Ohren. Wie sehnten sich diese Männer den Morgen herbei! Irgendwann hatte sich die Müdigkeit ihrer bemächtigt, und erschöpft lagen sie unter den Bäumen. Erst als die Sonne ihre wärmenden Strahlen auf sie sendete, kamen sie wieder zu sich. Sie wachten auf aus einem Alptraum und schauten sich um. Da war noch immer der Wald und ihresgleichen. Doch im Schatten der Bäume bewegten sich andere Schatten. Der Alptraum war zurückgekommen! Schnell sprangen die Männer auf und schulterten die Waffen. Doch das metallische Klacken erinnerte sie an ihre nächtliche Flucht. In der Panik hatte niemand an Munition denken können. Jetzt nützten ihnen die Waffen höchstens noch als Prügel gegen die Riesentiere. Kaum hatten sie das begriffen, rannten sie auch schon von den Tieren weg. Doch wo sie auch hinkamen, standen Diese. Sie waren von ihnen umzingelt. Da sprangen die Insekten auch schon hoch und schwirrten von allen Seiten auf sie zu. Ihre Flügel verursachten einen ohrenbetäubenden Krach, als wäre ein antikes Wagenrennen im Gange. Da schrien auch schon die ersten der Männer vor Schmerz. Verzweifelt versuchten sie sich der übermächtigen Gegner zu erwehren, doch bald lagen sie am Boden, über sich die geöffneten Kiefer. Aber der Schmerz kam vom Hinterende der Monster. Es war eine Mischung aus verschiedenen Lebewesen: Heuschrecken mit menschenähnlichen Gesichtern und einer Art Löwenmähne, noch dazu mit Skorpionsschwanz. Diese Schwänze trugen je einen langen Stachel. Dieser brachte den Männern solche Qualen bei. Hätten die Tiere wirklich ihre Kiefer eingesetzt, wäre niemand mehr am Leben. Ein Biß, und man hätte lauter Enthauptete finden können. Die Männer wünschten sich, die Wesen würden ihrer Qual endlich ein Ende setzen, doch diese ließen abrupt von ihrem Werk ab. So unheimlich, wie sie bei Nacht gekommen waren, entfernten sie sich jetzt wieder von ihren Opfern. Schmerzgekrümmt lagen die Männer noch immer an Ort und Stelle. Tiefe Einstiche und Kratzwunden machten jede Bewegung zur Tortur. Sie wussten nicht, ob sie lieber den Abend herbeisehnen sollten oder den Tod. Emirolu war an einem Abhang angekommen. Vor ihm breitete sich ein Tal aus. Er war zu erschöpft, um sich noch gut verstecken zu können. Unter besonders dichten Ginstern fiel er in tiefen Schlaf. Ob er dabei träumte, wusste er anschließend nicht mehr, doch bei seinem Erwachen war es schon später Nachmittag, und er fühlte sich wie verprügelt. Überall brannten seine wunden Stellen, die er sich während seiner Flucht zugezogen hatte. Den Rest des Tages verbrachte er in seinem Versteck. Wenn er jetzt von wem auch immer entdeckt würde, stellte er allzu leichte Beute dar, das wusste er. Gegen Abend wagte er sich ein paar Schritte weiter. In der Dämmerung nahmen seine Ohren wieder dieses Knacken und Rispeln wahr. Also wüteten die Heuschrecken auch in dieser Gegend. Hörte er da nicht ein Gebrüll? Ja, zweifelsohne knurrten und röhrten da noch andere Tiere. Wenn es wirklich Außerirdische gab, dann waren sie es! Aus einem für ihn selbst unerklärlichen Drang heraus spähte er in Richtung des Geschehns. 2 weiße Etwasse schimmerten da unten. Diese 2 schienen sich mit den Insekten tatsächlich ein Gefecht zu liefern! Er dachte an Engel, die wohl von Allah geschickt worden waren, um diesen Biestern Einhalt zu gebieten. Doch sollten etwa Engel ein solches Geknurre und Brüllen von sich geben? Nein, das erinnerte ihn eher an fauchende Löwen, die sich in die Mähnen geraten waren. Da! Jetzt sah er es genau: die 2 Wesen mussten wirklich solche Katzen sein, die allerdings erfolgreich derart riesige Insekten zu Boden brachten und in Stücke rissen. Fasziniert sah er sich das Schauspiel an. Diese weißen Katzen wirbelten die Angreifer durch die Luft und hieben sie in die Sträucher, als gäbe es deren Stachel einfach nicht! Es konnten nur Engel Allah´s sein, folgerte Emirolu. Allah war mit ihm. Das verlieh ihm Antrieb, den Hang hinunter zu kommen. Am gegenüber liegenden Ufer des Tales hatte er einen schwachen Lichtschein ausgemacht. Einen weiten Bogen umschreibend, passierte er von den Kämpfern unbemerkt das Tal. Als Binjaschar ihm dann später ein Artefakt von den Heuschrecken präsentierte, war er nicht überrascht. Nur, als kurz darauf nochmals ein Angriff erfolgte, rechnete Emirolu mit einer längeren Prüfung seitens Allah´s.
Wenige Tage später hatten die Soldaten ihn gefangen und im Lazarett untergebracht. Nun war er zum zweiten Mal in der Gewalt Anderer. Aber er verschwendete nicht eine Minute an den Gedanken, dass seine eigenen Gefangenen sich wohl ähnlich gefühlt haben mochten. Ihn beherrschte nur eine Sache: Seine Religion würde sehr bald alles und Jeden erfüllen! Der Verwirklichung dieses Ziels hatte er sich geweiht. Ja, er war entschlossen, als standhafter Moslem zu sterben und vielleicht, falls es Allah gefiel, in den 7. Himmel zu kommen.
Das Camp befand sich noch immer im Schatten der Bäume, als ein kleiner Trupp sich am Flußbett entlang bewegte. Sie vermieden, auf knackende Zweige zu treten und verständigten sich lautlos durch bestimmte Gesten. Mit sich führten sie einige Waffen, unter anderm auch Panzerfäuste. Wer konnte schon sagen, ob nicht noch weitere Überraschungen ihrer harrten? Die Heuschrecken hatten ihnen im Nachhinein noch immer einen Schauer bereitet. Wer konnte schon solche Tiere vergessen? Die Erinnerung daran jedenfalls blieb für den Rest ihres Lebens in ihnen bestehn, selbst, falls ihre Kinder ihnen keinen Glauben schenken würden. Wenn man von dergestaltigen Kreaturen nichts wusste, konnte man auch nicht an ihre Existenz glauben. Das war die reale Wechselwirkung zwischen Glauben und Wissen. Aufmerksam suchte der Trupp die Umgebung ab. War da nicht ein leichter Geruch im Wald? Sollte wohl ein Scherz sein, oder befanden sie sich tatsächlich in der Nähe eines Lagers? Der Rauch ließ die Soldaten noch vorsichtiger werden bei ihrer Pirsch. Mit ihrem der Zoologie bekannten Schalltrichter, in dessen Mitte ein Mikrofon angebracht war, orteten sie soeben mehrere Stimmen: „Lasst uns doch endlich gehn, ihr seht ja, dass die Heuschrecken uns in Ruhe gelassen haben, euch hingegen haben sie zugesetzt!“, war von einer Frau zu vernehmen. Eine rauhe Männerstimme antwortete etwas in einer anderen Sprache, die irgendwie indisch oder tamilisch klang und wohl an Urdu heranreichen mochte. Aha! Da hatten sie ja die brutalen Moslems. Ein leiser Funkspruch, und die Basis war informiert. Am andern Ende gab der Kommandant seine Anweisungen durch. Die Truppführerin hatte verstanden und bestätigte ihrerseits. Die Soldaten verteilten sich: Eine Gruppe zu 5 bezog im Hinterhalt Stellung, während die Übrigen einen Halbkreis bildeten, der nun an das Lager heranrückte. Schütze Ryker trat auf einen Zweig, den er nicht hatte erkennen können. Das Knacken musste den Gegner alarmiert haben, da war der Soldat sich sicher. Ryker verhielt und ging schnell in die Hocke. Ein Schuß fiel, und über seinem Kopf schlug das Geschoss im Baum ein. Erleichtert atmete Ryker auf- gut reagiert! Drüben regte sich der Gegner und eröffnete das Feuer, soweit sich nach dem Insektenüberfall noch Munition finden ließ, doch schon zog sich die Schlinge zu. Sie waren umzingelt von einer gut ausgebildeten Einheit. Angesichts der Bewaffnung war es besser, sich zu ergeben. Aus den vergewaltigenden Fängern waren nunmehr selbst Gefangene geworden. Nach rascher Entwaffnung erfolgte der Funkspruch: „Hier Fischadler, haben Hechte geholt. Einige Elritzen dabei. Erwarten weitere Anweisungen. Ende.“ Der Kommandant meldete sich: „Hier Adlerhorst. Kommt mit der Beute zurück! Ende und aus.“
26 der gesuchten Terroristen waren ihnen auf einem Schlag ins Netz gegangen, nachdem ihnen gewissermaßen Emirolu direkt vor die Flinte gelaufen kam. Lediglich zwei hatten sie trotz anschließender genauer Suche nicht gefunden. Doch die waren sicher nicht weit gekommen. Die Gegner hatten kaum Widerstand geleistet, und man konnte den Grund nicht allein in der militärischen Überlegenheit erkennen: einige wiesen tiefe Wunden auf, und es war klar, das hier ein Anderer den Soldaten zuvorgekommen war. Unter Bewachung trugen die gesünderen Moslems ihre Kameraden flußabwärts, wo bald ein Saniwagen wartete, der auch die geschundenen Frauen und Mädchen aufnahm.
Im Camp wurden sie bereits erwartet. Kommandant Ebeling zeigte sich sehr zufrieden mit seiner Kompanie und redete persönlich mit den weg von der Hand der Moslems befreiten Flüchtlingen. Von ihnen erfuhr er, dass sie als Juden und Christen höchstens noch das eigene Leben zu verlieren hatten. Doch bei diesem Gedanken wirkten sie seltsam gefasst. Kaum jemand war bestürzt über die Tatsache, dass die Militärs ihnen an Ort und Stelle den Prozeß machen sollten. Denn auch diese Anweisung war ihnen von der Kommandozentrale mitgegeben worden. Alle Terroristen und flüchtigen Bibelgläubigen waren zu eliminieren. So lautete der Befehl. Ebeling sah seinen Leuten in die Augen. Man konnte ihm den Konflikt ansehn, und in ihm tobte ein Krieg. Er, der erfahrene Militär, der schon oft getötet hatte, war wie gelähmt. Er riskierte seinen Rang, seine Stellung und angesichts der real existierenden Weltdiktatur wahrscheinlich sogar sein eigenes Leben. Er musste an seine Frau denken. Rackel Steinfurth war eine sehr sanfte Erscheinung und hatte ihm, dem abgehärteten Soldaten, wiedergegeben, was er schon verschüttet meinte: Gewissen und Mitmenschlichkeit. Ihm war nicht bekannt, dass Ortsnamen ausschließlich von Juden angenommen wurden. Es war eine typisch jüdische Tradition, den Namen des Ortes, in dem man lange gewohnt hatte, zum Eigenen zu machen. Auch Rackel hatte nicht im Entferntesten Ahnung von ihrer Identität. Dass auch er selber, Ebeling, Glied eines alten jüdischen Stammes war, konnte er nicht wissen. Ebeling war eine Variante von Abel, der europäisierten Form des Orginals Hewel. Hewel seinerseits war der Bruder Kajin´s. Dieses Brüderpaar war die direkte Nachkommenschaft Adam´s und Chawah´s. Adam und Chawah waren die allerersten Menschen. Erst im 20. Jahrh. hatten die Genetiker herausgefunden, dass die Menschheit wirklich von nur 1 Elternpaar abstammte!
Kommandant Ebeling sah in die gelassenen Augen der Flüchtlinge. Nein, irgendwas in ihm sprach ein mächtiges Verbot zur Exekution aus. Ebeling erhob seine Stimme, dass alle Anwesenden ihn gut hören konnten. Er war selbst überrascht von dem, was er da sagte: „Ihr wisst, als Militär haben wir uns zur Loyalität gegenüber unserem Vorsitzenden, dem Parlament der Erde, verpflichtet. Wir haben die Übeltäter erfolgreich gestellt und werden sie auch dem Gericht überführen. Doch...“, und jetzt wies er auf die Flüchtlinge: „diese Leute hier sind geflohen vor Denen, die wir zusammen mit ihnen geschnappt haben. Truppführerin Pötschke, Sie haben medizinische Kenntnisse. Sie haben die Aussagen der Frauen und Mädchen überprüft. Ja, wie können wir denn diese Leute ans Messer liefern, die von den Moslems vergewaltigt worden sind?“ Kommandant Ebeling schwieg und musterte seine Kompanie aufmerksam. Er musste ihnen Zeit lassen. Schon zeigten sich vereinzelt zustimmende Reaktionen, und ein Raunen breitete sich aus. „Truppführerin Pötschke, bitte kommen Sie mit mir.“, war die kurze Bemerkung Ebeling´s. Beide hatten sich bereits einige Meter von der Kompanie entfernt. „Ursel, ich weiß, welcher Gefahr wir uns damit aussetzen. Sicher! Doch ich hab auch Verantwortung vor meinem Gewissen. Sie als Frau könnten bestimmt auch nicht ertragen, dass diese Opfer zusammen mit ihren Peinigern hingerichtet würden. Ich denke, meine Entscheidung ist ganz in Ihrem Sinn.“ Truppführerin Pötschke nickte nur und sah ihren Kommandanten freundlich an. „Ja, Oskar, Sie nehmen eine schwere Bürde von mir. Ich beglückwünsche Sie zu ihrem wahrhaft menschenfreundlichen Entschluss. Diese Leute am Leben zu lassen, ist in Wahrheit ein großer Dienst an der Menschheit. Ich war in vielen Krankenstationen tätig. Und überall waren es diese Juden und Christen, die echtes Intresse an den Patienten gezeigt haben. Oskar, ich könnte erst recht nicht mehr in den Spiegel schaun, wenn wir sie umbringen würden.“ Wortlos legte Ebeling seinen Arm auf ihre Schulter. Sie verstand, und erleichtert atmeten beide auf. Seine geliebte Frau wäre jetzt bestimmt glücklich, dessen war er sich gewiss. Ursel Pötschke sah in ihm einen großartigen Menschen. Als Kommandant standen ihm weitaus mehr Möglichkeiten offen, und sicher hätte er jetzt eine Bilderbuchkarriere hinter sich, säß gemütlich mit Familie und Freunden im eigenen Park vor seiner Villa und verbrächte viel Zeit mit den Spielen der Millionäre. Doch dieser Mann hatte „den Menschen entdeckt“, wie er sich zu seiner Wahl äußerte. Statt eines selbstgefälligen Verschwenderdaseins hatte er es vorgezogen, bei seinem Stützpunkt zu bleiben und für die Kollegenschaft dazusein. Unter seiner Obhut wuchsen Ursel Pötschke´s Mut, Geschicklichkeit, Ausdauer und Moral. Bald wurde sie zur Truppführerin ernannt. Ja, sie verdankte ihm weit mehr als ihren Aufstieg: würden sie plötzlich seinen Verlust beklagen müssen, sein Beispiel blieb ihnen stets erstrebenswert. Als Kommandant war er nicht irgend ein kalter, unnahbarer Befehlserteiler, sondern ihm konnten sich alle anvertraun, die mit ihm zu tun hatten. Er war ein väterlicher Freund zu allen, die ihre Menschlichkeit bewahren wollten. Für draufgängerische Rambos hatte er allerdings einige Rüffel bereit, und mancher Militär kam durch ihn zum Nachdenken über sich selbst und seine Mitmenschen. Wer gänzlich uneinsichtig bleiben wollte, bekam von ihm die Möglichkeit, zu anderen Vorgesetzten überzuwechseln, die einen schärferen Drill anboten. Meist wählten diese Soldaten und Rekruten den Pionierdienst, und viele kamen um. Obwohl Ebeling wusste, dass er nunmehr keinen Einfluß auf sie ausüben konnte, fühlte er sich dennoch verantwortlich für sie. Wie gut war es da, Rackel zur Seite zu haben. Sie verfügte über genug Feingefühl, ihn vor Abstürzen zu warnen. Er hatte nie zur Flasche oder sonstigen Betäubungsmitteln gegriffen, selbst Nikotin war ihm völlig abwegig. Seine Stärke kam aus einer tiefen Quelle, die ihm selbst unbekannt war. Die Behauptungen einiger Esoteriker und fernöstlich Intressierter konnten ihm keine wirklich plausiblen Erklärungen geben. Irgendwie spürte er, dass da noch was sein musste. Unter seinen Freunden gab es Konservative, feurige Demokraten und solche, denen eine noch größere Kraft innewohnte. Von Diesen wusste er, daß letztendlich G'tt es war, Der ihm das Gewissen am Leben erhielt. Diese Leute fühlten sich verantwortlich vor dem Schöpfer, vor sich selber und vor allen Mitgeschöpfen. „Sei dir klar darüber“, sagte ein besonders naher Freund ihm einmal, „dass bei allem, was du tust, sagst und auch nur denkst, du vor einer höheren Instanz stehn wirst. Und zwar vor einer unbestechlichen und absolut gerechten!“ So umschrieb damals der Freund seine Verantwortung vor dem Schöpfer. Ja, diese lieben Freunde, sie hatten entscheidend beigetragen zu seiner Festigkeit, mit der er festhielt an dieser Tugend. Da war etwas Kostbares, und er war im Besitz dessen. Wie konnte er jemals einen andern Weg einschlagen? Betrachtete er die Welt um sich herum, musste er immer wieder nüchtern feststellen, dass der Individualismus lediglich ein weiteres Wort war für Egozentrik. Alle wollten „sich selbst entfalten“, „sich selbst verwirklichen“ und erkannten dabei nicht, dass sie ihr Selbst mehr und mehr verloren. Diesen Schöpfer musste es ja wirklich geben, schloss Ebeling. Je weiter entfernt ein Mensch war von den biblischen Vorgaben, um so karger und leerer wurde sein Dasein. Also war es das Vernünftigste, so kombinierte Ebeling, zum Ursprung zurück zu finden. Oft hatten seine Frau und er darüber nachgedacht, doch sie konnten einfach nicht den Zugang finden, der sie in die Nähe des Schöpfers brachte. Sie spürten, dass Er voller Wärme auf sie wartete. Das gab ihnen immer wieder neuen Mut, ihre Suche nicht aufzugeben. Insgeheim wussten sie, dass der Schöpfer eine Person voller tiefer, reiner Liebe sein musste. Ihre Beobachtungen ließen keinen andern Schluss zu. Von der Bibel kannten sie nicht viel, und nur gelegentlich kamen sie zum Lesen. Doch das war jedesmal eine Entdeckung für sich: Oft, sehr oft sogar, sprach die ausgewählte Stelle genau ihre jeweiligen Situationen an und gab ihnen sehr effektive Lösungen zur Hand. Beide spürten, dass in keinem andern Buch so viel Kraft geballt war wie in der Bibel. Als habe der Schöpfer in ihr ein Energiedepot angelegt, bereit für jeden ratsuchenden Menschen, der „das Wort des Herrn befragen wollte“, wie sie einmal mehr erstaunt lesen konnten. „In der Bibel wohnt das Herz Gottes!“, hatte Rackel dazu ins Ehetagebuch eingetragen. Mit nur wenigen Bekannten konnten sie ihre Bibel-Sternstunden teilen. Selbst unter den Gottgläubigen gab es nur diesen einen nahen Freund, der die Bibel hoch achtete, während zum Schluss die Andern eher oberflächlich darüber redeten. Dieser Freund las in den letzten Monaten vor ihrem Umzug öfters zusammen mit ihnen darin. Fred war es auch, der eine wirkliche Ehrfurcht vor dem Schöpfer zeigte. Wenn die gottgläubigen Freunde auf Gott zu sprechen kamen, ertönten ab und zu gewisse Mißklänge, wie: „Heute darf man die Bibel nicht mehr wortwörtlich nehmen“, „Hüten wir uns vor Frömmelei!“, „Hauptsache, man glaubt an den Schöpfer“ und ähnliche Unverbindlichkeiten. Fred und den Ebeling´s ging es wirklich um dieses unendlich großherzige, mächtige Wesen, das den Menschen erlaubt und sogar geboten hatte, ihre Erlebnisse mit Ihm schriftlich aufzuzeichnen. So kam auch einzig und allein Fred zu ihren gemeinsamen Lesungen. Später, nach ihrem Umzug, erreichte sie die Nachricht, ihr Freund sei verstorben. Außer einer Katze hatte er nichts im hiesigen Dasein zurückgelassen. Gern hatten die Ebeling´s das Tier aufgenommen, um ihm ein geruhsames Alter zu garantieren. Schließlich war Samantah schon reichlich betagt, als sie zu ihnen kam. Oscar Ebeling hatte die Ausbildung und Führung einer Garnison angeboten bekommen. Seine Frau war nicht begeistert vom Gedanken an eine neue Umgebung. Doch sie wusste in ihrem Innern, dass das Angebot gut sei für sie beide. Oscar hatte bisher nichts gesagt und wartete auf seine Frau, wie sie diese Sache säh. Rackel las nochmal das Schreiben durch, in Anwesenheit Oscar´s. Und als sie ihn dann fragte, wie er darüber denke, sah er ihr tief in die Augen. „Mein Liebes“, begann er, „mir ist klar, dass wir alles zurücklassen, was uns hier so wertvoll geworden ist. Sicher finden wir neue Freunde, vielleicht gibt es auch dort einen wie Fred? Aber wie denkst du über den Ortswechsel? Es ist ja schließlich kein Katzensprung, diese fast 2.000 km!“ Erwartungsvoll betrachtete er das anmutige Gesicht seiner Gefährtin und Freundin. Sie schmiegte sich eng an ihn und seufzte leicht. Nach einer Weile sagte sie: „Was hat Ruth gesagt, als sie umkehren sollte nach Moaw?“ Und jetzt zitierte Rackel Ruth´s Worte, wie schon von so Vielen zuvor und auch später, bis auf diesen Tag: „Dringe nicht in mich, dich zu verlassen und von dir mich abzuwenden. Denn wo du hingehst, will ich hingehn, dort, wo du weilst, will ich verweilen, dein Volk ist mein Volk, und dein G'tt ist mein G'tt.“ Sie sah ihn liebevoll an, als sie weitersprach: „Wo du stirbst, will ich sterben und dort begraben werden! So tue mir der Ewige an, so und noch mehr: Nur der Tod kann scheiden zwischen mir und dir!“
Einige Jahre waren schon vergangen, und ihr Sohn trug dem Schöpfer zu Ehren den Namen Amos. Dieser unscheinbare Landwirt war immer ein Teil des „Volkes des Landes“ geblieben. Die abgehobene religiöse Oberschicht hatte gänzlich versagt und war außerstande, dem Volk richtungsweisend voranzugehn. Der lebende G'tt hatte ausgerechnet einen bodenständigen Amos ausgewählt, um nochmals Worte Seiner Liebe ans Volk zu richten. Mit der Wahl dieses Namens verbanden die Ebeling´s auch eine leise Hoffnung, ihr Sohn werde wie Amos zum Sprachrohr des liebenden Schöpfers heranreifen und ein starker, unerschütterlicher Diener für alle Suchenden sein. Ihre eigene Sehnsucht nach G'tt spiegelte sich in diesem Namen wieder. Ursel Pötschke kannte die Ebeling´s gut, und auch sie ahnte, dass da noch ein „großes Gegenüber“ Acht auf sie hatte und sie diesem Wesen niemals gleichgültig sein konnte. Auch sie suchte, wenn auch nicht in der Bibel. Zu diesem Buch hatte sie einfach keine Beziehung. Gewiss, IsraEl´s G'tt zeigte Sich an, in und auch durch IsraEl. Doch was hatte das alles zu tun mit ihr? Sie konnte sich einfach keinen Reim daraus reimen. Doch deutlich war ihre Sehnsucht, dieses „große Gegenüber“ endlich zu entdecken. War die Menschheitsgeschichte ihr auch fremd, so nahm sie indes jedes Wort begierig auf, das von Seiner Liebe handelte. Ja, einen solchen G'tt konnte sie wirklich akzeptieren! Grade die persönlichen Erfahrungen der Ebeling´s mit Ihm verschaffte ihr neuen Mut, ihre Suche nicht aufzugeben.
Oscar Ebeling stand vor einer neuen Entscheidung: Von seinem Urteil hing das Leben dieser geschundenen Flüchtlinge ab. Doch unausgesprochen stand seine gesamte Kompanie hinter ihm. Als er sie nochmals zusammengerufen hatte und ihnen seinen festen Entschluß mitteilte, ging anerkennendes Murmeln durch die Menge. An ihren Gesichtern konnte er lesen: sie waren froh darüber, nicht als Todesmaschinen mißbraucht zu werden. Ihr Kommandant hatte sie davor bewahrt, sich vor sich selbst ekeln zu müssen. Sie brachten ihm tiefe Hochachtung entgegen, besonders angesichts des Umstands, dass er sehr viel für diesen mutigen Schritt riskierte. Um so fester hielten sie zu ihm wie 1 Mann.
Dorian war der Erste, der ein brauchbares Transportmittel abgab. Seine Anwesenheit wirkte auf die Herde nachhaltig: Es dauerte nicht allzu lang, und fast alle Strauße dienten bereitwillig als zuverlässige Helfer. Sei es für die Reiterei, sei es als Zugtiere für Lasten. Die kleine Gemeinschaft hatte mittlerweile eine feste Route eingerichtet zwischen Oase und Bunker. Täglich wurden die Vorräte gepflegt. Leider fehlte es ihnen an Konservierungsmitteln wie Salz oder Frost. Ob es überhaupt noch einen richtigen Winter geben würde in den kommenden Jahren? Leicht verderbliche Nahrung, insbesondere das Fleisch, musste bald völlig aufgebraucht werden, was ihnen allerdings ein besonderes Problem aufgab: wie ließen sich die Herden am Nachhaltigsten bewirtschaften, sprich ohne zu große Verluste? Ideal wäre gewesen, irgend welches Milchvieh aufzutreiben. Doch davon fehlte jede Spur. Die Wildbestände wurden hauptsächlich bestritten durch das Inventar des zerstörten Safariparks, und kaum einmal konnten die Freunde eines Rehs habhaft werden. Kontakt aufnehmen mit den Militärs? Ob grade das nicht ihr Todesurteil werden würde? Nein, sie mussten lernen, auszukommen mit ihrem Reservoir. So einfach und zugleich auch schwer war das. Gut, ihre Vögel waren zum Teil Hennen, und man konnte neben einer stabilen Vermehrung auch noch ergiebige Eier verwerten. Henk war es, durch den sie wieder mal auf den Boden der Tatsache G'ttes zurück gebracht wurden. Sie saßen am Feuer und ratschlagten hin und her, als er sie alle erinnerte: „Sagt mal, was hat uns Binjaschar nicht schon alles gesagt von dem Buch? Also, steht da drin, dass uns G'tt versorgt oder nicht?“
Beschämt saßen sie da und zeigten sich verlegen. Langsam meldete sich Thomas Neusser jetzt zu Wort: „wenn...“, verlegen räusperte er sich, „sich alles verhält, wie ihr so sagt...“, tief holte er Luft, „also, dann will auch ich diesem G'tt vertrauen ....schließlich bin ich Ihm eine Erklärung schuldig!“ An den erfreuten Gesichtern der Freunde konnte er nur Zustimmung erkennen, und neuer Mut erfüllte ihn, als er sich ihnen offenbarte: „Also, jetzt will ich endlich, wie man so sagt, Nägel mit Köpfen machen. Wie werde ich einer von euch?“ „Kommt, lasst uns knien vor unserm Schöpfer!“, lud feierlich Binjaschar ein. Es war eine intensive Zeit, während sie mit G'tt sprachen. Als Thomas Neusser sich dem Herrn übereignet hatte und Stille eintrat, meldete sich schüchtern die Stimme von Ali: „G'tt IsraEl´s, da bin ich. Ein Verbrecher, der vielen das Leben schwer gemacht hat. Einige sind unter mir gestorben. Ja, ein gemeiner Mörder wagt es, vor dem heiligen Schöpfer des Himmels und der Hölle zu kommen. Bitte, oh G'tt, kannst Du mir jemals vergeben? Diese große Schuld, sie lastet auf mir und ist mir zu schwer. Da bin ich, mach mit mir, was immer Du tun willst. Es möge geschehn. Es ist nur gut und gerecht. Amin!“
Im nächsten Augenblick fielen sich die sechs Schicksalsgefährten in die Arme und weinten Tränen der Freude und tiefen Dankbarkeit. Ali hatte sein Leben niedergelegt vor seinem Schöpfer. Jetzt war er gefasst auf alles, was kommen würde. Selbst, wenn ein Gericht ihm den verdienten Tod brächte, er war bereit, sich zu stellen.
Zur Hälfte waren sie am Fluß, zur Hälfte im Keller beschäftigt. Das Team am Fluß begutachtete die trotz Bejagung wachsenden Herden und holte frische Wasserreserven, während im Keller die Vorräte auf weitere Haltbarkeit überprüft wurden. Stella hatte sich seit wenigen Minuten nach oben begeben, um frische Luft zu tanken. Trotz der seitlichen Schächte gab es nur wenig Zirkulation in den Räumen. Sie sah ins Tal hinab und wunderte sich, dass im Dezember noch immer grünes Laub an der Birke war. Sie hatte den Jungbaum eigenhändig an die Kante zum Tal gepflanzt. Ihr Blick schwiff weiter in die Ferne, als von da, zunächst kaum wahrzunehmen, eine Staubfahne auf das Lager zukam. Schnell holte sie das Fernglas von Henk und eilte wieder, ohne ein Wort zu sagen, nach oben. Verstohlen schauten sich Thomas und Binjaschar an. Was gab es schon wieder an Veränderungen? Etwa die Flügelpferde mit ihren Flammenwerfer- Mäulern? Auf alles waren die Freunde mittlerweile gefasst. Ja, selbst auf die wortwörtliche Erfüllung der biblischen Prophetie. Stella´s aufgeregte Stimme lockte die Beiden nach draußen. „Kugt euch mal Ali an!“, rief sie, „der reitet wie ...ähm, wie der Henker!“ In rasantem Tempo kam da Ali auf Dorian herangeschossen, als ginge es um sein Leben. Von Weitem rief er ihnen irgendwas zu. Nur noch wenige hundert Meter lagen zwischen ihnen, als man einige unbestimmte Wortfetzten erahnen konnte. Endlich hielten Strauß und Reiter wenige Meter vor den Wartenden. Atemlos sprang Ali zu Boden, einen hechelnden Dorian bei sich. Noch immer konnten sie ihn kaum verstehn, weil er noch keuchend nach Luft rang. Aber schließlich rief er: „Sie haben uns. Die Soldaten. Sie kamen plötzlich und haben uns gestellt. Mich haben sie nach euch geschickt, um euch zu warnen!“ Jetzt wurde Ali überstürmt von Fragen, und abwehrend hob er seine Linke. „Bitte“, wendete er hastig ein, „Lasst euren Bruder zu Wort kommen!“ Da packte er aus: Das Radar des Hauptquartiers hatte seltsame Bewegungen im Luftraum verzeichnet, unter Anderem auch den gleichzeitigen Ausbruch von Bränden. „Sie sind“, so sagte Ali, „eilends beschäftigt, ihr HQ zu verlassen. Abzubaun kostet zuviel Zeit. Sie befinden sich auf direktem Weg hier hin. Hoffentlich können sie es noch schaffen. Sie führen auch schweres Gerät mit sich, um den Tunnel auszubauen. Die Kompanie, die Faisal Emirolu gefangen hat, müsste zuerst kommen. Sie führen unsere, ich meine, die Gefangenen meiner vergangenen Einheit mit sich. Emirolu ist aber nicht bei ihnen, sie haben ihn bereits hingerichtet. Alle andern Mörder kommen mit zu uns. Aber seid unbesorgt, sie sind bestens verwahrt!“
Tolle Neuigkeiten, nun kamen die Mörder, die ihr Camp überfallen hatten, gefesselt zu ihnen...
Stella war überrascht über sich selbst, warum sie nicht in Zorn verfiel über die Banditen. Sie beobachtete, dass bei Ali nicht ein Anflug an Angst zu erkennen war, obwohl die Soldaten ihn mit Sicherheit ebenfalls dem Tod ausliefern mussten. Nein, an Stelle dessen gingen sie auch noch das Risiko ein, ihn entkommen zu lassen. Oder hatten sie die andern Beiden etwa als Pfand...?
Was holte Ali denn da unter seinem Umhang hervor? Ja, jetzt erkannte Stella ein militärisches Sprechgerät. „Feuerwagen an Adlerhorst, bin als Erster am Ziel“, hörte sie Ali mit einer Selbstverständlichkeit sagen, „Wiederhole: bin als Erster am Ziel. Bestätigung folgt sofort.“ Er hielt Stella das Gerät hin. „Stella, bestätige ihnen, dass Ali Akbar wirklich fortan ein ehrlicher Mann der Menschlichkeit ist. Stella, bitte!“ Der Nachdruck in seinem Gesicht sprach deutlich in ihr Herz. „Hier Stella Romana vom Team B. Ja, ich bestätige, daß Ali hier angekommen ist. Adlerhorst, willkommen!“ hiermit gab sie das Gerät zurück an Ali, der mit „Ower and out“ schloss. Der bislang schweigende Binjaschar stellte fest: „Nu denn, auf zum Abenteuer. Was bleibt uns übrig, als auf die Güte des Militärs zu hoffen, nachdem wir ständig Seine Güte erfahren durften?“ Mit bedeutungsvoller Miene nickte Thomas dazu. Es war Stella, die sie auf einen anderen Aspekt brachte: „Ich denke, dass auch die Soldaten ein Recht auf G'tt haben! Also, dienen wir ihnen, damit auch sie Ihn kennen lernen“, und auflockernd: „Was, Jungs?“
Bevor sie antworten konnten, meldete sich das Funkgerät wieder. „Hier Feuerwagen, ich höre...“ Ein kurzes Knacken zeigte an, daß Adlerhorst sich meldete: „Adlerhorst hier. Falken im Anflug. Positionslicht erbeten. Ende und aus“. Aha, die Soldaten gingen das Risiko ein, alles durch ein Feuer zu verraten. Aber wie sollten sie sonst das gut versteckte Lager orten? Klar: warum kam Ali erst jetzt auf den Gedanken? Er hob das Gerät abermals an den Mund: „Feuerwagen, hier Feuerwagen.“ Knacken und kurzes Rauschen. „Adlerhorst hier. Höre.“ „Feuerwagen kommt zum Start zurück. Ende und aus“. Ohne abzuwarten sprang Ali auf und brauste auf Dorian direkt wieder ins Tal zurück. Offenbar wollte er ihnen die Gefahr einer feindlichen Entdeckung ersparen. Wer oder was auch immer jetzt über die Menschheit kommen würde- diese Feinde jedenfalls kannten weder Zurückhaltung noch Erbarmen. Auch, wenn G'tt selber sie losließ auf die Erde- wie konnte man wissen, ob diese neue Invasion unterschied zwischen Gläubigen und Ungläubigen? Jedenfalls konnte das Militär mit seinen Waffen wohl nichts ausrichten gegen Geisterwesen. Am wenigsten allerdings gegen eine Armee, die auf Befehl des Allmächtigen ausgezogen war. Diese wurde angeführt, so die Bibel, von 4 mächtigen Engeln persönlich. Ein volles Drittel der Menschheit, oder des bisherigen Restes, musste nun den Tod schmecken!
Leises Brummen riß die Freunde aus ihren Gedanken. Waren es Fahrzeuge, die da näher kamen? Seit wenigen Minuten war es merkwürdig dunkel geworden. Paarweise Lichter wiesen auf die Vehikel hin. Sie fuhren im Gänsemarsch das Tal hinauf. Schon kam der erste Jeep auf ihrem Hügel zu stehn. Sofort stiegen die Soldaten aus, begrüßten kurz die Freunde und ließen sich ohne Umschweife den Unterschlupf zeigen. Weitere Geländfahrzeuge hielten, und auch ihnen entstiegen eilends die Insassen. Ohne viel zu sagen, hoben sie im Vorbeieilen nur kurz die Hände an ihre Schläfen und verschwanden auch schon im Bunker. Von drinnen war eifrige Geschäftigkeit zu hören: Offensichtlich waren sie beim Aufbau irgend welcher Elektronik. Jedenfalls rauschte und piepte es bald, was auf Radar und Funkverbindungen wies. Unschlüssig, was zu tun sei, standen die 3 noch immer auf der Anhöhe, als ein typisches Trappeln sie an Dorian erinnerte. „He, ihr Lieben...“, hörten sie Ali rufen, „Da sag einer noch mal, diese Vögel seien mit Nachtblindheit geschlagen!“. Mit elegantem Sprung landete er direkt vor den Freunden. Ohne sie zu Wort kommen zu lassen, legte er los: Also, da würden noch ein paar LKWs nachkommen, beladen mit seiner ehemaligen Verbrecher- Einheit. Außerdem eine handvoll Panzer, die aber zunächst versuchten, die Nachhut zu sichern, falls möglich. „Was das Hauptquartier betrifft, haben sie Schwierigkeiten, stehn unter schwerem Beschuss. Ja, Beschuss. Irgend eine fremde Luftwaffe nimmt sie unter Feuer. Niemand kann die Flieger orten. Einfach gespenstisch, das Ganze! Klar haben sie auch einen Bunker, aber sie wollen möglichst schnell zu uns stoßen, um dem Inferno dort zu entkommen. Schnell, runter mit uns!“, rief Ali, der schon im Laufschritt zum Eingang eilte. Ohne zu überlegen, fast automatisch, folgten sie ihm unter den Erdboden. Der Hauptraum glich in der Tat einem Zentrum des Militärs und war es jetzt auch. Funksprüche bestätigten einen mittlerweise funktionierenden Verbindungsaufbau, als ein offenbar hochrangiger Offizier die Zivilisten begrüßte: „Kommandant Oscar Ebeling. Bitte, haben sie Verständnis für unsere gemeinsame Lage. Aber nur gemeinsam können wir das hier überstehn. Ich will nicht wissen, wie viele meiner Einheit auf der Strecke bleiben werden. Wünschen Sie etwas Kaffee? Da drüben steht alles bereit. Ich hoffe, Ihnen möglichst bald alles erklären zu können, aber zur Zeit- Sie sehn es ja selbst“. Schon war er wieder mitten im Funkverkehr und fragte verschiedene Posten ab, gab Anweisungen und versuchte, den Gesprächspartnern Mut zuzusprechen. Aus den Lautsprechern waren Explosionen zu vernehmen, aufgeregte Schreie und Befehle. Es musste die Hölle sein, was die Einheiten da draußen erlitten! Stella schaute leise betend in die Runde, als ein weibliches Augenpaar das Ihre traf. Die mittelblonde Frau kam auf sie zu und stellte sich vor: „Truppführerin Ursel Pötschke, willkommen im Krieg!“, sagte sie mit einem Galgenhumor, wie er wohl nur geprüften Zeitgenossen eigen war. „Stella Romana, Team B. Willkommen in unserem Prunkpalast!“. Erfreut, sie endlich zu sehn, stellte Ursel Pötschke fest: „Ja, Sie hatten wir am Apparat! Schön, dass Herr Akbar sich so kooperativ zeigt. Das hat seinen Kopf aus der Schlinge gezogen, meine Teure!“ Vom Radarpult kam ein Ruf an sie, und schon wandte sie sich halb um. „Entschuldigen Sie bitte, Stella. Aber meine Einheit ist in Schwierigkeiten, sie braucht mich jetzt!“ Schon hatte sie das Gerät in Händen und fragte: „Albert, wie sieht es aus bei euch da draußen?“ Rauschen. „Albert, melde dich!“ Durch das Rauschen kam schwach die Stimme Leng´s, kaum zu verstehn, was er sagte. „Rauschfilter ausgefallen, Truppführerin“, meldete sich einer der Techniker, „versuche, was ich kann!“ Leise murmelte sie: „Ja, und du kannst verdammt viel auf deinem Gebiet.“ „Albert, bitte kommen!“ Aus dem Rauschen waren Wortfetzten zu hören. Ursel Pötschke entnahm ihnen, dass die Situation äußerst prikär geworden war. Die Nachhut musste tiefe Krater umkurven und war dadurch erheblich verlangsamt, während die Panzer verzweifelt versuchten, dem feindlichen Luftangriff etwas entgegenzusetzen. Das Radar sprach eine ernste Sprache: Einen Großteil der Fahrzeuge hatten sie verloren, andere warfen unstetige Signale zurück, was auf Schäden in größerem Umfang schließen ließ. Ursel Pötschke ließ entmutigt die Arme sinken. Nichts konnte sie tun. Sollte sie sich ebenfalls abfackeln lassen? Hoffentlich blieben die Bauausrüstung und ihre Geländefahrzeuge hier beim Bunker noch intakt! „Radar zeigt Formation auf uns zukommen, Notsignalfrequenz.“ Sofort wies Oscar Ebeling die leise betenden Freunde an, auf dem Hügelkamm Positionslicht herzustellen. „Egal, ob das uns verrät. Es ist ihre einzige Chance, direkt zu uns zu finden! Auf, machen Sie schnell, bevor Sie auch noch draufgehn!“, schrie er jetzt eindringlich. Kaum rannten die Freunde nach oben, als ein Mann die Treppe heruntergestolpert kam. Ali! Es war Ali. Sichtbar angeschlagen torkelte er die Stufen hinab. Sofort stützten Stella und Thomas ihn, während Binjaschar mit dem Feuerzeug bewaffnet zur Kante eilte. „Schon lustig“, bemerkte er, „ein Feuerzeug als Waffe gegen Flammenwerfer der Superlative...“ Rasch hatte er ein paar trockene Reiser aufgetürmt und entzündete sie. Kurz wartete er, bis die Flammen Fuß gefasst hatten, und holte schnell noch Kohlen aus dem Bunker. Vom Tal waren auch schon erste Scheinwerfer auszumachen. Erleichtert wollte er aufatmen, doch was war da am Horizont? Mit eigenen Augen sah er, wie Feuerstöße auf die Erde niederfegten und alles in ein einziges Flammenmeer verwandelten. Im Feuerschein erkannte er einzelne Fahrzeuge, die verzweifelt versuchten, dem Bombardement zu entkommen. Welch ein grausiges Schauspiel! „Loß, macht schnell!“, stammelte er. Jetzt nahm er einen Ginsterast, brach ihn ab und hielt sein bezweigtes Ende ins Feuer, um ihn darauf über dem Kopf hin- und her zu schwenken. Das war so ziemlich alles, was er tun konnte. „Herr, bitte!“, schrie er jetzt, „Ana, ha Schem, hoschianah, ana, ha Schem, hatslichanah!“ ( „Bitte, Ewiger, rette uns, bitte, Ewiger, schenke Gelingen uns!“).
die ersten Fahrzeuge waren auf seiner Höhe angekommen und bremsten mit heftigem Ruck, dass die Insassen sich nach vorne neigten. Zum Reden war keine Zeit. Binjaschar wies auf den Eingang und wartete auf das allerletzte der flüchtenden Vehikel. Diese seltsame Dunkelheit, mitten im Nachmittag. Obwohl Dezember war, brach sie schon um 15 Uhr herein, statt frühstens um 16:15. Als wolle diese Streitmacht ihre Feuerkraft noch unterstreichen dadurch! Binjaschar erinnerte sich an die weg von den Händen der Moslems Befreiten. Landsleit und Christen. Sollten etwa auch Diese umkommen durch G'ttes Gericht? Unvorstellbar! „Nein, wenn es wirklich Gläubige sind, kommen auch sie nicht ins Gericht, sondern werden gerettet. Herr, unser G'tt und himmlischer Vater, in Deine mächtigen Hände Diese. Du bestrafst ja die Feinde, und nicht noch Deine Getreuen!“ Diese tiefe Gewissheit machte ihn auf einmal seltsam ruhig, als er dastand und hilflos der Katastrophe zuschaute, die immer näher rückte. Schon war das halbe Tal in Feuer getaucht. Da vibrierten Luft und Boden, begleitet von Rattern und Quietschen. Das mussten die abschließenden Panzer sein! Wieder brach Binjaschar einen Ginsterast ab und machte ihn zur Fackel, die er über sich schwenkte. Das erschütternde Vibrieren kam bedrohlich näher, und eh er sich dessen klar war, stieben auch schon die Panzer zu beiden Seiten an ihm vorbei. Er wartete auf das allerletzte Besatzungsmitglied und rannte mit diesem zum Bunker. Noch während sie zum Unterschlupf hetzten, wendete der Soldat ihm das Gesicht zu. „Gestatten, Kommandant Albert Leng. Meine Hochachtung, Zivilist! Los, retten wir unsere Ärsche, solange die da unten noch weit genug weg sind.“
Die Räume waren jetzt wirklich prallvoll mit Menschen. Doch sie boten ihnen immer noch einigermaßen Bewegung. Sogar genug Schlafplatz war vorhanden für über die Hälfte. Da sie eine Runduhr- Wache einrichten würden, reichte die derzeitige Kapazität erst mal. Die Neuankömmlinge verhielten sich ziemlich ruhig nach den zurückliegenden Anstrengungen. Die Offiziere bemühten sich um das Wohl der Eingetroffenen, ohne den Funkkontakt zum Hauptquatier abzubrechen. Für Truppführerin Ursel Pötschke gab es auf der Kommandobrücke nichts mehr zu tun, hatte ihre Einheit es doch bis hier hin geschafft. Sie sprach mit Leng über das, was da draußen vor sich ging. Dabei nahmen sie einige Modelle der Luftwaffen durch, um sich einigermaßen ein Bild machen zu können, mit was sie sich da überhaupt konfrontiert sahen. Die Sanitäter waren vollauf beschäftigt mit ihren Patienten, während die Freunde, jetzt wieder komplett, die Schlafstätten bereiteten. Insgeheim konnte Binjaschar nicht verstehn, warum die Streitmacht G'ttes derart wütete. Aus dem Gedächtnis zitierte er die Stelle, die Rabbi Jah'El ihm damals gezeigt hatte: „...und aus ihren Mäulern gehn Feuer und Rauch und Schwefel hervor. Von diesen 3 Plagen wurde 1/3 der Menschheit getötet, vom Feuer, Rauch und Schwefel, die aus ihren Mäulern hervorkamen. Denn die Gewalt der Rosse ist in ihrem Maul und in ihren Schwänzen, denn ihre Schwänze gleichen Schlangen und besitzen Köpfe, und mit ihnen fügen sie Schaden zu.“ Also Feuer von vorn und hinten. Von manchen Kampfhubschraubern war bekannt, dass an ihren Schwänzen Waffensysteme angebracht wurden, die in fast jede Richtung zu feuern vermochten. In fast jede, um nicht ihren Träger selber zu beschädigen. Aber warum dann eine solch aufwendige Beschreibung, die eher an Drachen erinnerte, wenn sie es lediglich mit Kampfhubschraubern zu tun hatten? Außerdem wurde hierbei keinerlei Fluglärm erwähnt, wo die Bibel sich doch stets größter Detailgenauigkeit erfreute. Nein, mit bekannten Waffensystemen hatte der unbekannte Feind nicht viel gemeinsam.
Stella hatte sich zu den Frauen und Mädchen gesetzt. Ihr Herz blutete bei all dem, was ihr da berichtet wurde. Henk hockte an einer Wand und suchte die Frequenzen ab. Doch diesmal schien der Weltempfänger nichts auffangen zu können. Oscar Ebeling fragte das HQ nach deren aktuellen Lage. Sie wollten lieber im Bunkersystem bleiben, bis draußen wirklich alles ruhig war. Er konnte es ihnen auch nicht verdenken.
„wie gehts?“, fragte eine warme Stimme die dasitzende Stella. Diese schaute auf. Ursel Pötschke reichte ihr eine Tasse frischen Kaffees und gesellte sich zu ihr. Stella war nach den gehörten Schilderungen der Frauen und Mädchen wortlos und wirkte müde. Wie wohltuend jetzt Ursel´s Gesellschaft war! Den Kaffee konnte man kaum trinken, so heiß wie der noch war.


Zuletzt von Eaglesword am So 23 Sep 2018, 22:01 bearbeitet; insgesamt 5-mal bearbeitet
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